Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

innerlich zugehörig von ihm ausgesagt werden muß und auch als solches erfahren wird. Für Schwarz ist Baukunst infolgedessen „Urhebung lebendiger Form", sie beruht „auf der Vergleichbar keit der Dinge in ihren gestalthaften Zuständen unter einander und mit den mathematischen Figuren" (35). Bauen heißt, immer aufs neue Weltall verwirklichen, Welt gründen, eine „Welt" erstehen lassen. Schönheit als Grundverfassung des Seienden Hartmann onolysiert die Erscheinung des Schönen im Gesamt der künstlerischen Produktion. Wir be schränken uns hier, gemäß dem Vorhaben, auf die Ausführungen über Baukunst. Als methodisches Mittel dient Hartmann dos Schichtenschema: Vordergrund — Hintergrund, dann Aufspaltung dieses Hintergrundes in viele weitere Schichten als inhaltliche Mehrschichtig keit des künstlerischen Gegenstandes. Diese Mehr schichtigkeit ist überhaupt die „ästhetische Bedingung seiner (des ästhetischen Gegenstandes) Tiefe und sei nes Reichtumes, seiner Sinn- und Bedeutungsfülle, zugleich aber auch, und nicht an letzter Stelle, der Höhe des ästhetischen Wertes, der Schönheit" (166). Das Schichtungsprinzip ist Mittel, um das Wesen des Schönen, so wie es seiend sichtbar im ästhetischen Gegenstand sich darstellt, denkerisch zu bewältigen. Hartmann zwingt auch den letzten Rest, den unsag baren des Schönen, in sein Schema. Dieses ist dann letztlich aber doch wieder nicht so umfassend und nicht durchsichtig genug, um das Sein des Schönen in seiner Bedeutung aufscheinen zu lassen. Das Sein waltet nämlich zwischen Hintergrund und Vorder grund, zwischen Sinn und Zweck, zwischen materieller Anlage, räumlicher Komposition und geistiger Aus sage. Mit dem Prinzip der Vergleichbarkeit der Dinge hat Schwarz vom vorneherein schon tiefer angesetzt, weil Seiendes vom Sein her noch dem Schönsein befragt wird. Nicht das rationale Schema enthüllt Seiendes als das Schöne, als das Aufscheinende, das heißt als die Seinsweise eines Kunstwerkes als Kunst werk, sondern nur die aus hinreichender Erfahrung und in darauffolgender Reflexion gewonnenen Seins prinzipien. Dos Offene des Seienden kommt so in den Blick. Die Grundgestalten des Seins sind dann zugleich die Grundgestalten des So-seienden als Bauwerk: Zeit liches in Ausrichtung auf Ewiges, Re latives im Hinblick und in Abhängig keit auf Absolutes, dos Durchschreit bare ins Unbegehbare sich öffnend, das „Innen im Außen" und das „Außen im Innen" als Ineinanderfließen der Räume. Das sind denn> auch die seins mäßigen „Schichten", an denen das Sein des Bauwerkes erfahrbar wird und sich als Schönheit enthüllt. Gotik als Bedeutung Das Beispiel der Gotik erläutere das, was philo sophisch gesagt sein will. Nicht als beiläufig auch Gesagtes, sondern als unentbehrliche Erfahrungs grundlage (im Sinne obiger Notwendigkeit) des Nachdenkens über Sinn und Bedeutung des Seins des Kunstwerkes. Hartmann betrachtet, mit Recht, das Gemeinsame der nichtdarstellenden Künste im freien Spiel mit der reinen Form. Dazu tritt in der Baukunst gleichzeitig die Gebundenheit an Stoff und praktischen Zweck (125). Die Gotik gilt bei dieser Analyse als Typ, in dem durch die dynamische Komposition (gemeint als Spannung der Kraftfelder, die die Schwere der Ma terie zu überwinden im Stande ist) „die Schwere des Materials und ihre Überwindung durch die Konstruk tion in der sichtbaren Form anschaulich ist" (215). Diese rein funktionale Deutung, im konkreten Falle sicher klärend, genügt jedoch nicht, zumal sie die letzte Begründung des „Gotischen" leisten soll. An diesem Punkte setzt nämlich die Sinn deutung des gotischen Bauprinzips erst an. Und um dieser Sinndeutung willen geht Schwarz auf einen tiefern Ursprung zu rück. „Heiliger Ursprung dieses Funktionalismus ist die Heilsangst. Der Mensch merkt, daß die Erde präch tig geordnet, daß ober in dem glatten Ring der Not wendigkeiten eine Lücke ausgespart ist, und in diese Lücke wurde er selbst mit seinem eigenen Heil ge stellt. Daß er dos erlangt, gewährleistet ihm die Ord nung der Welt nicht. Der Mensch gewinnt Klarheit über seine eigene Lage und fällt in Besorgnis. Er bemerkt, daß er allein ist, und daß sein ewiges Heil unsicher ist. Er will sich in Gott bergen und findet, daß Gott sich aus den Dingen zurückgezogen hat. Da geht er ihm nach. Er schmiedet aus dem weltlichen Stoff eine unendliche Kurve, die ihn als liniendünner Steg zu Gott hintragen soll. So verliert er die Hei mat und gewinnt den Himmel doch nicht. Die lineare Askese verfeinert den Stoff dieser Welt, aber sie ändert ihn nicht und die Kurve kommt nicht ins Jen seits . . . Die neue ,dynamische' Welt wurde eine Form reiner Umgetriebenheit" (140—141). Hinweis auf den Kirchenbau Der Vergleich zwischen Hartmann und Schwarz er gibt zunächst ein Resultat theoretischer Natur. Es wurde deutlich, daß nur eine philosophische Aufhel lung der seinshaften Beziehung zwischen Zweck, Kom position und Sinn ein Bauwerk als das zu bestimmen vermag, was es als Kunstwerk metaphysisch ist. Die innere Notwendigkeit und die aus dem Werk und in ihm selbst sich ergebende Wirksamkeit des Ordnens

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