Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

Synoptiker, die den Taufakt erwähnen, unvereinbar. Joh. 1, 32—34, der den Täufer als Zeugen reden und das Tauf geschehen gegenüber der Theophanie völlig zurücktreten läßt, bietet dagegen die beste Entsprechung für diese ikonographisch sehr seltene Darstellung"). Der aus dem Geschehen herausisolierte Gedanke der Sichtbarwerdung des Göttlichen dürfte auch den Schlüssel zur Deutung einer weiteren sehr merkwürdigen Darstellung geben. Sie befindet sich auf dem gleichen Wandfeld mit der Taufe, von ihr bloß durch einen Baum getrennt: Chri stus steht mit einem Buch in der linken Hand und segnet mit der anderen vier ihn umstehende Tiere, wahrscheinlich Lämmer oder Schafe, die zu ihm aufblicken; über seinem Haupte abermals die Taube des Heiligen Geistes. Um die geläufigen altchristlichen Darstellungsarten des Guten Hirten'") oder des sogenannten Lämmergerichtes") wird es sich hier kaum handeln können. Trotzdem muß eine spezielle Ausformung dieses Gedankenkreises ange nommen werden: es ist das Hirtenamt Christi als Logos, wie es bereits die altchristliche Kunst kennt"). Die Läm mer haben dabei wohl stellvertretende Funktion: ver mutlich stehen sie für Evangelisten oder Apostel da. Diese Stellvertretung, welche wahrscheinlich von Mt. 10, 16 ihren Ausgang genommen hat, ist in der Kunst vielfach belegt"). Vielleicht handelt es sich noch konkreter um die nur bei Joh. 1, 35 bis 51 unmittelbar auf die Taufe folgende Auf nahme der ersten Jünger, wobei dem durch die Vierzahl gegebenen Widerspruch keine entscheidende Bedeutung beigelegt werden müßte"). V/ill man dagegen der Fixierung auf eine bestimmte evangelische Historie ausweichen, was bei dem symbo lischen Charakter gerade dieser Darstellung seine Berech tigung hätte, so könnte mit der allegorischen Deutung des Hirten- (Lämmer, Schafe) und Lehramtes (Geisttaube — Logos, Buch) Christi dos Auslangen gefunden werden. Es läge damit das seltene Beispiel einer Wortillustration zu bildhaft symbolischen Redewendungen Jesu vor, welches in der frühmittelalterlichen Kunst bei den Psalmentexten eine häufige Parallele hat"). Südturmjoch, Westwand: zweigeteilt; oben: Massenszene: bärtiger Mann stürzt, eine Krone fällt ihm vom Haupte; rechts assistiert eine Menge von Greisen und jüngeren Männern, die mit Gebärden des Erstaunens und des Erschrekkens nach links emporblicken; dort konnte am äußeren Bildrande vorläufig der Rumpf einer mächtigen thronenden Gestalt mit einer ein Schwert haltenden Begleitfigur freigelegt werden. Das wichtige Haupt des Thronenden ist noch ver deckt, so daß derzeit keine sichere Deutung ge geben werden kann. Größte Wahrscheinlichkeit hat die Annahme, daß der Stürzende Herodes ist: er zeigt in Typus, Gewandung und Krone sehr viel Ähnlichkeit mit der gesicherten Herodesfigur der darüber befind lichen Kuppelszene. Damit würde diese Darstel lung noch zu dem Epiphoniezyklus der Gewölbe malereien gehören, der mit dem nach neuen Forschungen aus dem Mutterkloster Schwarzach am Main stammenden Lambacher Magierspiel fragment inhaltlich in Zusammenhang gebracht worden ist"). Von hier ausgehend wurde vorerst an eine Szene aus dem Themenkreis der Schuld und der Bestrafung bzw. des Todes Herodes' gedacht. Grundlage hiefür waren: die im Magierspiel von Herodes den ahnungslosen Königen zugedachte Denunziantenrolle, welche der Engel als straf würdig bezeichnet und somit die Bestrafung des Urhebers des geplanten Verbrechens impliziert"), ferner Cap. IX. der Historia Josephi'") und end lich die auf alter Überlieferung aufbauende Legendenbildung vom Ende des Königs'"). Mit der später erfolgten Freilegung der Thron figur ergeben sich neue Aspekte. Den Gedanken der Schuldverstrickung des Königs beibehaltend, kann jetzt an folgende nähere Deutungen ge dacht werden: o) Die Zitierung des Herodes zur Verantwortung vor den römischen Kaiser""). Der Thronende müßte Augustus sein"'). b) Dos im Sternlied des Magierspiels Herodes angekündigte Kommeo des rex regum"") in der gestalterischen Ausdeutung als Vi sion (drei weiße Strahlen). Die Thronfigur müßte in diesem Falle der König der Könige, also Christus, sein. Die weltlich herrscherliche Darstellung des Heilands als König ist in der Kunst belegt"") und außerdem auch durch die These des Himmelskönigtums Christi gerade in der Zeit des Investiturstreites geistesgeschicht lich verankert"). unten: Christus von mehreren (vier?) Engeln umgeben; sehr fragmentiert und schlecht erhalten. Wahr scheinlich Rest einer Glorie mit Engeln. Eine Deu tung als Jüngstes Gericht oder Himmelfahrt ist aus ikonographischen Gründen und in dieser Lage fragwürdig, eine Majestas wegen des Fehlens der sonst regelmäßig vorhandenen Evangelisten symbole unwahrscheinlich"). Zusammenfassend: Grundgedanken des ikonographi schen Programmes der Gewölbe- und Wandmalereien sind Epiphanie und Theophanie") sowie ihre Bezeugung in der Kindheitsgeschichte und im öffentlichen Wirken des Hei lands — Manifestatio und Testimonium"). Der spirituelle, im Gegensatz zu den Synoptikern nicht so sehr die evan gelische Historie, als vielmehr das göttliche Wesen Christi, seine Offenbarung und Bezeugung betonende Charakter des Johannes-Evangeliums ist hier in merkwür diger Verquickung mit dem Magierspiel als Formanlaß feststellbar. Die Synoptiker treten dagegen zurück. Es dürfte kein Zufall sein, daß der Gründer Adalbero 1089 den „oltore, quod secundum o principoli obtinet locum" Johannes dem Evangelisten geweiht hat"). Darüber hinaus kann für das Programm des christologischen Zyklus der Wände die Möglichkeit einer inhalt lichen Bindung an eine besondere schriftliche Vorlage, ähnlich dem Magierspielzyklus, nicht ausgeschlossen wer den. Man wird zur Erlangung eines tieferen Verständnisses der geistesgeschichtlichen Zusammenhänge die Gorzer Ge pflogenheiten") in ihrer Auswirkung auf die Kunst der filiierten Klöster einem eingehenden Studium unterziehen *) N. Wibiral, BeUröge zur Erforschung der romanischen Westanloge der Stiftskirche in Lambach, in Dsferreichtsche Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, XIII. Jahrgang, 1959, Heft 1. Am ausführlichsten in der Furche Nr. 12 vom 21. März 1959. Gehalten anlöfjlich der Jahresversammlung des Vereines für Denkmalpflege in Oberösferreich am 7. April 1959. Zur Neudatierung der Fresken und ihrer Autorschaft wird auf die einschlägigen Stellen des soeben erschienenen LambachBandes der Österreichischen Kunsttopographie hingewiesen. Fr. X. Kraus, Die Miniaturen des Codex Egbert! in der Stadt bibliothek zu Trier, Freiburg im Breisgau, 1884, p. 23, Tat. XXXiX. Hier entspricht der Szene die erstgenannte Stelle bei Johannes. Zur Ikonographie: J. Wüpert, Die römisdien Mosaiken und Malereien der kirchlidren Bauten vom 4. bis 13. Jahrhundert, 2. Band, Freiburg im Breisgau, 1916, p. 822 ff.; L. Röau, Iconographie de l'art cbretien f. II, Paris, 1957, p. 382 f.

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