haupt? Gemessen an den technischen Details unserer Si tuation zeichnet sich da eine Ahnung ab, die in ihrer vollmenschlichen, also religiösen Unbedingtheit vielleicht nur als schrecklich angesprochen werden kann; vergleich bar der Erscheinung eines Engels selbst, Gesetz wie Ge richt. Und gerade deshalb steht, allgemein gesehen, ganz deutlich das Fragezeichen dahinter. Es muß sich in nicht zu ferner Zukunft entscheiden. Es liegt daran, wieweit und zu was sich der Einzelne in der Gesellschaft entscheidet. Wir veröftenillchen diese Zuschrift aus einem jungen Münchener Kreis, well sie uns sehr beachtenswert erscheint. Hildegard Christoffels Magie oder Mysterium? Gedanken zum modernen Kirchenbau Moderner religiöser, vorab christlicher Kunst wird zu weilen die Eigenschaft „magisch" zugesprochen. Damit ist ihr christlicher Charakter in Frage gestellt. Um die Richtig keit solcher Kritiken abzuleuchten, bedarf es einer Deu tung und Präzisierung des Begriffes magisch. Magie ist Zauber und Aberglaube, die Fähigkeit, unbekannte höhere Kräfte dem Menschen dienstbar zu machen. Aus heid nischen Religionen und Märchen wissen wir um sie, zu weilen auch aus der eignen Furcht vor „Schicksal" trotz aller Offenbarung und aller durch Erkenntnis gewonnenen inneren Distanz zu den Dingen. Die höhere Kraft ist nach heidnischer Verstellung a n beziehungsweise i n einen natürlichen oder künstlich hergestellten Gegenstand oder an eine bestimmte Formel gebunden. So sind zum Bei spiel Fluch und Segen bei afrikanischen Negern, austra lischen Ureinwohnern oder Chinesen Magie. Das Fluchen der Juden des Alten Bundes, auch wenn sie sich fast glei cher Formeln bedienten, oder der christliche Segen mit einem Reliquienkreuz sind es nicht. Wenn der Heide einen Fluch ausspricht, so glaubt er, die Kraft sei an die Fluch formel gebunden, sie stecke gleichsam in ihr und werde durch das Aussprechen entbunden und auf das Opfer übertragen. Nimmt er dabei noch einen Gegenstand in die Hand, kommt die Kraft des Gegenstandes dazu, und der Fluch wird wirkungsvoller. Der Jude des Alten Testa ments kannte auch die Macht des Fluches wie jene des Segens. Aber nach seinem Glauben lag die Wirkkraft nicht in den Worten seiner Formel. Sie war ihm vielmehr eine Aufforderung an Gott, nach seinem Ermessen zu strafen oder zu heilen. Hier ist also der wesentliche Unter schied: der Heide, der nur eine vage Vorstellung von seiner Gottheit und den unbekannten Kräften hat, kennt die Magie. Für den Menschen der Offenbarung, der durch sie weiß, daß alle Kraft in und außerhalb der Dinge von Gott kommt, dessen Sprüche und Formeln Gebete sind, wird die Magie gegenstandslos. Die Eucharistie ist an die Formel Hoc est . . . gebunden. Wenn sie falsch gespro chen wird, kommt die Wandlung nicht zustande. Für jeden Heiden ist dies eine Zauberhandlung, wie es für den Atheisten zum Unsinn wird. Für den Christen liegt die Macht jedoch nicht in den Worten, sondern sie kommt von Gott, der sie hineingebunden hat. An die Stelle heid nischer Magie tritt christliches Mysterium. Ist es von dieser Sicht her überhaupt sinnvoll und be rechtigt, einem christlichen Gotteshaus das Attribut magisch beizulegen, weil es durch seine „moderne" Gestaltung un gewohnt erscheint? Es kann mysteriös im Sinne von ge heimnisbergend sein. Chartres mit seinem Säulenrhythmus, von farbtrunkenen Fenstern in rotblaue Dämmerung ge taucht, ist Raum, für das Mysterium bereitet. In Ronchamp wiederholt sich dos mit Hilfe neuer Formen und anderer Tönung. Es ist gut, wenn unsere Kirchen nach einer nichts sagenden klassizistischen und romantisierenden Periode wieder beginnen, von den Geheimnissen Gottes zu reden. Moderne christliche Kunst muß sich auch den Vorwurf gefallen lassen, erdgebunden zu sein. Weder das Geheim nisvolle noch das Erdgebundene widersprechen dem christ lichen Denken, und die Kirche ist der Ort, wo Irdisches und Himmlisches zusammentreffen. Warum sollte sie es nicht symbolhaft darstellen? Eine falsche einseitige Orien tierung auf das Göttliche will die natürlichen Fundamente unbeachtet übergehen. Die Tatsache, daß der Mensch eben Mensch dadurch ist, daß seine Seele, sein geistiger Habitus, nur auf der Basis des Leibes, also eines freilich durch die Seele lebendig gehaltenen Materieverbandes wirksam sein kann, daß also Leib und Seele zur Konstitution des Menschen so wesent lich gehören, daß schließlich und endlich nach dem Tode beide einmal wieder vereinigt werden, diese Tatsache scheint dem Bewußtsein der Christen verlorengegangen zu sein. Also: ohne die Basis des Leibes kann die Seele nicht wirken: sie versinkt in den Zustand des Unbewußten, des Bewußtlosen, wenn der Leib, seine Organe versagen. Der Leib ist genau so Lebensbedingung für die Seele wie die Seele Lebenbedingung für den Leib ist. Sie bedingen sich also gegenseitig, und die gegenseitige Bedingtheit gehört zur Konstitution des Menschseins. Nun kommt dazu der Sündenfall und mit dem Sündenfall der Fall in das Dunkel des Unterbewußtseins dessen, aus dem das Ma gische lebt, das der Zauberer zu erhellen versucht, er hellen zu können glaubt, aus dem aber nur das Myste rium zu retten vermag. Wollte einer sogen, die Seele sei die positive, der Leib die negative Seite des Menschen, so wäre dos häretisch. Steckt gleichwohl nicht in vielem, was der sogenannte gute Christ heute denkt und tut, etwas von dieser Meinung? Mit seiner Leibgebundenheit bleibt der Mensch auch erd gebunden; und er soll sich dazu bekennen, wie er sich der Seele wegen zum Himmel bekennt. Es steht nur den Engeln zu, die Natur zu übergehen, weil sie von ihrem Wesen her keine Bezogenheit auf sie haben. Die moderne Baukunst unternimmt den Versuch, den Menschen als Leib-Seele-Wesen wieder zu bejahen, wie ihn echte christliche Kunst aller Jahrhunderte bejahte, über Ronchamp wurde schon genügend diskutiert. Der Wurf ist vielleicht nicht voll gelungen als christliches Gotteshaus (das zu beurteilen steht späteren Generationen zu), weil es vielleicht zuviel „unten" bleibt (um das zuviel „unten", was ein Ästhetizismus zuviel von „scheinbarem Oben" hat). Bietet sich aber nicht gerade in diesem „Unten", die ser Erdgebundenheit, eine neue Möglichkeit moderner Raumgestaltung und neuer Lebensgestaltung, indem eine neue Besinnung auf die Natur aufgegriffen und überhöht, ins Geistige und ins Mysterium hineingeholt wird?
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