Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

Bedingungen, unter denen die Darstellung dieser Landschaft, die Lösung jener Bauaufgabe, die Fügung der Klänge im Musikwerk schön oder sakral oder religiös genannt werden können'). Objektive Kunstbetrachtung Die Prinzipien der Kunstphilosophie sind keine Regeln der Kunst. Die Regeln der Kunst genügen ihrerseits nicht, das Sein des Kunstwerkes nach Grund und Wesen zu befragen, sondern nur, es zu schaffen. Wäre dem nicht so, dann müßte alles, was irgendwie vom Menschen geschaffen ist, Kunstwerk sein! Wird der Künstler aber zum „Denker", dann gerät er ins Ästhetisieren und bedroht die Kunst in ihrem ab soluten Sein — wird der Philosoph anderseits zum Bildner (etwa im Sinne des Wortbildners, oder radi kaler: des Weltbildners), läuft er Gefahr, vom be trachtenden Denken ins mythisch-magische Wirken überzulaufen und das ihm zugewiesene Feld des Seins und Denkens zu verlassen. Also haben Kunst und Philosophie gar nichts mit einander zu tun? Oder schließen sie sich sogar aus? Wie ist es dann aber mit der Liebe zum Schönen, zum Erscheinen des Seins, die beiden gemeinsam ist? Noch ein anderer Sachverhalt ist indessen auf getaucht, der nur in diesem Zusammenhang an den rechten Ort der Befragung und Beantwortung rückt. Hat nicht die Kunstkritik bisher die Aufgabe über nommen, nach dem Sinn und der Bedeutung der Kunstwerke zu fragen und ebensosehr versucht, ein deutige, endgültige Antworten zu verfertigen? Sie tat es mit Hilfe chronologischer Tafeln, vergleichen der Methoden, historischer Nachforschung, geistes geschichtlicher Hintergründe. Sie hat vieles zu Tage gefördert und nützliche Arbeit geleistet. Wie wäre es, wenn diese Art Kunstkritik einmal mit den Mög lichkeiten der Kunstphilosophie verglichen würde? Kritik ist doch wesentlich Sache des Denkens. Es er möglicht überhaupt erst Kunstkritik, wenn anders sie objektiv sein und aus dem Wesen und Grund des Kunstwerkes dessen Sinn und Bedeutung erschließen will. Es seien hier zwei Weisen des Nachdenkens über Kunstwerke vorgelegt. Daraus soll sich ein Weg öffnen, die Sache des Bauens und jene des Denkens überhaupt näher zu bringen. Der Vergleich Nicht zur Stütze einer vorgefaßten Theorie über Bauen und Denken, über die Weise, etwas vom Sinn und der Bedeutung des Bauwerkes zu erfahren, ist der Vergleich zustande gekommen. Die Ästhetik Ni colai Hartmanns') und das Buch Vom Bau W. Worringer, Absfrakfion und Einfühlung. Mönchen, 1918. 2. ^)N. Horfmann, Äsfhetik. Berlin, 1953. der Kirche von Rudolf Schwarz') weisen sachlich aufeinander him. Beide Verfasser versuchen im Grunde dasselbe. Sie erforschen Seiendes im Hin blick auf seine ästhetische Grundverfassung, ästhetisch im metaphysischen Sinne als bedeutungshaft, als seins deutend verstanden. Hartmann greift das Thema um fassend an (1—5). Schwarz beschränkt sich auf den Bau der Kirche. Die Voraussetzungen beider sind jedoch gleichermaßen universal. Von da her erscheint der Vergleich gestattet. Der Künstler ordnet sein ganzes Denken als prak tisches auf das Werk hin an. Anders der Philosoph, der dos Werk und den künstlerischen Vorgang vor aussetzt, um daraus Seiendes als das Erscheinende, als das Schöne zu ermitteln. Auf die Möglichkeit, daß ein Künstler selbst über Kunst nachdenkt, und wie diese Möglichkeit gerechtfertigt werden kann, soll hier nicht eingegangen werden. Nehmen wir einmal die Tatsache hin, daß der Architekt besondere Voraus setzungen günstiger Art zu dieser Möglichkeit mit bringe. Schwarz geht nicht wie die „nur" bauenden Meister von optischen Konzeptionen aus. Er steht nicht in der Reihe der Praktiker, wie Bramante, Michelangelo und Neumann, sondern der Theoretiker, wie Alberti, Pollodio, Fischer von Erlach. Er schafft also aus der Polarität zwischen einem hohen Gedanken und den Elementen der Baukunst") heraus. Das gibt seinen Gedanken über Baukunst jene allgemeine Bedeutung, die sonst nur philosophischen Aussagen eignet. Trotz dem versteht Schwarz sein Buch als Lehrbuch (167ff.; 23). Auf die Baukunst ist alles hingeordnet. Aber nicht so, daß der Leser nachher ein Rezept in Händen hätte, „einen Inhalt, der ohnehin schon da ist" mit „gebräuchlichen Mitteln zu verzieren und in angeneh mer Form auszudrücken" (167). Wären seine Über legungen so gemeint, dann gälten sie nur für Fach leute und dem Buche käme weiter keine Bedeutung zu als diejenige, die einem praktischen Handbuch zu gemessen werden darf. Schwarz gibt eine Theorie der Baukunst im wah ren Sinne des Wortes. Der Weg, auf dem diese Theorie erworben wird, kann am bezeichnendsten als aristotelisch benannt werden. Echt philosophisch steht am Anfang ein Prinzip, das durch Erfahrung ermittelt ist. Als gültig, das heißt als fähig zur Anwendung in jedem Falle (analog) erscheint es dadurch, daß es vom Denken je verschieden an verschiedener Sache erprobt wird. Ein solches Prinzip hat die Eigenschaft, daß es das, was bisher zufällig am Seienden sich zeigte, also nicht-notwendig einem konkreten Kunst werk zugehörig begegnete, nun notwendig, als In zweiter Auflage erschienen 1949 im Verlag Lambert Schnei der, Heidelberg. Wir zitieren die erste Auflage 1939. — Die Autoren Hegel, Hartmann und Schwarz werden nur ein erstesmal In Anmerkungen geführt. Nachher verweist die Zahl immer auf die entsprechenden Seiten. 8) W. Braun fei s, St. Anna in Dören, in: baukunst und werkform, 10 (1957), 145.

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