Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

DAS FORUM Günter Rombold nfernationales K u n s t g e s p r ä c h Seggau 1959 Die auf die Initiative von Msgr. Otto Mauer zurückgehenden Tagungen von Theoretikern und Künstlern sind bereits zu einer feststehenden Ein richtung geworden. Die diesjährige Tagung, die vom 2. bis 4. Juli auf Schloß Seggau bei Leibnitz, Steier mark, stattfand, setzte die Tradition von Wilhering (1955), Puchberg (1956), Schlierbach (1957) und Seckau (1958) fort. Wiederum war es gelungen. Vortragende von Rang und Namen zu gewinnen. Sie alle hatten sich zum Thema „Thesen — Perspektiven" zu äußern und so die Diskussion in Gang zu bringen. In „Thesen" sollte die gegenwärtige Situation der Kunst umrissen und in „Perspektiven" der Blick in die Zukunft geöffnet wer den, um mögliche Wege zu erkunden. Eine Aus stellung von Werken von Bischof, Hollegha, Mikl, Prochensky, Rainer, Uhl und Urteil veranschaulichte am Beispiel einer jungen Equipe in Österreich die Situation, die in der Malerei und Plastik durch die gegenstandslose Gestaltung, in der Architektur durch den Willen zu Reinheit und Konsequenz gekennzeich net ist. Vor diesem Hintergrund sind die Vorträge und Diskussionen zu denken. Als erster sprach Wladimir Weidle (Autor von „Die Sterblichkeit der Musen", vgl. unsere Besprechung auf Seite 98). Er baute sein Referat, im Anschluß an eine Unterscheidung von Etienne Gilson, auf dem Unter schied von „peinture" (Malerei) und „imagerie" (BildKunst) auf. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sei jedes Gemälde (tableau) auch ein Bild (Image), also Wieder gabe einer sichtbaren oder unsichtbaren Wirklichkeit gewesen. Um 1890 sei der Bruch erfolgt. Seither gebe es eine Malerei, von der man spricht, das sei eben die moderne, die eigentlich nicht Kunstwerke, sondern ästhetische Objekte herstellen wolle, und eine Ma lerei von der man nicht spricht (weil sie schlecht ist), eine Malerei, welche die Tradition nicht fortsetzt, sondern ihr nur treu ist. Die abstrakte Malerei könne auf die Dauer nicht befriedigen, weil sie keine Kunst mehr sei; im besten Fall handle es sich um ein freies Spiel von Formen oder um direkten Ausdruck des inneren Lebens, nicht aber um ein Einfangen und Erhöhen der Wirklichkeit. In der anschließenden Diskussion kamen auch die anderen Vortragenden bereits zu Wort und die Gegensätze wurden offenbar. Der Pariser Kunstkritiker Pierre Restany (dessen Vortrag am letzten Tage ich leider nicht hören konnte) griff in sehr impulsiver Weise ein und sagte, es sei ihm während des Vortrags klar geworden, daß Weidle einen Gegenpol von ihm darstelle. Im Gegensatz zu dessen „objektiver" Be trachtungsweise vertrat er einen extremen Subjektivis mus (die abstrakte Kunst schenkt dem Künstler ab solute Freiheit) und Irrationalismus (auch im Unsinn ist Sinn); seine Position kommt der des Existentialis mus nahe. Am Nachmittag sprach der Wiener Stadtplaner Pro fessor Roland Rainer über die Situation in der Archi tektur. Schon in den dreißiger Jahren sei man sich über die Bedeutung von Zweck, Konstruktion und Material klar gewesen. Heute sei die Zeit der großen Pioniere vorbei; es gelte nun ihren Prinzipien zu folgen und so der neuen Architektur die nötige Brei tenwirkung zu sichern. In einigen Punkten müsse man über sie hinausgehen: man habe auch Produktion, Nachbarschaft und Symbolgehalt zu beachten. Als die entscheidende neue Produktionsmöglichkeit be zeichnete er die Vorfabrikation von Fertigteilen. Die Probleme um Nachbarschaft und Symbolgehalt be treffen den Städtebau und liegen Prof. Rainer be sonders am Herzen. („Symbolgehalt" erreiche die Stadt durch ihre beherrschenden Bauten, die ihr erst ein Gesicht geben.) Die lebhafte Diskussion entzündete sich an den Fragen um die Vorfabrikation (in der man die Gefahr gleichmacherischer Regelmäßigkeit witterte) und die Stadtplanung (die die Gefahr der Unterdrückung des einzelnen mit sich bringe). Die ganzen Gegensätze zwischen Individualismus und Kollektivismus sowie zwischen Ingenieurbau und Architektur als Kunst bra chen auf; zum Teil blieben sie ungeläutert im Gefühls bereich und wurden nicht in klare Argumente um gegossen. Prof. Rainer antwortete betont sachlich und wies nach, daß es eine Stadtplanung schon immer gegeben habe. Er meinte ferner, daß auch die Vor fabrikation bei Ausnutzung aller Variationsmöglich keiten durchaus nicht zur Gleichartigkeit zwinge. Den zweiten Tag eröffnete Werner Hofmann. Als Gefahr der Gegenwartskunst bezeichnete er die Ten denz zur Isolierung, als Positivum die Möglichkeit der Schaffung einer neuen Wirklichkeit (realite nouvelle), durch die gegenstandslose Malerei. Er wandte sich dann den einzelnen Künsten zu. In der Malerei ver zeichnete er die Vorherrschaft von Tachismus und geometrischer Malerei (als Gegenpole), wobei im gegenwärtigen Augenblick der Tachismus ein deut-

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