Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

Glaubensgrenzen hinaus in solcher Weise beeindrucken ließ und läßt. Dankenswert erscheint uns am Buche vor allem auch, wenn ein gutes Gleichmaß an Berichterstattung über die Jahrhunderte hin einzuhalten gelang und der öster reichisch-süddeutsche Raum bei der Objektivität der Blick punkte von den ältesten Zeiten an (die These einer „Neu gründung" der — teils schon kanonisch besetzten! — bayrischen Bistümer durch Bonifaz [Seite 65] hätte sorg fältigere Formulierung verdient) bis zu Joseph II. und bis zur Glöckl-Ära (Seite 270, 277, 303) nicht zu kurz kam. Dr. Franz von Juraschek Berthold, Abt von Garsten. t1142. Von Josef Lenzenweger. (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs. Her ausgegeben vom Oberösterreichischen Landesarchiv, 5) (XVI und 304.) Mit fünf Tafeln. Linz, 1958. In Kommission bei Verlag Hermann Böhlaus Nochf., Graz-Köln. Leinen. S 120.—. Der oft gehörte Vorwurf, Österreich habe keine Heiligen und wenig große Menschen hervorgebracht, besteht nicht zu Recht. In Österreich lebten zu allen Zeiten Männer, die groß waren an Tugend, an Wissenschaft und an ande ren Fähigkeiten, nur wurden sie bisher zu wenig gewürdigt. So ist es sehr zu begrüßen, daß nun wieder das Leben eines solchen Großen durch eine beispielhafte Biographie auf den Leuchter gestellt wird; Berthold, Abt von Garsten. Er war schon bisher nicht unbekannt gewesen, zum jähr lichen Bertholdifest in Garsten strömen ja Menschen aus nah und fern zusammen; die vorliegende Arbeit aber ist berufen und geeignet, die Gestalt und das Leben Bertholds aus dem Rahmen der Volksfrömmigkeit und über die Grenzen des ehemaligen Garstner Gebietes und des Benediktinerordens hinaus mit gesicherten Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Der Verfasser, derzeit Theologieprofessor in Linz und Dozent an der theologischen Fakultät der Uni versität Graz, ist dazu wie kein anderer berufen: in einer ehemaligen Garstner Pfarre geboren und in Garsten selbst aufgewachsen, ist ihm diese ehrwürdige Gestalt von früher Jugend an vertraut. Ein Referat im kirchenhisto rischen Einführungsseminor in Linz, eine theologische und eine philosophische Disseration sind die hauptsächlichen Marksteine der weiteren, wissenschaftlich vertieften Beschäf tigung mit den Problemen um Garsten und Berthold, bis zu diesem Buch, das eine Krönung dieser Forschungsarbeit darstellt. Die Tätigkeit als Postulator im diözesanen und als Vizepostulator im römischen Prozeß um die Kult anerkennung des Abtes Berthold verschaffte dem Verfas ser neue Einblicke und eine besondere Eignung für diese Publikation. Da es sich in der „causa Bertholdi" um eine „causa histarica" handelt, wurde von der Ritenkongrega tion in Rom nach Norm von Can. 1087 CIC, nach welchem die Behandlung von Themen, die mit einer Kanonisation zusammenhängen, beschränkt ist, ohne weiteres die Mög lichkeit zu dieser Publikation eingeräumt. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil be handelt in seinem I. Abschnitt das Leben Bertholds. Be züglich der Abstammung kann nun als gesichertes Ergeb nis gelten, daß Bertholds Familie der Schicht der Ministe rialen angehörte, die beim Vordringen des Reiches gegen Osten seit der Zeit der Babenberger in „Ostarrichi" an zutreffen sind. Die Behauptung, er stamme von den Gra fen von Württemberg bzw. Windberg-Bogen ab, ist ins Reich der Legende zu verweisen, über Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Berthold begann seine geistliche Lauf bahn als Novize und Mönch im Kloster St. Blasien im Schwarzwald, das über Dijon in Frankreich und Fruttuaria in Oberitalien den Geist des Reformklosters Cluny über nommen hatte, wurde dann Großprior in Göttweig und begegnet uns schließlich seit 1111 als Abt von Garsten. Dort führte er durch mehr als 30 Jahre segensvoll den Krummstab als treubesorgter Vater seiner Mönche und als wirklichkeitsnaher und dabei doch in Gott begründeter Helfer seiner Zeitgenossen. Er brachte das junge Eigen kloster der Otakare in raschem Aufstieg zu hoher Blüte und zu großem Ansehen. Der II. Abschnitt untersucht den Berthold-Kult vom Jahr hundert seines Todes an über das Spätmittelalter, durch das Zeitalter der katholischen Erneuerung und des Barock sowie die Ära des Josephinismus bis in unsere Gegen wart. Interessante Forschungsergebnisse werden da ge boten über das Grab und sein Schicksal, über die Feier des Jahrtages und über das Formular der hl. Messe. Äußerst aufschlußreich sind bei diesem Durchblick vom Hochmittelaltar bis in die Gegenwart die Kapitel über das Aufscheinen Bertholds als Taufname und das Fort leben des vom Volk als Heiligen Verehrten in der Kunst. Zum ersten Male wird hier auch die Tatsache der bereits im Jahre 1236 erfolgten bischöflichen Kanonisation mit ihren nicht unbedeutenden Folgen dargelegt. Der zweite mit wissenschaftlicher Akribie durchge arbeitete Teil hat die Kritik der wichtigsten Quellen zum Inhalt, und zwar im I. Abschnitt die „Vita Bertholdi" und im II. Abschnitt die sonstigen Quellen, wie Urkunden, Traditionsnotizen und Annalen. Die immense Arbeit, die hierin aufgewendet wurde, kann nur der Fachmann voll würdigen. Die Vita Bertholdi, bereits 20 bis 30 Jahre nach seinem Ableben verfaßt und dann öfter fortgesetzt, be richtet in mittelalterlicher, manchmal auch unkritischer Weise Begebenheiten, die sich in seinem Leben und an seinem Grabe zutrugen. Darum erinnert die Arbeit des Wissenschaftlers an die Ablösung mehrfacher Schichten, mit denen oft romanische und gotische Fresken übermalt wurden, bis das ursprüngliche Bild sich wieder freigelegt darbietet, freilich vielfach nur mehr als Fragment erhalten. So war es z. B. auch schon bei der Darstellung des Lebens schwierig, „Wunder" der Zeitmeinung von den später in nicht geringer Zahl aufkommenden Mirakeln auseinander zuhalten. Denn der Berthold der Volksfrömmigkeit ist wohl zu unterscheiden vom historischen Berthold. Äußerst wertvoll als Grundlegung für eine wissenschaft lich exakte Bertholdforschung ist der Anhang, der eine kritische Textausgabe der Vita und die Texte anderer bis her nicht veröffentlichter oder schwer zugänglicher Doku mente bietet. Ein ausführliches Register erleichtert die Be nützung des Werkes. Im gesamten betrachtet kann also diese Neuerscheinung als hervorragende Leistung der österreichischen Ge schichtswissenschaft bezeichnet werden, die einen Heiligen und eine große, verehrungswürdige Gestalt des hohen Mittelalters in das helle Licht der Geschichte stellt. Der Stil ist dem Thema entsprechend sachlich, aber doch auch von einer gewissen Leidenschaft und Liebe des Verfassers zum Gegenstand getragen und durchwärmt. So verdient das Werk starke Verbreitung und wird sicher auch weite Kreise ansprechen und anregen, nicht nur die Historiker vom Fach in den Sachgebieten der Welt-, Kirchen-, Kunst-, Rechts- und Liturgiegeschichte, sondern auch die Heimatforscher und Heimatkundler, die Hagiographen, die Priester und die gebildeten Laien. (Die Kenntnis der lateinischen Sprache wird allerdings weithin vorausgesetzt.) Die Gestalt Bertholds verdient auch größte Aufmerksamkeit. Den Bestrebungen um die Anerkennung des Kultes als Heiliger möge ein baldiger und krönender Erfolg beschieden sein! Dr. Peter Gradauer

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