Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

(alle um 1500/02), oder die des Pulkauer Meisters aus St. Florian (um 1510). In den Landschaften dieser Gemälde der Donauschule fanden Land und Leute zwischen Passau und Wien erstmals den ihnen angemessenen künstle rischen Niederschlag. Das gleiche gilt von der Skulptur, in deren Reihen eine Anzahl kleinerer Schnitzaltäre den Photokopien der großen Altartafeln gegenüber stehen. Außer dem be rühmten Marientod aus Stift Herzogenburg werden unter vielen anderen die großen Apostelfiguren von Lorenz Luchsperger aus dem Dom von Wiener Neustadt (um 1500) und eine charakteristische Auswahl der schönsten Marien figuren aus dem ganzen Lande zu sehen sein. An Arbeiten des Kunstgewerbes sind in erster Linie der Corvinus-Becher aus städtischem Besitz (Wiener Neustadt), die berühmte Messerer-Monstranze von 1472 der Stadtpfarre Waidhofen o. d. Ybbs und dos silberne gotische Rauchfaß aus Seitenstetten zu nennen. Die Reihen der Glasgemälde und vor allem die Werke der Buchmalerei weisen eine bisher nicht gekannte Vollständigkeit auf; fast alle niederösterreichi schen Abteien erscheinen in diesem Zusammenhang unter den Leihgebern. In dankenswerter Weise ließen auch die Staatlichen und Landessammlungen dem Vorhaben ihre Unterstützung angedeihen. Die Beziehungen der benach barten Länder zur Kunstentwicklung in Niederösterreich finden die entsprechende Berücksichtigung, wobei insbe sondere die Steiermark und Oberösterreich in Frage stehen. Bei Wien als der alten Landeshauptstadt ist dies selbstverständlich. Ein Novum dieser Ausstellung bedeutet auch die Her anziehung der Architektur, welche in einer Reihe von Großphotos noch Hauptwerken aus ganz Niederösterreich dargestellt wird. Ebenso werden die großen Schnitzaltäre und Ergänzungen zu allen Abteilungen, besonders ober zu denen der Glos- und Buchmalerei in Farbdias und Photomappen zu sehen sein. Schließlich werden bei allen Gruppen auch fremdlän dische Werke Berücksichtigung finden, sofern sie in Nie derösterreich Heimatrecht erworben haben. An erster Stelle stehen hier ein gotisches Meßkleid (um 1300) und eine Handschrift englischer Herkunft aus Stift Melk bzw. Altenburg, die französische Elfenbein-Muttergottes aus Stift Zwettl und der Brüsseler Fuchsmage-Gobelin aus Stift Heiligenkreuz (um 1500). Viele der zur Ausstellung gelangenden Werke warfen oft schwierige Fragen der Restaurierung auf, die dank der in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes und des Kunsthistorischen Museums gewonnenen Erfahrungen erfolgreich gemeistert werden konnten. Die Veranstaltung wird daher auch in dieser Hinsicht einen großen Gewinn für die in Niederösterreich befindlichen Werke spätmittelalterlicher Kunst und Kultur bedeuten. Alles in allem genommen repräsentiert die laufende Ausstellung ein sehr vielgestaltiges Bild der Gotik in Niederösterreich und vor allem ihres Ausläufers, der Donauschule. Die notwendige Ergänzung hiezu bilden die Tafeln Albrecht Altdorfers im Stift St. Florian bzw. in der Wiener Gemäldegalerie, in der auch der zweite ober ländische Hauptmeister Wolf Huber mit zahlreichen Wer ken vertreten ist. Auf niederösterreichische Gegenden be ziehen sich nur seine Zeichnungen, darunter die Ansicht von Krems-Stein mit der Donaubrücke (1530) und die bisher älteste Ansicht der Burg Aggstein (1542). Das gesamte Ausstellungsmaterial ist in einem reich be bilderten Katalog zusammengefaßt, dessen Einleitung eine Würdigung der Gotik in Niederösterreich durch Univ.-Prof. Dr. Alphons Lhotsky bildet. Wie bei der Kremser Schmidt-Ausstellung ist auch dies mal geplant, die Ergebnisse in einer umfangreichen Arbeit über die niederösterreichische Gotik dauernd festzuhalten. Um der Ausstellung den richtigen Hintergrund zu geben, ist die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamte bemüht, hervorragende Baudenkmale instandzusetzen. Hiezu zählt in erster Linie das bedeu tendste österreichische Profangebäude der frühen Gotik, der Saalbau der Gozzo-Burg in Krems mit seiner bemer kenswerten Halle (um 1275). Ferner der sogenannte GöglErker, ursprünglich der Chor der Martinskapelle eines großen Kremser Bürger- und Handelshauses. In Stein sollen u. a. der mächtige Passauerhof und die Grüne Burg die ihrer baugeschichtlichen Stellung entsprechende Fas sung erhalten. So glaubt die Stadt Krems, nachhaltig unterstützt von Bund und Land, das ihre getan zu haben, um die Aus stellung und das charakteristische Stadtbild für die Be sucher aus dem In- und Auslande genußreich zu gestalten. Otto Mauer Der Maler Ernst Fuchs Dazu die Abb. 34 Was findet sich in den Tiefen der Seele? Der Mensch, das unbekannte Wesen, das am allermeisten sich selbst unbekannte Wesen, hat früher die Natur entdeckt als seine eigenen Tiefenschichten. Mystiker sagen, am Grunde der Menschenseele sei jener Funke zu finden, der mit der Gottheit verwandt ist, dort sei der Ort der Begegnung und des wortlosen Gesprächs mit dem Absoluten. Mystizisten, die zwischen geschaffen und ungeschaffen nicht unterscheiden, lassen den Seelengrund mit der Substanz der Gottheit selbst zusammenfließen, fühlen sich in diesem innersten Punkt identisch mit ihr. Asketisch und meditativ soll dos vermeintliche Einssein erfahren werden. Aber auch wer solcher Hybris abgeschworen hat, wird mit dem Psalm die metaphysischen „Aufstiege" des Geistes in jenes Herz verlegen, das innerste Innerlichkeit bedeutet. „Fecisti nos ad Te" sagt Augustinus, „Du hast uns auf Dich hin geschaffen", und woanders kann dieses Faktum des Geschöpfiichen, als ein Höchstes der Aussage über den Menschen, erlebte Wirklichkeit sein als in jenem Innen? Aber es gibt auch eine andere Erfahrung von Innen und Seelentiefe: die der Kreatürlichkeit aus dem Nichts, der innersten Labilität, der Todesausgezehrtheit allen Lebens, der Umdrängtheit der geistigen Seele von den Mächten des Fleisches. „Was aus dem Fleisch geboren wird, ist Fleisch", sogt das Neue Testament und es meint damit auch die unsterbliche Seele. Sie kann von ihrer Immoterialität nicht Gebrauch machen, ihre geistigen und moralischen Funktionen nicht betätigen, wenn sie dos

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