im Land zu sehr verstreut. Gerade Professor Rudolf Schv/arz, der andere große Erneuerer der deutschen Kirchenbaukunst, wußte den Schweizern Dank zu sagen, daß sie das Licht der Hoffnung einer bau künstlerischen und inneren Erneuerung über all die dunklen Jahre in die Gegenwart herüberretteten; ein Hinweis, wie dieses kleine „europäische" Land teil nahm an den großen Entwicklungen und sie noch befruchtete. Denken wir daran, daß im Jahre 1927 Professor Karl Moser die Kirche St. Antonius in Basel baute als gewaltigen Betonbau, dessen ausgewogene Gestalt als Ausgangspunkt der neuen Schweizer Kir chenarchitektur betrachtet werden kann. Die nach gedunkelten rohen Betonwände tun dem großartigen Raum mit seinen wahrhaft monumentalen Gliederun gen keinen Abbruch. Dieser Bau bedeutete das Einklingen der — wenn man sagen will — europäischen Kirchenbaubewegung nach dem ersten Weltkrieg hier auf Schweizer Boden, wenige Jahre nach Notre Dame du Raincy von August Perret (1923). Diese Kirche war in der Zeit des ausklingenden Historizismus eine über raschende Erscheinung: Die formbildende Kraft der Konstruktion und die Materialeinheit im Innen- und Außenbau bezeugen sich in feinen Proportionen. Die frühen Anregungen dieses bahnbrechenden Werkes haben gerade in der Westschweiz bis heute eine starke Lebensfähigkeit bewiesen, immerhin schon einige Jahrzehnte. Aber gerade das bekannte Werk von Ferdinand Pfammatter über „Betonkirchen"') be weist, daß die Erstarrung mißverstandener Traditionen auf die Dauer schädlich wirkte. Der mühsam erarbei tete einheitliche Hallenraum der neuen Kirchenbauten um die dreißiger Jahre vertrug das Spiel mit neuen Raumkompositionen noch nicht, die reiche Flächen gliederung und Profilierung dieser französisierenden Bauten erstickte allmählich die übrige Kirchenkunst in einem Betongitterwerk, dessen Forbverglasung eine Aufgabe für das Kunstgewerbe wurde. Den Schülern Professor Mosers, Fritz Metzger und Hermann Baur, die seit einem Vierteljahrhundert eifriger Kirchenbautätigkeit die Führung im Schweizer katholischen Kirchenbau innehaben, blieb es vor behalten, die formbildende Kraft der neuen Konstruk tionen mit funktionierenden Grundrissen, vor allem aber auch mit dem neuen geistigen Gehalt zu ver binden. Liturgie und Gemeinschaft bestimmen die Wohnung Gottes bei den Menschen, die Stätte der Opferhandlung und des Gebetes ist, aber auch der stillen Andacht vor dem Allerheiligsten. Lassen wir Hermann Baur selbst sprechen: „Wir aber fühlten die Kirche nicht als eine Angelegenheit des Gestern und des schönen Vergangenen. Wir litten zwar unter dem Modergeruch, der von so manchen Manifestanten der Kirche, besonders auf dem Gebiet der äußeren For men, ausging. Aber wir wußten anderseits um die 1) Ferdinand PfornmaHer, Befonkirchen. Benziger Verlag, Ein siedein—Züridv—Köln, 1948. innere Lebensfülle und Schönheit dieser Kirche und vor ollem: Wir wußten um das neue Leben, das sich in ihrem Bereiche und rund um sie herum im Sozialen und Kulturellen zu entfalten begann: um das ,omnia instaurare' eines Pius X., um den Aufbruch eines katholischen Schrifttums in Frankreich, das in die vorderste Linie gerückt war, um die deutsche Bewe gung um Karl Muth und sein ,Hochland'. Und wir empfanden vor ollem, und das war wohl das Ent scheidende, das uns zusammenführte und zusammen band, daß diese Bewegung des neuen Bauens, mochte sie sich auch in der Sphäre des Profanen und des Rationellen bewegen, und mochten auch viele Theore tiker sie in diesen Bezirken allein gelten lassen, daß sie auch Räume und Kräfte freimachte für jene bau lichen Aufgaben, bei denen die Ratio und das prak tische Bedürfnis nicht allein Geltung hoben konnten: für die Bauten der Hoheit und der Anbetung^)." Diese Worte sind über den breiteren Beginn der neuen Schweizer Kirchenarchitektur in den dreißiger Jahren gesprochen. Der Grundriß der St. Korl-Borromäuskirche in Luzern, 1932 bis 1934 erbaut nach dem Plane Fritz Metzgers, zeigt bereits den durch die Raum schalen und Säulenstellung zusammenschließenden Gemeinschaftsraum. Die Innenraumwirkung erfährt in dieser Richtung noch eine Steigerung durch das um laufende Fensterband. Altar und gläubige Gemein schaft in engster Zuordnung, die auch bei den neuen Grundrißformen Metzgers noch dem zweiten Welt krieg bestimmend bleibt. Die frühen Kirchenbauten Hermann Baurs bringen schon den strengen rechteckigen Saalkirchentypus, der an den Leistungen von Rudolf Schwarz geschult er scheint, von größter Ausgewogenheit und Klarheit. Die einfachen kubischen Räume atmen trotz spar samer Ausstattung herbe Feierlichkeit; die Betonung des Altarraumes durch eine besondere Lichtführung ist beiden Architekten gemeinsam. Nach dem zwei ten Weltkrieg ersteht in der Allerheiligenkirche zu Basel (1950) ein Betonkirchenbau reinster Wirkung: Das Einschränkende, das von Betongitterwänden ge sagt wurde, fällt hier weg, die Feier dieses lichtdurch fluteten Hallenraumes ohne besonders abgesetzten Altarraum umschließt eine Opfergemeinschaft und erhebt den einzelnen. Die Funktion des liturgischen Raumes ist unaufdringlich erfüllt. St. Martin in Zuchwil und die Bruderklausenkirche in Bern bringen ähn liche Raumlösungen: Der Gemeinderaum mündet in die vollständig umschlossene und erhöhte Schale des Chores, der sein Licht von oben erhält. Der Saalbau der Oltener Marienkirche kommt Allerheiligen wieder am nächsten, nur ist hier die Chorwand vom „Hohen Lied" Ferdinand Gehrs bestimmt. Diese Hallenkirchen waren ein Typus. Mit und ohne „Perforierung", wie die Lochungen der Betonwände bezeichnet werden. ") Kirdienbauien von Hermann Baur und Fritz Metzger. Zürich, 1956, S. 8.
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