1956 wurde die Bruderklausenkirche in Gerlafingen (Solothurn) eingeweiht, die aus den beiden vorher ge nannten Projekten herausgewachsen ist. Die Baugruppe ist schön von der Straße abgesetzt, auch hier ist ein Vor hof geplant, der allerdings erst durch den noch ausstän digen Pfarrsaalbau vollendet werden wird. Die Idee des gemeindebildenden Raumes hat die Zusammenord nung von klar abgesetztem Altarraum und Gemeinde raum bestimmt, deren Schalen durch die gleiche Säu lenstellung und vor ollem durch die Decke zusammen gebunden sind. Der Plan „will architektonisch dar stellen, wie die schenkende Darbietung vom Chor, vom Altar her durch den Gemeinderaum aufgenom men wird"^). So wie die Grundbedeutungen der Namen „Kirche" und „ecciesia" für den Kultraum einerseits Herrenhaus und Gotteshaus, andererseits versammelte Gemeinde lauten. Rechts rückwärts ist noch eine Wochentagskapelle angeschlossen, durch eine Falt wand vom Hauptraum getrennt, die im Bedarfsfall erlaubt, den Kirchenraum um diese Kapelle zu er weitern. Nach außenhin bildet sie eine schöne Be grenzung des Vorhofs und eine Führung zum Eingang. Es sind sehr fruchtbare Versuche angestellt worden, die Geschichte zu befragen, wie sich dieses Spannungs verhältnis zwischen den beiden Polen Gott und Mensch auch im Kirchenbau dokumentiert hat und wie es im Laufe der Zeiten sehr verschieden baukünstlerisch realisiert wurde. Es ist das Verdienst unserer Zeit, daß sie sich auf die Grundbedeutung der „Liturgie" be sann, die Werk des ganzen Gottesvolkes ist. Für die communio der Liturgie schafft der Kirchenbau den würdigen Rahmen. Dieser Dienst ist ihr Adel. So fan den wir gerade im Werk der genannten Architekten jenen Zug zum Wesentlichen, der die guten neuen Kirchenbauten bestimmt: Alles Nebensächliche muß weichen. Der Altar ist nur mehr Opferstätte und nicht mehr Podest für riesigen Altaraufbau mit Gemälden und Statuen. Das Kreuz der Erlösung ist als Sinnbild aufgestellt. Gerade in diesen Schweizer Kirchen finden wir, das sei nur nebenbei von der Ausstattung er wähnt, ehrliche, einfache Altargestaltungen, die man als beispielhaft bezeichnen kann. Der Name des Pla stikers Albert Schilling muß hier wenigstens genannt werden. Die Altarformen haben sich in diesen neuen Schweizer Kirchen ebenfalls gewandelt. Die breit an gelegte Mensa mit den Flächenreliefs ist lebendigen plastischen Körpern gewichen. Albert Schilling sagt von der Aufgabe des Bildhauers: „Er muß Dinge schaffen, nicht Dinge schmücken. Mit dekorativen Mit teln kann man da nicht vorankommen, sie ergeben höchstens Zierstücke, Schemen, die nur etwas bedeu ten, nicht aber selber etwas sind. Es muß vom Wesen her realisiert werden, das heißt übersetzt: es muß ein Ding geschaffen werden, das nicht abhängig und hingeordnet ist auf einen draußenstehenden Betrach ter, sondern etwas, das in sich selbst ruht, sich selbst genug ist, wie Mörike es von der Lampe sagt: ,Was aber schön ist, selig scheint es in sich selbst' "®). Um aber nicht den Eindruck zu erwecken, als gäbe es im Schweizer Kirchenbau nicht auch andere Strö mungen, sollen noch einige weitere Neubauten ge nannt werden. Gerade die Bruderklausenkirche in Oberwil bei Zug ist schon öfter wegen der umstrit tenen Fresken von Ferdinand Gehr im Interesse der Öffentlichkeit gestanden. Architekt Hanns Anton Brütsch hat einen originellen Zeltbau entworfen, des sen schwerelos wirkendes Dach sich über einem acht eckigen Unterbau mit vier Breit- und vier Schmalseiten erhebt. Die schmalen Seiten bilden mit den zugehöri gen Zeltbahnen ein Kreuz, damit ist der traditions reiche Grundriß des christlichen Kirchenbaus in diesem ungewöhnlichen Werk wieder spürbar. Die geschlos senen Wandflächen sind nun teilweise mit Fresken Ferdinand Gehrs ausgestattet, die wieder den Wert des Kultbildes ahnen lassen. Diese Fresken, die eine eigene Bearbeitung verdienen würden, sind wohl etwas vom stärksten, was in neuen Schweizer Kirchen an Malerei zu finden ist. Demgegenüber empfindet man die riesige Betonfensterwand der Marienkirche zu Lyss (Bern) nur als Schulbeispiel der graphischen Außenwirkung dieser Fenstertechnik. Im ganzen ist die Kirche eine bescheidene Anlage, die durch die kunstgewerblichen Fensterentwürfe unvorteilhaft unter strichen wird. Als Gegenbeispiel zur Bescheidenheit könnte man die Marienkirche in Luzern-Emmenbröcke mit ihrer aufwendigen Dachkonstruktion anführen. Der „Reichtum der Formen" in den durchbrochenen Wänden und den darübergespannten Tonnen gibt zwar ein lebendiges Spiel, aber die Klarheit des Grundrisses wird dadurch überspielt. Als letztes Bei spiel einer reinen Betonkirche neuesten Datums sei noch die St. Galluskirche in Zörich-Schwamendingen erwähnt, die jenen eingangs genannten Typus uns leer und kalt erscheinender Betonabstraktion vertritt, ohne jede Lebensmöglichkeit für eine Kunst im Kir chenraum. Vielleicht haben gerade die letztgenannten Beispiele gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten auch in den viel gepriesenen Ländern des neuen Kirchenbaus gerungen werden muß. Diese Tatsache soll uns nicht entmutigen, aber auch nicht überheblich machen. **) Fesischrifi zur Weihe der Bruderkiausenkirche Gerlafingen am 2. Dezember 1956, S. 31. S) A. a. O., S. 40 f.
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