Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

noch ehvas Schwachen des besten heutigen Farbphotos ab gesehen — auch das Moment der Stimmung mit anklingt, ohne dos man Kirchen nicht betrachten sollte, vor allem nicht das Inwendige der Kirchen. Wenn der Verfasser seinen Ausführungen zudem das Wort Goethes voraus schickt „Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen dürfte, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus Elementen der Vergangenheit gestaltet", so weiß man gleich, was man von seinem Buch zu halten hat. Goethe will die Ehr furcht in jedem Fall. Biedrzynski will sie erfreulicherweise auch, obschon seine Sprache — wiederum erfreulicher weise — sehr direkt ist. Er weiß vor allem um die Grund frage heute: Wie unterscheidet sich eine Kirche von einem Kino? und um die einzig richtige Antwort: Durch ihre liturgische Aufgabe. Er weist auf die richtige Beortung der Dinge im Innern der Kirche hin, der katholischen und der evangelischen, des Altares, der Kanzel, des Taufsteins z. B., und was sehr wichtig ist — von Rudolf Schwarz vor allem und originell betont —, er weist auf die Sachlichkeit als das gute Korrespondieren von Innen und Außen hin, auf den Außenbau als das „gemauerte Abbild des Innen raums". Diese Identität zwischen außen und innen ist ihm das Kriterium für die wichtigsten in seinem Buch ge zeigten Kirchen. Daß er zunächst von der Grundrißbe trachtung ausgeht, beweist den Kenner der Dinge und den ernsthaften Mann, dem es nicht darum zu tun ist, den vielen ästhetischen Betrachtungsbüchern über Kirchen architektur noch ein weiteres hinzuzufügen. Er weiß, daß sich allen Ernstes über Architektur, über Kirchenbauten erst recht, nicht sprechen läßt, ohne zuvor die „Sprache der Grundrisse" zu hören. Sie ist es, die die zugrunde liegende Idee verrät. Zunächst bleibt der Verfasser bei der Betrachtung historischer Beispiele, um aufzuweisen, „wo her wir kommen, um zu sehen, wo wir heute stehen". Er wählt sie gut aus und schreibt in gradezu klassischer Kürze über Aachen, Hersfeld, Hildesheim, Soest, Hirsau, Speyer, Mainz, über die alten Kölner Kirchen, über Maul bronn, Freiburg im Breisgau, Vierzehnheiligen und die Wies, um schließlich von der Erkenntnis der bewegten Bauformen der Vergangenheit zu der anderen Erkenntnis zu kommen, daß es allgemeine Regeln der Baukunst gar nicht gibt, von denen nicht abgewichen werden dürfte, daß es also auch kein Gebot geben könne, für immer an der Kathedralform festzuhalten. In zwei eigenen Kapiteln wird danach der Aufweis erbracht, auf welche Weise sich das Neue des Kirchenbaus anbahnte und durchsetzte, wo bei auf evangelischer Seite Otto Bartning und auf katholi scher Seite Rudolf Schwarz sowohl vom theoretischen Wort wie von der Praxis her eine besondere — im echten Sinne avantgardistische — Rolle zugesprochen wird. In diesem Zusammenhang werden auch die Fragen aufge worfen über das „Ungewohnte", über dos „ungläubige Genie" und über ein Abrücken vom Extremen zu Kom promissen hin. Was hier mehr theoretisch erörtert wird, gewinnt konkrete Faßbarkeit in einem weiteren Kapitel „Deutsche Kirchenreviere", in dem der Verfasser auf die wichtigsten Kirchen unserer Zeit eingeht, auf Kirchen in Köln, Aachen, Düren, Neuss, Dortmund, Düsseldorf, Saar brücken, Frankfurt, Berlin, Würzburg, Schweinfurt, Mün chen, Rottach-Egern, Salzburg, Stuttgart, Freiburg und Hirsau. Während das Buch sonst so sehr erfreulich ist in seiner Ganzheitsschau, so möchte man sich doch gerne in diesem Kapitel noch einige Ergänzungen wünschen. Der neuen Schweizer Kirchen ist vor allem in einem Kapitel „Bewahrung und Fortschritt" gedacht und zwar als Bauten von „einer inneren Kommunion zwischen dem mensch lichen Gemüt und dem Herzen Gottes". Ober einigen weiteren Abschnitten über „Abschied von den Kathedralen" und über einige französische „Außenseiter", wie den male rischen Gestalter der Chapelle Saint Pierre in Villefranche Jean Cocteau, den Meister der „Chapelle du Rosaire" in Vence Henri Matisse, über die Künstler von Assy kommt Biedrzynski vor ollem auch zu der viel diskutierten Kirche von Le Corbusier „Notre-Dame-du-Hout" in Ronchamp. Ober diese Wallfahrtskirche sind mehr Bildbände als Textbände erschienen, wie jener 1957 im Verlag Gert Hatje, Stuttgart, der ein überdurchschnittlicher Bildband ist, der, wenn noch vom Wort gesprochen sein soll, den wirklichen Vorteil hat, daß es hier von Le Corbusier selber stammt, daß es somit authentische Einblicke gewährt und jeder Exaltation bar ist. Wer also über Ronchamp etwas Gutes wissen will, der besuche vor allem diese Kirche und nehme dazu dieses sehr ordentliche kleine Buch, im Gesamt ge staltet von Le Corbusier selber und mit über 100 Photograpliien ausgestattet. Auch Biedrzynski läßt in diesem Ka pitel über Ronchamp in vielem Le Corbusier selber sprechen. Im übrigen verteidigt er ihn gegen unsachliche Angreifer. Allerdings kommt er zu dem Resultat, daß diese so gänzlich unikale Kirche kein „Muster der FormAnarchie" sei, daß sie „ihren Maßstab in sich selber trage" und vor allem daß sie nicht wiederholt werden könne. Wenn der Verfasser zum Schluß meint, daß sich gültige Perspektiven für den Kirchenbau heute ablesen ließen von den in seinem Buch gezeigten Kirchen, so gibt man ihm damit gerne recht. Leonhard Küppers Anton Henze, Neue kirchliche Kunst. Paulus Verlag, Reck linghausen, 1958. 262 Abbildungen. DM 49.80. Anton Henze, bekannt durch viele Veröffentlichungen, hat hier die schwierige Aufgabe unternommen, die wesent lichen Leistungen der kirchlichen Kunst unseres Jahrhun derts herauszustellen und auf knappem Raum zusammen zufassen. In einem ersten großen Abschnitt wird der Kirchenbau behandelt, zunächst die Wiegenbauten der zwanziger und dreißiger Jahre, dann der Durchbruch zu einer weltweiten Bewegung nach dem zweiten Weltkrieg. Henze unter scheidet scharf zwischen Pfarrkirchen und Kirchen mit einer besonderen Aufgabe, wie Wallfahrtskirchen, Klo sterkapellen usw. Innerhalb der beiden Gruppen gliedert er übersichtlich nach den Grundrissen: Pfarrkirchen des Rechtecks, des Kreises, des Dreiecks. Die Fülle der bei gegebenen Grundrisse und Abbildungen macht deutlich, worum es geht, wobei die Abbildungen allerdings nicht immer höchsten Ansprüchen genügen. Ein zweiter Abschnitt ist der Malerei, der Plastik und dem Kirchengerät gewidmet. Henze kommt es dabei dar auf an, zu zeigen, daß im Kirdienraum alles aufeinander abgestimmt sein muß (ein Grunderfordernis des Kirchen baus, das man in unserer Zeit nur allzu oft aus den Augen verliert!). Schließlich stellt der Verfasser noch die Frage noch den Grundprinzipien des neuen Kirchenbaus. Er findet, daß das neue Raumprinzip und das Konstruktionsprinzip an das Funktionsprinzip rückgebunden sind. Daß dieses allein freilich noch nicht genügt, um einen wirklich sakralen Raum zu schaffen, sieht Henze deutlich. Das Entschei dende erblickt er darin, daß „Funktion und Konstruktion, Struktur und Raumbildung sich derart mit den Kräften der Kunst konzentrieren, daß eine Form entsteht, in der sie olle sichtbar wirken, die aber doch mehr ist als ihre Summe". Damit deutet er eine Lösung an, läßt aber zu gleich noch vieles offen. G. R. Ferdinand Gebr. Eine Monographie. Sakrale Kunst, Band 4. Herausgegeben von der Schweizer St.-Lukas-Gesellschoft. NZN.-Buchverlag, Zürich, 1959. 156 S. 15 Farb tafeln, 64 einfarbige Abbildungen. Textbeiträge von J o a o A I m e i d a (Lissabon), Thaddäus Zingg, Fer dinand Gehr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2