Zu den Bildern: Seife 89: Edvard Münch, Letzte Stunde. Holzschnitt. 1920. 43X58 cm. Sammlung Dr. Max Fischer, Stuttgart. Abb. 18: Altred Kubin, Tod und Maler. Bleistiftskizze. 1918. 34X21 cm. Sammlung Alois Samhaber, Wernstein. Abb. 19: Altred Kubrn, Der Tod am Sterbelager. Bleistift skizze. Zwanztgerj'ahre (?). 27X22 cm. Sammlung Alois Sam haber, Wernstein. Abb. 20; Altred Kubin, Der Tod holt den Zeichner. Bleistitt skizze. 1938. 26X21 cm. Sammlung Alois Samhaber, Wernstein. Abb. 21: Paul Klee, Ein Park und der Unbefugte. Kleister farben. 1939. 49X38 cm. Sammlung Dr. Max Fischer, Stuttgart. Alois Somhaber Abschied von Kubin Am Grabe des Freundes, 24. August 1959 I / jenn ich als Priester und Freund den von uns (/[^^gegangenen Künstler Alfred Kubin cm Grob würdigen soll, so ist es meine Aufgabe als Priester, nicht so sehr des Künstlers, als vielmehr des großen Menschen zu gedenken, daß ihm alle, die ihn ver ehrten, die ihm tief verbunden sind, mit ihren Ge danken ins Ewige hinüber nachgehen können. Und doch ist es nicht möglich, an diesem Grabe so zu sprechen, ohne zugleich des Toten auch als eines Künstlers eingedenk zu sein. Denn was für jeden Künstler gilt: Das, was einer schuf und bekannte und das, was einer bekannte und was er ist, das ist eine Einheit, das gilt auch für Alfred Kubin. Und als Künstler hat uns der große Tote viel gegeben, was uns die Einsicht aufzwingt, daß hinter dem Ein- und Ausgang des Lebens, daß hinter all der scheinbar verzweifelten Schicksalhaftigkeit und der Ängstigung unseres Daseins doch als erlösendes Licht nur der stehen kann, der Anfang und Ende alles Seins ist. Gott ist der Ursprung unseres Seins, und Leben bedeutet nur dem Rückweg zu ihm. Dieser Rückweg zum Ursprung ward Alfred Kubin wahrhaft nicht leicht gemacht. Am 10. April 1877 hat er in Leitmeritz das Licht der Welt erblickt. Seine Kindheit erlebte er in Zell am See und Salzburg. Es folgten die Lehrjahre bei einem Photographen in Klagenfurt, die Studienjahre in Mün chen. Die Jugendjahre, die infolge des Nichtverstandenwerdens seiner besonderen Anlagen Minderwer tigkeitsgefühle in ihm weckten, die Vorliebe des Knaben für schauerliche Dinge, die Begeisterung für Schopenhauer, der plötzliche Verlust seiner ersten Braut: das olles, so läßt uns die Rückschau erkennen, kam wohl dem Künstler Alfred Kubin zugute, hat ihm aber das Leben als Mensch schwerer gemacht. Seine Lehrer in München konnten für Kubin nur Anreger sein. Er erkannte bald, daß er, um sich so ausdrücken zu können, wie es ihn zwang, einen anderen Weg gehen mußte, wie ihn die breite Straße der damaligen Zeit wies. Aber dieser Weg führte ihn in schwere Depressionen, bis ihm die Kraft ge geben ward, seinen Wachtraumvisionen, denen er als Leidender selbst zu unterliegen drohte, Gestalt zu geben und sie so zu überwinden. Seine Blätter erschrecken oft, weil er immer die andere Seite des Lebens sah, vor der wir so gerne unsere Augen ver schließen und weil er uns vorausahnen ließ alles Elend und das scheinbar unentrinnbare Schicksal, das über uns kam. Zeichnen hieß für ihn nicht: hübsche Motive wiedergeben, mit bunten Blumen und blauem Him mel . . . Zeichnen hieß für ihn: Kunde geben vom Rätsel des Lebens. Einmal schrieb er: „Die Menschen wollen das Leben enträtseln. Aber mir macht erst das Geheimnis des Lebens das Leben schön und lebens wert." Selbst erschauernd vor den inneren Gesichten, hielt er sich mit seiner Kunst die Angst vom Leibe, die Angst vor der Krankheit, die Altersangst und die Angst vor dem Tode. Diese Angst vor allem, was ihn bedrohen konnte, war ja überhaupt die treibende, schöpferische Kraft Alfred Kubins. Die bedrückende Ungewißheit, daß ihn etwas überfallen könnte, lastete immer auf ihm. Und diese Angst wird sichtbar in der von ihm ge zeichneten Natur, an Mensch und Tier; man spürt in allem die Angst vor blinden, heimtückisch wirkenden Kräften. Der letzte Urgrund all dieser Angst war aber die Angst vor der letzten Wahrheit. Dieser große Ein same war ja immer auf der Flucht vor der letzten Ent scheidung für die letzte Wahrheit, die er suchen mußte, weil dies ein Gesetz unserer Seele ist, die er aber zugleich fürchtete. Reifer geworden, wurden seine Bilder heller und lockerer, lichter und oft heiter. Er wurde der Schil derer einer heimlich idyllischen Welt; er wurde ruhiger, reifer und tiefer. Vom dunklen Abseitigen drang er unter dem Einfluß unserer fruchtbaren Land schaft und der gesunden Kraft unseres Volks immer
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