Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

Cezanne und van Gogh mit außerordentlicher Konsequenz über den Kubismus und Expressionismus zum Konstruk tivismus und Tochismus entwickelt? Eine solche Konsequenz aber ist kennzeichnend für Perioden der Stilbildung, etwa für das 15. Jahrhundert. Vielleicht bildet sich schon der neue Stil — man kann sehr wohl Stil hoben, ohne ihn benennen zu können (dos konnten auch die Menschen des 15. Jahrhunderts nicht). Die zweite Frage betrifft die Behauptung von der Herr schaft des Ästhetizismus. Auch dies konzedieren wir für das 19. Jahrhundert, ist es doch eines seiner Hauptmerk male. Noch gibt es Nachzügler, noch ist die Hybris, der er entstammt, nicht gebannt. Darin geben wir Weidle recht und sehen mit ihm darin eine der großen Gefahren. Aber von einer Herrschaft des Ästhetizismus kann man wohl doch nicht mehr reden. Wenn — seit Mondrian — viele Künstler behaupten, was sie wollten, sei keine „Kunst" mehr, so behaupten sie das eben deshalb, weil sie im „l'art pour l'art" kein Genüge finden und etwas er streben, was mit dem Leben im ganzen in Einklang steht. Und mehr noch spricht diese Sehnsucht aus den Werken selbst, die nicht die Natur abbilden, sondern die Urbilder der Seele und die Urformen des Seienden selbst wieder geben. Gerade darin aber erblicken wir ein Zeichen der Hoff nung. Jede Erneuerung hat mit dem Zurückgehen- zum Ursprünglichen und Wesenitlichen begonnen. Weidle mag Recht hoben, wenn er meint, die Kräfte der Destruktion seien noch stark; die Kräfte der Regeneration scheint er zu unterschätzen-. Und manche Äußerung der Kunst, die er als Zeichen des Verfalls wertet, erscheint nicht erst spä teren Betrachtern, sondern schon uns in einem anderen Lichte. Dr. Günter Rombold BUCHBESPRECHUNGEN Kirchengeschichte Maurus Schellhorn, Der heilige Petrus und seine Nach folger. Eine Geschichte der Päpste. 328 Seiten, 39 Abbil dungen. Wien—Zürich, Amolthea Verlag, 1959. Das Buch der Päpste zu schreiben, es so zu schreiben, daß es bei Wahrung eines strengen wissenschaftlichen Maßstabes alle zu fesseln vermag, daß es in der Fülle von fast dreihundert Einzelbiographien die große Linie nicht vermissen läßt, ist ein schwieriges, fast unmögliches Unternehmen. Schellhorn ist Katholik und er verleugnet es nie, Katholik zu sein. Dos Buch ober werden nicht bloß Katholiken lesen; es wird in den Händen aller sein, die sich über das Papsttum, über Einzelfragen der Papstge schichte informieren wollen; auch Kirchengegner, ja Athe isten werden sich dem bezwingenden Eindruck nicht ent ziehen können, den der Aufstieg des Bischofs der Stadt Rom zum Seelenhirten der Katholiken in aller Welt in meisterlicher Konsequenz der Geschichte in uns hervorruft. Dazu führt jene Größe an Freimut, die nur volle Beherr schung des Themas gestattet. In die Weite hinaus schreitet der Bischof der Welt stadt erst, als die Stadt selbst bereits aller materiellen Herrschaftsansprüche entkleidet war. Leo I. hat Attila von Rom nicht mit einer Macht hinter sich, sondern durch die Macht des Geistes in sich abgewehrt; der Große heißt er, weil er als erster mit vollem Nachdruck von der Verantwor tung seines Amtes für die Gesamtkirche in weltumfassen dem Primat sprach; erst 140 Jahre nach Konstantin, nicht von außen angeregt, aus der vergeistigten Petrus-Idee heraus geschah es. Und wieder vergingen 150 Jahre bis Gregor I. dos „alte, stark havarierte Schiff dahin lenkte", daß es, daß Rom in sich Festigung fand. Immer noch blieb es den weltlichen Herrschern innerhalb ihrer Politik ein Instrument von sehr zweitrangiger Bedeutung und für die Kirche ein Stadtbistum neben den anderen. Selbst dann, als durch die Karolinger und den Akt der Kaiserkrönung ein sehr sinnfälliges Zeichen für den Primat des Papstes geschaffen war, die Weihe kaiserlicher Stiftungen durch Päpste auch nördlich der Alpen schon als Auszeichnung galt, bleibt die Wahl des Bischofs von Rom noch durch Jahrhunderte an die gleichen Vorschriften gebunden, wie sie auch andernorts bei Bischofswahlen üblich sind. Wenn aber nach Karl dem Großen ein Nikolaus I., nach dem „Reform"-Kaiser Heinrich III. der cluniacensisch ge schulte Gregor VII., von der Idee des weltlichen Schwertes in der Hand des Papstes durchdrungen, ebenso wie seine zielbewußten Nachfolger im Investiturstreit ganz ent scheidend in die Weltpolitik eingreifen, ist es da immer noch der Bischof nur einer Stadt, der dem Beherrscher des Abendlandes entgegenzutreten wagt, ihm erfolgreich entgegentritt? Freilich versäumt Schellhorn nicht, wie er auch Abschnitte über „die schlechten Päpste", „die Päpstin Johanna", „das Papsttum im Abstieg" u. dgl. einfügt, auf die düstere Kehrseite im Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Macht {Gregor VII. als „Unterlegener", S. 166; etwas weni ger farbenecht erscheint die Mentalität eines Heinrich IV., S. 132 f., gezeichnet) und auf das spätere Versagen der kirchlichen Straf- und Zwangsmittel infolge überspitzter, selbst mißbräuchlicher Anwendung (S. 169) hinzuweisen. Fast in dem Augenblick schon als die ersten Auswärtigen in das Kardinalkollegium gelangen, gerät das Papsttum erst recht in eine schiefe Lage (die 23 französischen Kar dinäle Klemens' V. und Avignon, S. 186). Da steigt über das Schisma im Abendland die „konziliare Theorie" zur Realität empor, S. 202 ff.), um sich ebenso rasch zu ver brauchen (die Abkehr geistiger Führer wie Cusonus und Aeneos Silvius, S. 207, hätte wohl einige Worte mehr ver dient; die leider sehr große Zahl an Druckfehlern in Jahreszahlen hier, die teilweise den historischen Ablauf der Ereignisse zu verdunkeln drohen, nimmt in manchen nachfolgenden Abschnitten sogar noch zu. Etwas mehr an Obsorge beim Korrektor allein schon hätte leicht Ab hilfe gebracht). Wirklich nötigt das Wirken der Renaissancepäpste erst recht zur schärfsten Kontrastierung in Hell-Dunkelmalerei und wir danken Schellhorn, wenn er die „in wissenschaft licher und künstlerischer Hinsicht bedeutendsten und glänzendsten Pontifikate der Renaissancezeit" (S. 217) ge bührend hervorhebt. Noch einmal im Zeichen der Reform gewinnt das Papst tum gerade nach dem Tridentinerkonzil und in dessen Ver folg (Pius IV., Pius V., Gregor XIII., Sixtus V.) seine welt weite Bedeutung in großen Linien zurück und wir stehen nach einer Entmachtung in Absolutismus und Revolution, nach neuer Festigung in Missionswerken, Dogmotisierung und Kulturkampf im 19. Jahrhundert (Gregor XVI., Pio Nono, Leo XIII.) heute vor Zeichen unbestreitbarer Gewalt, wenn diese Zeit voller Unglauben und antireligiöser Tech nisierung sich durch die „saekulare Persönlichkeit" Pius'XII. und zuletzt durch das Auftreten Johannes' XXIII. über olle

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