liches Übergewicht habe. Die Gefahr des Tachismus sei die Absolutsetzung des Augenblicks, daher gelte es, aus der Anfänglichkeit herauszukommen. In der Bildhauerei sei Material noch nicht Form, wie mancher zu meinen scheine. Der Architektur wurde der Vorwurf gemacht, sie schmecke allzu sehr nach der Gebrauchs anweisung; Werner Hofmann wandte sich nochmals gegen die Verwendung vorfabrizierter Elemente bei repräsentativen Bauten (berechtigt sei ihre Verwen dung nur bei Nutzbauten). In der Diskussion warf Weidle die längst fällige Frage auf, worin denn die neue Wirklichkeit in der gegenstandslosen Kunst bestehe. Ein Maler erwiderte, es gehe dabei um gar keine absolut neue Wirklich keit, vielmehr sei der Künstler heute vor die gleiche Aufgabe gestellt, wie eh und je: eine neue BildWirklichkeit, die zu allen Zeiten unabhängig von der Natur-Wirklichkeit gewesen sei, zu erschaffen. Leider wurde die Diskussion um diese Frage nicht konsequent weitergeführt. Zweiter Vortragender dieses Tages war Dr. Seckel, Tutzing. Er sprach über das Raumproblem in der Malerei und veranschaulichte das Gemeinte durch Lichtbilder. Ausgangspunkt war der Gegensatz von rhythmischer und figurativer Malerei. Die rhythmische tendiere zum Flächigen, die figurative zum Räum lichen (wobei wieder ein atmosphärischer = Tiefen raum und ein aggressiver =; plastischer Raum unter schieden wurde). Seckel, der die flächige Malerei als die „sakralere" ansprach, sieht (seine „Perspektive") neue Möglichkeiten in dieser Richtung. Er wies auf die letzten Werke von Vedovo hin, die kein oben und unten, sondern nur noch eine Mitte hätten, und bei denen der Rhythmus des Schaffensprozesses im Bilde spürbar sei. Wesentliche Einwände kamen wieder von seifen Weidles: er stellte einerseits die typologische Methode Seckeis (der seine beiden Grundformen auf Charakter typen zurückgeführt hatte) in Frage und bezweifelte auch die Gültigkeit der Gleichsetzung von flächiger und rhythmischer Malerei (auch in der Barockmalerei, die ganz und gar räumlich sei, gebe es Rhythmus). Besonders bei dieser Diskussion ergaben sich Schwierigkeiten. Es war einzig und allein Msgr. Mauer zu danken, daß er Menschen mit so heterogenen An sichten doch zum Gespräch bringen und dieses Ge spräch über alle Klippen hinwegführen konnte. Hierin sehen wir überhaupt die Besonderheit dieser (und der vorhergehenden) Tagung und ihre besondere Tat. Eine wesentliche Bereicherung erfuhr die Tagung durch eine Filmvorführung, die die ganze Geschichte dieser jüngsten „Kunst" repräsentierte. Da waren ein mal die frühen kurzen Streifen der Brüder Lumiere (1896 bis 1898), einfache Impressionen, die noch heute durch ihre Poesie sehr stark wirken. Ein Trick-Film der Firma Path6 von 1905 kennzeichnete dos erste Jahr zehnt unseres Jahrhunderts, in dem der Film auf Jahr märkten und in Schaubuden zum Mittel der Unter haltung wurde. Aus den zwanziger Jahren, dem Höhe punkt der Stumfllmzeit, wurden Lögers „Ballet möcanique" und Duchamps „Anemic Cinema" gezeigt. Filme, die eine große Verwandtschaft zur Malerei dieser Zeit spüren lassen. Aus dem zweiten Weltkrieg ein Film, der beweist, daß man auch Propaganda auf meisterliche Weise treiben kann: Len Lye's Persiflage Hitlers und seines Systems, aus der deutschen Wochen schau zusammengeschnitten. Last not least drei Filme von jungen Österreichern: Peter Kubelkas „Adebar" und „Schwechater" und Jörg Ortners „Fuge". Den Film des neunzehnjährigen Ortner möchte ich gerade zu als das künstlerische Ereignis der Woche be zeichnen. Strengster Aufbau (Kompositionsprinzip: die Fuge) wird mit echter Aussage verbunden (aggressive Melancholie gegen eine Stadt). Wir wünschen Jörg Ortner einen großzügigen Mäzen: er verdient es. Ernst UI Situation der Kunst «Besteht ein Herz darauf ein Herz zu sein? Mit einer andern Hand gelingen Zahlen und Analysen, die didi trennen. Was dich trennt bist du . . .* Ingeborg Bachmann In monieristischen Epochen ist es geläufig, daß der schöpferische Mensch zugleich (mit mehr oder weniger Glück) Analytiker ist. Die Generalfrage nach der Situation spaltet sich denn für den Künstler auch sofort in zwei Teile, nämlich in die Frage: wie ist diese Situation, und: wie ist meine Haltung in ihr. Vorausgesetzt ist dem not gedrungen die Frage nach dem Kunstwerk schlechthin. „Das Kunstwerk ist Dar-stellung eines Zustandes aus der (nie-fixierten) irdischen Lebendigkeit in einem abgeschlossenen Beispiel. Es ist dos Wirk lichste, Fixierteste, das im irdischen Bereich existiert." Das „Wirklichste", „Fixierteste" ist ein Para doxon und es muß daher ergänzt heißen: — Gott ist der wirklichste, festeste Punkt von lebendiger Durchpulstheit und dos Kunstwerk in seiner nächsten Nähe, in der Linie, die vom Irdischen zum Göttlichen hin gezogen ist. Gemeinhin gesagt ist das künstlerische Bewußtsein das Gegengewicht zur Masse. Je nachdem, wie sich dos Mas senbewußtsein mit den „Ordnungen des Daseins" deckt (oder divergiert), hält es mit dem künstlerischen Bewußt sein die Waage. — Die Allgemeinheit tendiert zur Ein ebnung der Lebensumstände; auf ein erreichbares Ziel zu und mit der festen Absicht also, auf diesem Ziel seßhaft zu werden. Sie vergißt, daß wir in der Welt leben und uns nie „auf dem Horizont" festsetzen können. In Wahr-
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