Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

So war es überraschend, auf den letzten großen Aus stellungen zeitgenössischer Kirchenkunst Modelle neuer Kirchenbauten zu finden, die in vieler Hinsicht Dberraschungen boten. Es war noch nicht die Rede von den Planungen ganzer kirchlicher Bezirke inmitten neuer Wohnviertel, auch eines der Grundanliegen des neuen Kirchenbaus. Die Pfarrseelsorge braucht einen Lebensraum noch außerhalb der Kirche und des immer zu engen Pfarrhauses in den Räumen für die Grup pen der Katholischen Aktion, im Pfarrsaal und im Kindergarten. So ist bei Baur meist eine ganze Bau gruppe entstanden, die im überhohen Saalbau der Kirche und in dem meist freistehenden Turm kulmi nierte. Fritz Metzger hat in den kurvenreichen Kirchen grundrissen der Nachkriegsjahre schon den Kirchen körper als ein eigenes und anderes von übrigen Pfarrbauten unterschieden. Hermann Baur findet in den neuen Lösungen hierfür einen ähnlichen Weg; Die neuen Kirchenkörper nach seinen Entwürfen er scheinen nun plastisch durchgeformt neben den sach lichen Seelsorgsbauten. Vor wenigen Wochen wurde die Bruderklausen kirche zu Basel-Birsfelden eingeweiht, auf die man nach den veröffentlichten Plänen und Modellaufnah men ehrlich neugierig sein konnte. Der Grundriß zeigt einen für Hermann Baur vollkommen neuen Typus: Eine nahezu quadratische Grundrißform mit zwei sich gegenüberliegenden abgerundeten Ecken, wo sich auf der einen Seite der Altar und auf der an dern Seite der freien Achse der Taufstein befindet. Der Chor ist gegenüber dem Gemeinderaum erhöht, von oben rückwärts und von beiden Seiten fällt Licht in den Altarraum ein, in dem der Opfertisch frei auf gestellt ist. Die Aufgabe der früher gern eigens kon zipierten Taufkapelle wird mit dem Hinweis auf die neue Osterliturgie begründet, der zuliebe die Aufstel lung des Taufsteins im Kirchenraum selbst die beste Möglichkeit für eine sinnvolle Gestaltung bietet. Der Beichtraum hinter dem Taufstein mit dem freien Blick zum Hochaltar ist hier wohl eine besonders glückliche Lösung. Die Sänger haben links vorne im Gemeinde raum ihren Platz, ganz nahe am Altar; ein Gedanke, den wir aus den neuen deutschen Kirchenbauten nach dem zweiten Weltkrieg kennen. Nicht erst die Licht kammerwand der Kirchennordseite läßt den Gedan ken an das nahegelegene Ronchamp aufkommen. Die schalungsrohe Betonkonstruktion, die erzielte Plastik in der Form dieser ungewöhnlichen Behausung Gottes hat etwas Kraftvolles. Man muß diese Kirche in ihrer baulichen Umgebung und am Rand des Waldes sehen, an den sie angelehnt ist, dann spürt man erst das Anliegen des Architekten, der sich bewußt ist, „daß manches nicht so geraten ist, wie es ihm einmal in den Geburtsstunden des Entwurfes vorgeschwebt hatte. Aber wenn das Werk im einzelnen seine Unvollkommenheiten haben mag, so wird es doch ... im ganzen seine Richtigkeit und seinen guten Sinn er weisen: dem Kirchenvolk ein Haus zu sein, in dem sich die Feier des heiligen Geheimnisses in Gemein schaft und würdig vollziehen kann, ein Haus der Ein fachheit und Stille, ohne Ziererei und Zimperlichkeit, ein Haus unserer Zeit für unsere Zeit"'). Einen genau quadratischen Grundriß weist die am 14. Dezember 1958 eingeweihte Bruderklausenkirche in Biel-Bienne auf, deren städtebauliche Lage einen Sonderfall darstellt. Neben dieser Kirche wird jetzt ein Hochhaus aufgeführt, eine aufwendige Außen gestaltung wäre hier sinnlos gewesen. So hat sich das geheimnisvolle Leben dieses Bauwerks ganz nach innen wenden müssen: Ein einzigartiges Beispiel, wie durch geistige Entschiedenheit jedweder Ungunst be gegnet werden kann, auch im Bauen! Der geistliche Bezirk ruht hier gewissermaßen in sich selbst, ein strenger Raster mächtiger Betonpfeiler umgrenzt einen Vorhof zwischen Kirche und Seelsorgsbau. Das Tau bezeichnet den Ort. Die Umgrenzung ist durch ein bedachtes Tor geöffnet, das man nur mit Ernst be treten kann. Die V/ürde des Ortes liegt hier im offenen Raum, der auch Kultstätte ist mit dem mäch tigen Steinblock, auf dem das Osterfeuer brennt. Ober eine breite Freitreppe kommt man zum Kirchenportal. Dieser Raum ist noch ernster als jener von BaselBirsfelden. Aber es sind viele Ähnlichkeiten: auch hier steigt die Decke empor zum Altarraum, dessen Wände wieder aus seiner Überhöhung besonders viel Licht empfangen. Diese architektonischen Lösungen sind als echte Sinnbilder zu verstehen. So auch, wenn der Taufstein wieder im genauen Gegenüber zum Altar steht, als „Anfang und Erfüllung der christlichen Liturgie". Das Betongitter der Nordwand zum Vorhof hin ist farblos verglast, als gedämpfter Lichtspender des Hauptraumes. Die einfache, notwendigste Aus stattung dieses Kirchenraumes erinnert an das An liegen der ganzen Planung: Besinnung auf das Wesentliche. Aber wir müssen daran denken, daß diese Kirchen erst vor kurzem eingeweiht worden sind. Lieber Kargheit in der weiteren Ausstattung und ge duldiges Warten als übereilte unbefriedigende Lö sungen. Auch die St. Laurentiuskirche in Wülfingen (Winterthur) ist inzwischen nach den Plänen Hermann Baurs fertiggestellt worden. Die reine Klarheit der Konstruk tion mit Betonträgern und Ziegelmauerwänden da zwischen erinnert an deutsche Bauten nach dem zwei ten Weltkrieg. Die Polarität von Altarraumschale und Gemeinderaumschale führt uns in die Gedankenwelt Fritz Metzgers, der nach dem zweiten Weltkrieg ovale Grundrißformen verwendete, einmal in St. Franziskus, Basel-Riehen, für den Altarraum 1949 und 1950 für den Gemeinderaum von St. Felix und Regula in Zürich. Kafholisch Birsfelden. Fesischriff anläfjlich der Weihe der römisch-kalholischen Bruderklausenkirdie in Birsfelden am 19. April 1959. S. 38.

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