Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 2

sionalität seiner durchmodellierten Architekturpiostik zu einer expressiven Baukunst führt, erwähnt. Durch die Übernahme organisch empfundener Formen in die Architektur ist sein Einfluß auf die Stadtplanung der dreißiger Jahre und auf Einzelbauten nachweisbar. Der deutsche Werkbund, 1907 gegründet, faßt Ar chitekten, Industrielle und Soziologen zusammen, er will die Entfremdung zwischen den entwerfenden Künstlern und der Industrie überwinden. Peter Beh rens, 1868—1946, versucht die Reform der Architek tur von der großen Form her. In seinen Bauten für die AEG Berlin wird der Industriebau zum erstenmal architektonisch bewältigt. Er sucht aus dem Material und der maschinellen Herstellung entsprechend klare Formen zu entwickeln. Er steigert die Zweckform ins Monumentale und gelangt schließlich zur klassizisti schen Form (wie in gemäßigtem Ausmaß auch Per ret). Mit seinen Industriebauten leitet er über zum Monumentolismus, und Plastizismus. Expressionismus Neben Behrens bemüht sich auch Hans P o e I z i g um die Formung des Industriebaues. 1911 entsteht sein Wasserturm in Posen, als ein noch ausgesprochen kon struktives Beispiel; für seine monumentolisierende und expressiv übersteigerte Architekturrichtung ist das 1919 errichtete Schauspielhaus in Berlin charakteristisch. Die expressionistische Architektur ist ein Versuch, die starke Ausdrucksgebärde der gleichzeitigen Flächen kunst auf das dreidimensionale architektonische Ge bilde zu übertragen. Hans Poelzig verkleidet die Kup pel des Zuschauerraumes des Berliner Schauspiel hauses mit einer Unzahl hängender Zapfen; Fritz Hoegers 1923 erbautes Chilehaus in Hamburg spitzt sich wie der Bug eines Schiffes in einem spitzen Win kel zu. Das Bauwerk wird zum Bildwerk. Der Expres sionismus bildet ein kurzes Zwischenspiel, bedeutende Beispiele gelingen nur im Theater- und Kirchenbau. Hier entwickelt Otto Bartning mit seinem Entwurf für eine Sternkirche 1922 einen Zentralbau, der einen pathetischen Irrationalismus vertritt. Erich Mendelsohn ist am nachhaltigsten vom Expressionismus beeinflußt. Ihm ist es in seinen frühen Bauten in erster Linie um einen plastischen Ausdruck der Betonstruktur zu tun. Angeregt durch die Formbarkeit des Stahl betons schafft er 1920 den Einsteinturm in Potsdam. Futurismus Im Entwurf von Antonio Sant'Elia 1913 sehen wir riesige Aufzüge, Fahrbahnen und Drehscheiben, auf fällig angebracht, die das Bild der Architektur von Augenblick zu Augenblick verändern. Diese Richtung beschränkt sich fast nur auf Italien und ist als erste Reaktion auf den Eklektizismus und den Jugendstil zu verstehen. Funktionalismus, Rationalismus und Konstruktivismus Alle diese Bestrebungen sind aber mehr oder weni ger Obergänge zu den schließlich ganz Europa um faßenden eigentlich revolutionären Bewegungen der heutigen Architektur, die aus dem geschichtlichen Ein schnitt, den der erste Weltkrieg bedeutet, hervorgehen. Als Mitarbeiter im Büro Behrens wird Walter Grop i u s, geboren 1883 in Berlin, mit den Elementen der modernen Architektur vertraut, distanziert sich aber bald von der Monumentalität. 1911 errichtet er die Fogus-Werke in Alfeld und begründet damit seinen Ruf. Neuartig ist die Formidee, die nicht tragende Funktion der Außenwand zwischen den Pfeilern da durch ästhetisch zu verdeutlichen, daß sie als dünne, vorgesetzte Haut aus einem Stahlwandfachwerk ausge bildet wird. Eine Entdeckung, die heute als „Curtain Wair (Vorhangwand) zu einem wichtigen Gestaltungs element im Hochhausbau geworden ist. Sein 1922 ent worfenes Bürogebäude für die Chikago Tribüne zeigt die Konstruktion als sichtbares Formelement wie bei Perret, die Tragkonstruktion liegt in der Wandebene, Stützen und Balken bilden ein rechtwinkliges Gitter — ein reiner Stahlbetonskelettbau, der bis heute beispiel gebend ist. Die sichtbar gelassene Konstruktion wird zum Ausgangspunkt einer neuen Gestaltung. 1919 wird Gropius Nachfolger van de Veldes an der Kunstschule in Weimar, dem späteren Bauhaus. Das Ziel liegt in der Verwirklichung einer modernen Architektur, die gleich der menschlichen Natur das ganze Leben um faßt. Die Trennung zwischen der bildenden Kunst und der Architektur und Technik soll aufgehoben werden. Gropius ruft bedeutende Maler, wie Feininger, Kandinsky, Klee, Schlemmer und Moholy-Nagy ans Bau haus. 1925 übersiedelt das Bauhaus nach Dessau. Hier hat Gropius die Möglichkeit, beim Bau des Schulge bäudes und der Lehrerwohnungen sein architekto nisches Konzept zu verwirklichen. Die Mittel, die er dabei verwendet, sind: Einheitlichkeit der Formen sprache und Differenzierung der Baumassen nach ihrer Funktion. Gerade diese Differenzierung wieder führt zu einer Formbelebung, die bis heute in den verschie densten Werken zum Ausdruck kommt. Die Bedeutung des Bauhauses lag nicht in einem klaren Programm, sondern in seiner „Idee", der Idee der Vereinigung von Kunst und Technik als Grundlage einer modernen Ge staltung. Die schwere Aufgabe bestand nun darin, die verschiedenen Richtungen zu koordinieren. Gropius fühlte, „daß das Wohl der Baukunst auf wohlabge stimmter Arbeit einer Gruppe von Mitarbeiter be ruht". Damit ist der Gedanke der Teamarbeit geboren, die er 1945 in seinem „The Architects Colloborotive" verwirklicht. 1928 tritt Gropius als Direktor zurück und bleibt bis zu seiner Emigration nach England in Berlin selbständig tätig. 1937 erhält er eine Berufung als Lehrer an die Harvard Universität. Die amerikanische

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