nelle Resistenz ändert nichts an der inneren Notwen digkeit des eingeschlagenen Weges. Wenn wir Kir chen bauen wollen im Sinne unserer Zeit, dann müssen wir uns bescheiden. Für die strengen Formen der Romanik sind wir zu zerstreut, für die Ekstasen der Gotik zu erschöpft, für die himmlischen Revuen des Barock zu illusionslos. Wir müssen genau unterschei den, was wir nicht dürfen, weil es besser und feier licher vor uns getan worden ist, und weil wir wissen wollen, was wir noch können. Das Alte ist unerreich bar — das Neue muß sich auf sich selbst verlassen. Urs von Balthasar hat diese Situation richtig bestimmt: Die geistige Bindung an die Tradition kann uns nicht „von der Notwendigkeit entbinden, alles immer wie der neu zu beginnen". Damit fiele auch im Formalen der Vorwurf weg, daß die moderne Sakralarchitektur traditionslos und anarchisch sei. Die Kargheit unserer neuen Kirchen ist kein Armutszeugnis, sondern eine strenge Forderung, dos Christentum ernster zu neh men, als es bei dem selbstzufriedenen Kirchgang am Sonntag geschieht. Die dritte Frage lautet: Liegen Gefahren in der liturgischen Funktion, dos heißt: in der gottesdienst lichen Ordnung der Gemeinde? Hier können wir nur mit oller Entschiedenheit antworten: Im Gegenteil! Wenn es eine Rechtfertigung für die Grundlagen des modernen Kirchenbaus gibt, dann diese. Wir erinnern uns: Das romanische Mittelalter hatte den Altar über der Krypta durch den Lettner, durch die Lesebühne, von der aus das Evangelium verkün det wurde, vom Kirchenvolk abgetrennt und einen eigenen Priesterchor geschaffen. Selbst als der Lettner fiel und die Krypta eingeebnet wurde, blieb der hohe gotische Chor in seiner architektonisch sehr betonten, aus dem Laienraum weit vorgezogenen Form erhalten. Er behielt seine geistliche Feudalität. Hierin ist nun ein völliger Wandel eingetreten. Falsch wäre es, so sogen wir heute, den Altar der Gemeinde zu entrücken — im Gegenteil: Richtig ist, daß er so nahe wie möglich beim Volk steht, dos sich um ihn schart in der aktiven Gemeinschaft des Opfers und Gebets. Joseph Hoster hat für diesen engeren Zusammenschluß der Gemeinde um den Altar den schönen Begriff der „inneren Chorassistenz" geprägt — er meint damit die Form einer aufmerksamen Fröm migkeit, die nicht passiv beiseitesteht, sondern mit einander betet. Wieder hat Rudolph Schwarz diese Entwicklung, die man eine Demokratisierung der Basilika nennen könnte, genau diagnostiziert: „Die traditionelle Ent wicklung hatte die Altarstelle und den Chor als einen allerheiligsten Raum sehr stark von dem ,Schiff' der Gemeinde abgegrenzt. Dieses ,Schiff' war gewisser maßen unterwegs auf den Ankerplatz des Altars hin. Nun aber wollte man Gemeinde sein, mit dem Altar als Mitte. Man wollte die überlieferte Trennung bei der Räume aufgeben und überlegte, wie man den Ring um den gemeinsamen Tisch herstellen könnte. Es wurde zum Beispiel viel darüber gesprochen, ob die übliche Stellung des amtierenden Geistlichen mit dem Rücken zum Volke hin richtig sei, und schlug vor, diesem einen Platz hinter dem Altar zu geben, so daß der Altar zwischen Gemeinde und Geistlichem in der Mitte stand. Man merkte wohl auch, wie die übliche Stellung und Funktion des Kirchenchors nicht ganz der neuen Auffassung entsprach. Bisher bestand die Gewohnheit, daß dieser sich im Rücken der Ge meinde auf einer abgetrennten Empore seinen musi kalischen Übungen widmete, während man es nun für richtiger hält, ihn zu einem Teil der Gemeinde zu machen und in die gemeinsame Handlung auf das engste einzubeziehen. Daraus ergab sich, daß man versuchte, ihm eine mehr dienende und helfende Auf gabe zuzuerteilen und ihn auf der gleichen Ebene wie die Gemeinde in der Nähe des Altars aufzustellen." Die Folgerungen sind klar. In dem neuen Diözesan recht von 1954 für das Erzbistum Köln heißt es aus drücklich: Priester und Gemeinde sind heute bestrebt, bei der Liturgie in enger, wechselseitiger Beziehung zu stehen. Das ist für die Form der Kirche und die Stellung des Altars von maßgebender Bedeutung. Des halb soll olles vermieden werden, was die Trennung von Gemeinde und Altar verstärkt, zum Beispiel allzu weite Entfernung des Altars von der Gemeinde, eine übertriebene Hochlegung des Chors und seine seit liche Einschnürung . . . Zu begrüßen ist es, wenn die Gemeinde in ihrer Aufstellung den Altar von drei Seiten leicht umgreift — so wird er am richtigsten stehen. Aus dieser Stellung wird organisch eine gute Form der Kirche erwachsen. Wenn im Materiellen, im Formalen und im Litur gischen Übereinstimmung besteht, was richtig und organisch sei, dann sollte es kaum möglich sein, einen Bau zu verpfuschen. Aber so zuversichtlich können wir nicht sein — die Problematik des Kirchenbaus von heute ist mit diesen drei grundsätzlich klaren Defi nitionen noch nicht erschöpft. Wir wollen von einem konkreten Beispiel ausgehen, von St. Rochus in Düs seldorf (Architekt Paul Schneider-Esleben, 1955). Der Anblick befremdet. Wir sehen einen stereometrischen Kuppelbau, halb Sternwarte, halb Atomlabor. Die Konstruktion beruht auf einem zentralen Grundriß — drei Betonschalen, die mit einer millimeterdünnen Haut aus Kupferplatten gedeckt sind und deren leuch tende Fugen aus Glasbausteinen bestehen, bilden einen symmetrischen Aufbau. Wie kommt es zu dieser Lösung? Es handelt sich um eine Dreifaltigkeitskirche, deren geometrisches Sym bol das gleichschenkelige Dreieck ist. Hinzu kam ein bestimmter pfarrherrlicher Auftrag, im inneren Kreis des zentralen Grundrisses einen Ring von zwölf Säulen zu bilden, die dos System der drei Kuppelschalen un terfangen. Der konstruktive Gedanke ergibt sich also aus einer präzisen theologischen Sinngebung, die wört-
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