Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

sationen vorgefaßter ideeller oder ästhetischer Kon zepte noch als Automatogramme vorstellbar. Damit aber sind wir nun auch bei den Wurzeln des „Peintre de silence", des Malers der Stille, angelangt. Wo sich das Sein, und sei es auch nur im Gleichnis, als gegenwärtig einstellt, da ist eben auch die Stille gegenwärtig. Wo die bildnerischen Mittel — und das gewissermaßen stellvertretend für alles Dasein — in ihrem eigentlichen Schöpfungssinn Gestalt gewinnen, also dos „Fleisch" zum „Wort" gebildet zeigen, da ist über die erreichte Stille hinaus auch schon der Weg gewiesen, der der religiösen Kunst erst wieder einen neuen, schöpferischen Stil ermöglicht und erschließt. Denn war dos Fleisch gewordene Wort dos ausschließ liche Thema der auf das Christentum bezogenen reli giösen Kunst bis an die Schwelle der Erschließung der innersten Naturwirklichkeit und -gesetzlichkeit heran, so wird seit Überschreitung dieser Schwelle mehr und mehr die Wortwerdung des Fleisches zur Hauptaufgabe einer solchen Kunst. Bei Alfred Manessier zeichnen sich dieser Weg und diese Aufgabe jetzt schon mit überzeugender Klarheit ab. Walter Warnach Der Maler Georg Meis+ermann Dazu die Abb. 23—25 meistermann gehört zu der Generation deut scher Maler, die, als sie zu ihrem Werk ent setzten, nicht nur den Unbilden des totalitären Bilder sturms preisgegeben waren, ihre innerste Kunstabsicht verdächtigt und verfemt, ihre Existenz als Künstler radikal in Frage gestellt sahen, sondern zugleich in mitten dieser elementaren Bedrohung das höchst gefährliche Abenteuer eines neuen, streng eigenen Formenweges zu bestehen hatten, nachdem von den großen Pionieren der modernen Kunst: Kandinsky, Mondrion, Klee, um nur die Meister zu nennen, ein unermeßliches Gelände neuer Formmöglichkeiten er schlossen worden war. Die Versuchung war groß, in diesem offenen Feld der absoluten Kunst einfach nachzustoßen und eine der vielen Formmöglichkeiten, von denen alleini Kandinsky sich im Laufe seines dreißigjährigen Schaffens mehrere erobert hatte, zu übernehmen und fortzuentwickeln. Diese in jeder anderen Kunstepoche durchaus legitime Art des An schlusses an die „Meister" verbot sich da, wo im For menweg des Künstlers die Selbstauslegung durch die Form die eigentliche, unvertretbar zu leistende Auf gabe war. — Es zeugt von der Kraft der damals zu Beginn der dreißiger Jahre noch jungen Maler, daß sie diesem übermächtigen Sog der offenen Möglich keiten jeder auf seine Art widerstanden haben: Die Ausgesetztheit ihrer künstlerischen Existenz in einem totalitären Regime erwies sich sogar als eine Art von Geborgenheit, aus der heraus sie unabgelenkter ihren Weg antreten konnten. Und dieser Weg begann mit der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand im Bild — was gegenüber der Absolut heit der Bildikone Kandinskys und der in ihr zele brierten Freiheit und Selbstgegenwart wie ein Rück fall erscheinen mußte, in Wahrheit aber die einzige Möglichkeit war, dem zu gehorchen, was der geschicht liche Auftrag eben dieser Generation war: durch fortschreitende Ablösung vom Gegenstand im Bild den Schrein zu schaffen, in dem dennoch ein Inhalt, wenn auch wie schwindend aufbewahrt und — „ge zeigt" werden konnte, nicht mehr als ein Letztes, Äußerstes an Wirklichkeit. — Der Gegenstand, auch wenn er durch alle Metamorphosen hindurchgegangen war, die ihm diese höchst einfallsreichen Verwand lungskünstler zugedacht hatten, zuletzt sogar völlig aufgehoben schien, blieb dennoch stets angespielt, weil nur über ihn die Verweisung auf den „Inhalt" möglich ist. Der Gegenstand mußte sich zwar alle erdenklichen Reduktionen gefallen lassen und am Ende behauptete sich — das gilt z. B. für die neuesten Bilder Meistermanns — nichts mehr als der entgegen ständlichte Raum. Der Raum ist, weil er durch Farbe, durch Punkt, Linie, Fläche „vergegenwärtigt" wird, noch Gegenstand, zugleich aber auch schon als Me dium der Formentfaltung selbst Form. Hier ereignet sich der Umschlag, um den es im bildnerischen Kunst werk von jeher — und nicht erst im modernen Kunst werk — geht. Es ist übrigens nicht hyperbolisch gesprochen, wenn hier von einem geschichtlichen Auftrag dieser Gene ration die Rede ist. Denn was bei den deutschen Künstlern in der gewaltsamen Verkapselung durch eine höchst feindliche Umwelt vorbereitet wurde und ini den Nachkriegsjahren erst voll zur Entfaltung ge kommen ist, zeigte sich allenthalben als der gebotene Formenweg: in Frankreich bei Malern wie Bissiere, Manessier, Bazaine, in Italien bei Birolli, Morlotti, Corpora, Santomaso: Der Gegenstand wird in einem

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