Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

Günter Rombold Was ist sakrale Kunst? Man spricht häufig von .sakraler" Kunst — was aber das Sakrale ist, ist bisher noch niemals geklärt worden (mir ist kaum ein Versuch dazu bekannt). Auch uns wird es hier nur in unzureichender und vorläufiger Weise ge lingen; dennoch unternehmen wir das Wagnis und for mulieren unsere Ansicht in fhesenartiger Form. Es handelt sich dabei um eine Klärung und Präzisierung dessen, was Im nMünster", Jahrgang 1956, S. 328 ff., gesagt wurde („Theologische Grundprobleme des Kirchenbaues", vom gleichen Verfasser). Der Beitrag ist als Diskussionsgrundlage gedacht. Wir hoffen, unsere Ansicht in absehbarer Zeit ausführlidier darlegen und begründen zu können. 1. Sakrale Kunst ist nicht identisch mit religiöser Kunst. Religiös ist alle Kunst, in der das personale Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott seinen Ausdruck findet. Als Beispiel nennen wir Rembrandt. Der religiöse Charakter aller seiner Werke — nicht nur derjenigen, die ein religiöses Thema haben — hängt zweifellos mit seinem „Hell-Dunkel" zusammen (vgl. dazu Wolfgang Schöne, „über das Licht in der Malerei"; wir möchten nur seinen Ausdruck „sakrales Leuchtlicht" vermieden wissen). Wahrscheinlich ist darüber hinaus alle große Kunst wurzelhaft religiös, und zwar deshalb, weil alle Kunst dem Wurzelgrund des Religiösen entstammt, auch wenn sie sich dessen gar nicht bewußt ist und sich scheinbar äußerlich sehr weit davon entfernt oder vielleicht sogar in Gegensatz dazu stellt. 2. Sakrale Kunst ist nicht identisch mit christ licher Kunst. Als christlich ist ein Kunstwerk nur durch seinen Inhalt gekennzeichnet. Ein ungegen ständliches Kunstwerk (z. B.: ein ungegenständliches Glasfenster} kann zwar durchaus sakral wirken, ist aber als christliches nicht erkennbar. Es sei noch angemerkt, daß auch die beiden Be griffe -„religiöse Kunst" und „christliche Kunst" sich nicht decken. So sind Bruckners Symphonien ohne Zweifel wurzelhaft religiös; ob es sich aber um „christ liche" Werke im spezifischen Sinn handelt, läßt sich nicht entscheiden. 3. Sakrale Kunst ist nicht identisch mit kirch licher Kunst. Kirchlich ist jene Kunst, die im Auf trag und im Dienst der Kirche geschaffen worden ist. Kirchliche Kunst ist also immer „art engage". Darin liegt nichts Entwürdigendes für die Kunst. Kein Ge ringerer als Michelangelo hat seine bedeutendsten Werke in kirchlichem Auftrag geschaffen. Daß es dabei zu häufigen Konflikten kam, lag mehr am Naturell des Künstlers als an der Tatsache der Beauf tragung. Ein bedeutendes Kunstwerk wird freilich nur dann entstehen, wenn von selten des Künstlers die starke Begabung und von Seiten des Auftraggebers das nötige Verständnis vorhanden sind. 4. Das Sakrale ist kein Stil begriff. Ein Kunst werk ist nicht deshalb sakral, weil es von einem bestimmten Stil geprägt ist, der eben sakral wäre. Es ist durchaus nicht so, daß ein gotisches Kunstwerk auf Grund seines Stils sakraler ist als ein barockes. Hier lag der fundamentale Irrtum des 19. Jahr hunderts. Man hielt die Romanik und die Gotik für die sakralen Stile par excellence und baute neu romanisch und neugotisch. Die Beuroner griffen auf alle jene Stile zurück, die etwas Hieratisches an sich hatten und meinten aus ihrer Vermischung einen neuen Sakralstil schaffen zu können. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß jede Zeit in gleichem Maße befähigt ist, sakrale Werke her vorzubringen. Das hängt aber nicht mit dem Stil, sondern mit der religiösen Kraft eines Zeitalters zusammen. 5. Das Sakrale ist Ausdruck des kultischen Wesens. Unter Kult verstehen wir die öffentliche, gemeinschaftliche Gottesverehrung. Jeder Kult hat seine Ordnung und seine Regeln. Nur wenn sie eingehalten werden, wird der Gottes dienst so vollzogen, wie es der Gottheit gebührt. Gerade darum drängt jeder Kult zu einem künst lerischen Ausdruck. Denn die Ordnung des Kultes hat der Erhabenheit dessen angemessen zu sein, dem er gilt. 6. Das Sakrale ist jedoch nicht nur Ausdruck des Kultes und der Gemeinschaft, die ihn vollzieht; es wird in einem gewissen Sinne auch ein Gegenüber. Nicht das Gegenüber im strengen Sinne — das wäre ein freventlicher Gedanke; die ihn dachten, übten Götzendienst. Gegenüber im strengen Sinne kann nur Gott sein und er allein. Aber das sakrale Kunstwerk ist ein Hinweis auf das Transzendente. Ja, es hat sogar Auffassungen gegeben, nach denen das sakrale Kunstwerk mehr auf Gottes Eingebung zurückgehe als auf den Menschen — die „heilige Ikone". Soweit gehen wir nicht; sicher ist jedoch, daß wir nur dann vom Sakralen sprechen, wenn ein Kunstwerk das Transzendente durchscheinen läßt. Das Transzendente ist aber das Heilige, christlich gespro chen der Heilige, nämlich der heilige Gott. 7. Das Transzendente erscheint wesentlich als das ganz Andere und als das Höhere. Rudolf Otto (mit dessen Ausgangspunkt und Konsequenzen wir freilich nicht übereinstimmen) hat in seinem Buch „Das Heilige" nachgewiesen, daß das in allen Reli gionen so ist: er nannte die beiden Pole das „Myste rium tremendum" und das „Fascinans". Im christlichen Bereich hat Augustinus das am tiefsten ausgedrückt, wenn er — allerdings auf der anderen, der Erlebnis seite — sagt „inhorresco et inardesco" und — an

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