Setzung des Allerheiligsten nicht zum Postament wird, sondern seinen Charakter als unverletzlicher, heiliger Schrein bewahrt. Die Türen des Tabernakels gehen nicht an der Eckkante, sondern an der Mitte der Sei tenwände auf und bilden so eine weit geöffnete Nische, in der die Monstranz steht. Wir haben versucht, die Kirche so dynamisch als möglich zu gestalten. Der Wechsel des Werktags- und Sonntagsraumes, die große Durchgängigkeit des Rau mes, der vielerlei Prozessionen möglich macht, die verschiedenen Zeichen des Kirchenjahres geben dem Raum eine große Beweglichkeit. Der Sonntagsaltar tisch und der Ambo treten im Raum zurück und wir ken nur wie Silhouetten, wenn sie nicht im Dienst sind. Die Statik im Räume und die Verkeilung der Ge meinde in den Bänken ist vielfach überwunden. Das Besondere, das kleine Zeichen wirkt: der Adventkranz, ein farbiges Tuch, ein großer Blumenstrauß. Aber auch die Unvereinbarkeit mancher Formen tritt zutage. Es ist zum Beispiel fast unmöglich, eine Messe vor aus gesetztem Allerheiligsten zu halten. Das barocke Konglomerat weicht einer sauberen Trennung der Formen. Die Kirche wurde vom Gottesdienst her neu gestaltet und verlangt nun auch diesen neuen Gottes dienst. Sie verlangt, daß die Gemeinde durch ihr Tun den Raum ratifiziert. Aber sind wir so weit? Das ist die große Frage, die Seelsorger an^ eine solche Erneuerung stellen. Viele Kirchenchristen sind in der Formenwelt und Frömmigkeit des 19. Jahr hunderts heillos befangen (und wundern sich dann, daß sie im 20. Jahrhundert nichts zu reden haben). Soll man die Leute „bei ihrem Glauben" lassen? Aber die Kirche ist jeder Zeit gesandt und muß sich in jede Zeit hineinbegeben, hineinverwandeln, um ihr das Heil zu bringen. Das geht nicht ohne schmerz liche Spannungen, ja Kämpfe in der Christengemeinde ab. Aber wir hoffen, daß es einer unermüdlichen Auf klärung und einer schließlichen Gewöhnung gelingen wird, die Gemeinde im neuen Gotteshaus heimisch zu machen und damit neu zu machen. Gefährlich ist eine altmodische Kirche, nicht eine alte Kirche. Eine Kirche soll erschüttern, nicht einlullen. Religion ist eben nicht Opium für das Volk, sondern neue Wachheit, wie sie der Herr von seinen Jüngern fordert. Eine Kirche soll Fragen stellen und uns in Frage stellen. Leute, die sagen, die Kirche sei leer, sollen nicht übersehen, was drinnen steht. Aber freilich: wenn ihnen der Tisch nichts bedeutet, weil sie niemals daran Platz nehmen, wenn sie dos leuchtende Tabernakel übersehen, weil sie sich nur bei den Heiligenfiguren aufhalten, dann wird ihnen die Kirche leer vorkommen. Vergessen wir nicht, daß die Leere eine mystische Kategorie ist! Der horror vacui ist ein horror Dei. Wer sich vor der All gewalt des lebendigen Gottes in eine niedliche Devo tion flüchten will, den stöbert unsere Kirche auf. Die Leere ladet Gott ein, ruft Ihn herbei, nötigt Ihn her ein. Auch dürfen wir nicht vergessen, daß zur steiner nen Kirche die lebendige Kirche gehört. Ist es richtig, wenn alte Kirchen manchmal so herrlich gebaut und geschmückt sind, daß sie gleichsam in sich selber ruhen und der lebendigen Gemeinde nicht mehr be dürfen? Unsere Kirche ist so gebaut, daß sie erst im Vollzug der Gottesdienstfeier ihre ganze Schönheit erhält. So kann sich die Gemeinde nicht mehr damit begnügen, zur Ehre Gottes eine einmalige Tat gesetzt zu haben, sondern sie muß jeden Sonntag aufs neue Gott die Ehre und dem Gotteshaus seine Würde und Zierde geben. Joseph Ernst Mayer Erich Widder Neue Kirchenbauten in der Schwei: Dazu die Abb. 22—32 als Not und Zerstörung auf unserer Heimat lasteten, erwuchs aus der benachbarten Eid genossenschaft mannigfache Hilfe. Wer damals in die Schweiz kam, fand zunächst ein Stück unverlorenes Paradies, bis er mit dem Einleben den fordernden Rhythmus der Friedensarbeit gewahr wurde, die Kraft und Dauer dieses Landes bestimmte. Hinter den blitzenden Schaufenstern wurde auch gerettete euro päische Kultur sichtbar und eine Geistigkeit klarer Bindungen in Ordnung und Freiheit, die es bei uns wieder herzustellen galt. Dem Berichterstatter erschienen damals die moder nen Kirchenbauten dieses Landes als Lichtzeichen be sonderer Art, deren beispielhafte Strahlkraft sich auch nach wenigen Jahren erweisen sollte. Als bei uns die ersten Kirchenbaupläne wieder reifen konnten, war es zunächst dieses freundliche Fenster der Schweiz, in das man blickte, um Erfahrungen zu sammeln. Das große Werk über das Schaffen des deutschen Kirchen baumeisters Dominikus Böhm war etwas zu spät, im Kriegslärm des Jahres 1943, herausgekommen; die Schwerpunkte der fruchtbaren eigenen Tradition waren
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