stiken sich mit den Menschen verbinden, daß sie nicht mehr einer Sammlung zugehören, diese erlesenen Stücke der französischen Kunst unseres Jahrhunderts, sondern ein Teil des Lebens der Bewohner des Hauses geworden sind. Wir erinnern uns, daß die Industrie stadt Lille zugleich das geistige und kirchliche Zen trum Nordfrankreichs ist, ein Sowohl-Als auch, das von Menschen deutscher Zunge scheinbar nicht so ohne weiteres zu bewältigen ist. Dieser Industrielle ist nun der Stifter einer Filialkirche in dem schon genannten Ortsteil, der ziemlich weitab von der Pfarr kirche liegt. Also eigentlich eine Kapellenplanung, die aber in ihrer Art und Weise über sich selbst hin ausgewachsen ist. „Ich will, daß sich unsere Leute hier zuhause füh len!", sagte Monsieur Leclercq und gab dem Weiler ein Gotteshaus, das trotz der klaren zeitgenössischen Planung eine Heimstatt für die vielen Menschen der Umgebung wurde, die vielfach erst durch diesen Kapellenbau wieder den Weg in die Kirche fanden. In der Kapelle zu Hem ist apostolischer Eifer mit Kunstgewissen vereint — „Kunstverstand" ist hier nicht mehr das richtige Wort. Architekt dieses Bau werks ist der Schweizer Hermann Baur. Hier war Gelegenheit, Architektur und Ausstattung schon in der Planung zu verbinden, diese Chance hat der ver ständige Bauherr klug genützt. So konnte man von vornherein große Erwartungen in die Vollendung dieses Werkes setzen, das erst im vergangenen Jahr eingeweiht wurde. Der heilige Bezirk dieser Kapelle liegt neben einer Ortsstraße, fast verborgen durch eine kleine Hecke, die den breiten Vorplatz gegen die Straße abschließt. Der seitliche Zugang ist aber noch breit genug. Die Absonderung des Platzes entspricht den abgeschlos senen Hausgärten, die vielfach von Betonwänden umgrenzt sind. Die einfachen Menschen dieses Ortes haben offensichtlich Sinn für die Pflege der Persön lichkeit. Ihr einfacher Lebensstil wirkt nach außen hin schon eher wie Ärmlichkeit. Früher einmal war das Gebiet ein Land der Schafzucht. Ein Hauch der ein fachen Gottnähe eines Hirtenvolkes ist hier ver blieben. So ist Hem ein glücklicher Boden für diesen Kapellenbau gewesen, der die Einfachheit, die Sehn sucht unserer Maschinengetriebezeit, wieder auf genommen hat, um sie dem Einen darzubringen. Die kleinen erdgeschossigen weißgetünchten Häu ser um die Theresienkapelle sehen ganz festlich aus. Und der Vorplatz, den wir betreten, hat in seiner Bescheidenheit schon die Stimmung des Erhabenen, mit dem herben Turmbau und der breiten Giebel front, wo sich der Haupteingang öffnet. In den Stein platten auf dem Boden liegt eine Platte mit einer Inschrift; hier brennt das Osterfeuer. Der Turm ist einem menschlich nahegerückt durch seine plastische Durchformung, frei hängen die Glocken in den Ge schossen, ein Kupferdach nimmt die lebendige Ab schlußlinie auf. Das organische Wachstum seiner Räumlichkeit zeichnet alle Konturen des Turmes. Die gleiche Lebendigkeit webt um den Eingang. Aus der warmen Ziegelwand der Stirnfront schwingt sich ein Schutzdach vor, darunter im Schatten die Türen und zwischen ihnen vorgewölbt ein Betondickglasfenster. Das Dach schwingt auch noch nach innen ein und begleitet den Besucher der Kirche mit Manessiers „Alleluja", einem flächigen Mosaik aus leuchtenden Rot- und Orangetönen, die in ihren Formen die Naturliebe dieses „abstrakten" Künstlers aussprechen. Also schon ein festlicher Anklang beim Eintritt in die Kirche, dann nimmt der Besucher das Weihwasser aus dem taufsteinartig freistehenden Becken vor der türhohen Betonfensternische, wo in einfachster künst lerischer Aussage das Licht und die Gnade von oben verkündet wird. In dieser Nachbarschaft empfindet man freilich die Aluminiumtüren als zu spartanisch, das Ungestaltete in seiner geistigen Armut als kalten Fremdkörper. Sonst hat der Raum in aller gewollten Nüchternheit das hochzeitliche Gewand des Geistigen in har monischen Maßverhältnissen; das schräge, feste Dach ist mit edlem Holz gedeckt. Trotz der von außen nicht zu ahnenden Weite des Raumes sammelt der einfache Opferaltar die Gemeinde auf die wesentliche Mitte. Es blieb aber noch Platz für eine Bankreihe seitab zur Linken vor dem Sakramentsaltar, dessen Vorhang hintergrund freilich einen etwas provisorischen Ein druck macht. Der kleine, von Eisenfüßen getragene Steintisch und darauf der eisengehämmerte Taber nakel mit Alpha und Omega tragen um so stärker und eindringlicher die Zeichen des Zeitüberdauernden. Vorne in der Ziegelwand hinter dem Vorhang öffnet sich die Sakristeitür, darüber befindet sich eine Lüf tung, die leider nicht genügt. Die Betonfenster sind nicht zu öffnen, so gibt es einfach zu wenig Durch zug. Dabei dringt durch die großen Fensterwände viel Sonnenwärme. Gerade am Stein des Bodens und der Altäre setzt sich viel Schwitzwasser an. Das ist wohl auch eine Gefahr für das Kreuz und die Kommunion schranken aus Schmiedeeisen. Dieser Mangel soll aber die Gesamtschau nicht beeinträchtigen, die ganz wesentlich von der weiteren künstlerischen Ausgestal tung mitbestimmt wurde. George Rouault und Alfred Manessier sind als Freunde des Stifters schon 1952 mit dem Plan dieser Kapelle vertraut gemacht worden, 1957 wurden die Fenster nach zweijähriger Arbeits zeit von Manessier fertiggestellt. Von diesen soll zu nächst die Rede sein, nachdem das Mosaik über dem Haupteingang den Eintretenden schon eingestimmt hat. Die Bildbeilagen lassen wohl verspüren, wie eng bei dieser Kapellenplanung Architektur und bild nerischer Schmuck verwoben sind, als glückliche Frucht eines team-works. In der Beschreibung ist die Tren nung nötig.
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