Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

und Richtens macht das ästhetische Sein eines Baues aus. Im Erscheinen seiner selbst wird das eigentliche, höhere, notwendige, wirkliche, sowie sakrale, gehei ligte Sein offenbar. Hegel kommt zur Auffassung, den Kunstwerken sei, „der gewöhnlichen Wirklich keit gegenüber, die höhere Realität und das wahrhaf tigere Dasein zuzuschreiben" (28). — Die gleichen Überlegungen gestatten alsdann, auch das Bauen unserer Zeit zu deuten. Gotik war ein konstruktiver Formalismus, ausgehend von einem entsprechend theologischen Sinn. Unserer Zeit ist dieser theologischheilsgeschichtliche Sinn abhanden gekommen. Das Ba rock war sein letztes geschichtliches Auftreten in Form eines umfassenden kosmischen Taumels. Wir haben sowohl dos Theologische wie das Kosmisch-eksta tische ersetzt durch das Liturgisch-zweckhafte und sind damit allerdings rascher und unvermeidlicher an jenes Ende geraten, an welchem auch die Gotik ent artete und das Barock verwilderte. In vielen Kirchen der Schweiz, den sog. „liturgischen Gotteshäuern", er schöpft sich die „dynamische Komposition" in einer schönen Form, die von der Möglichkeit des Betons her kaum und von echt moderner Raumkonzeption her (innen und außen in Kontinuität) schon gor nicht mehr überzeugen, nichts mehr bedeuten. Beton hebt die Schweregesetze des Stoffes, sein „Erscheinen" als erdgebundenes Material, in viel radikalerer Weise auf, als gotische Konstruktion dies vermochte und als so genannte moderne Kirchen dies auch nur anzudeuten vermögen. Die Möglichkeit ineinanderfließen der Räume als Zeichen o n t o I o g i s c h e r Verschiedenheit von Erde, Kosmos und Himmel müßte notwendig dazu führen, daß die zweck hafte Vielgestaltigkeit des katho lischen Kirchenraumes seinen architek tonischen, d. h. zeichenhaften Ausdruck in einer bedeutungshaften Sinnein heit dieser Vielgestalt fände. Nur die richtungweisende Notwendigkeit und tiefere Ver gleichbarkeit der seinshaft verschiedenen Räume machen Gestein und Gemäuer zu heiligen Gestalten. Und nur die vom Werke selbst unwiderstehlich aus gehende Wirksamkeit macht jenes zu einem sakralen Zentrum, zu einer „Welt", zum unbegehbaren Ort. In dem Maße also ist ein Bau „schön", als er in seiner ganzen Erscheinung Zeichen ist dessen, was ohne ihn noch nicht zum Vorschein gekommen wäre: der eigent liche Raum, in dem das Sein sich aufhält. In dem Maße auch ist ein Bau religiös, als er offen ist für den Ein bruch des Transzendenten, als er wirklich Weltgröndung und Weltexistenz verstattet, die Verbindung mit dem Göttlichen sichert und das Chaos profaner, unge stalteter Erdhaftigkeit formt. Zweck und Bedeutung Architektur ist zweckgebunden. Ein unpraktisches Haus ist in keinem Falle schön. Es hat an Bedeutung verloren, also seinshaft Einbuße erlitten. Die Undienlichkeit eines Bauwerkes verunmöglicht die Wesens verfassung des Bauwerkes als Seiendes. Entscheidend ist nun aber, wie weit der Begriff „Zweck" gefaßt und wie sein eigentliches Verhältnis zu Komposition und Sinn des Bauwerkes bestimmt wird. Ober den praktischen Zweck sind sich Hartmann und Schwarz einig. Ersterer führt darüber hinaus den Begriff des „ideellen Zweckes" ein, und verlegt ihn in den Hintergrund und zwar in den „seelischen Hinter grund" (126 bis 127), der sich durch spätere Analysen als Innenschicht in verschiedene Stufen aufspaltet (215ff.). Das Grundverhältnis oder Erscheinungsverhält nis bleibt sich dabei immer gleich: es vollzieht sich noch den Gesetzen des Zweckes. „Freilich bleibt trotzdem der Konflikt zwischen praktisch und schön bis in die Einzelheiten hinein erhalten. Und vielleicht ist er nie ganz zu bewältigen. Hier liegt die dem Bau meister gestellte Forderung: er steht vor der Aufgabe, die Synthese zu finden. Und die kompositorische d. h. die künstlerisch-architektonische Genialität dürfte eben in dem Maße des Ausgleiches bestehen, der dem zu gleich konstruktiven und formproduktiven Blick ge lingt" (128). Indem Hartmann den Begriff des „ideellen Zweckes" einführt, umgeht er jedoch dos eigentliche Problem. Der Stand der Frage hat sich lediglich auf die Innen schicht verlegt, in die der „ideelle Zweck" einfach auf gehen soll — oder als Konflikt weiterbesteht. Etwas anderes ist es, wenn „ideeller Zweck" als S i n n aufgefaßt und überdies noch zu einem Prinzip erhoben wird. Unter Prinzip soll jetzt wiederum nicht ein Motiv verstanden sein, sondern die Gestolthaftigkeit, die aus den Seinsverhältnissen der Dinge — im Falle des Bauens der Räume — ablesbar geworden ist. Schwarz meint dies, wenn er von der „Vergleichbarkeit der Dinge" spricht, die für ihn die Grundlage der Architektur bedeutet. Bauen als Aufgabe, Kunstwerk als Gabe Es ergeben sich aus obiger Bestimmung, in welchem Verhältnis architektonische Zweckaufgabe und bau liche Schönheit stehen, einige zwingende Folgerungen. Zweck und Sinn nennen nun nämlich auch im Bauwerk selbst begründete Unterschiede: Bau, der Wohnbau ist, also Zweckbau, oder auch umzirkter Raum, Schutzraum, Feierraum etc. und Bau, der „nur" noch bedeutet (Schwarz, 32). In beiden Fällen steht der Baumeister vor der Aufgabe, den eigentlichen Sinn des Bauens und der entsprechenden Bauten ins Werk zu setzen, wahrnehmbar Seiendes sinnvoll zu gestalten und sicht bar ins Erscheinen zu bringen. Dies ist nur möglich, wenn dieser letzte Sinn nicht nur als Seinsverfassung den Menschen (als Subjekt einer Aufgabe gegenüber) betrifft, sondern wenn er auch als Grundgestalt

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