Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 1

bis 1623 Jacopo Evaccani In der Altbunzlauer Ma rienkirche. Emporen über den seitlichen Kapellen und Doppelpilaster bereichern in der Hochstufe dieses Schema in der Jesuitenkirche zu Königgrötz (1654 bis 1666 von Carlo Lurago) und in der Benediktinerabtei kirche zu Braunau (1685—1688 von Martino Allio). Obwohl in Braunau der im Kern noch gotische Raum eng, schmal und hoch wirkt, hat der Architekt das gleichartige Gegenüber von West- und Osteinziehung noch betont durch dos Anbringen von Figuralnischen in der Frieszone. Allio war, ebenso wie Leuthner, aus dem Lurago-Kreise hervorgegangen. Das folgerichtig durchgeführte Schema der querschifflosen und hallenartigen Wandpfeilerkirche — dreijochig im Schiff, zweijochig im Chor — mit balusterbesetzten Emporen über den Kapellen und geradem Chorschluß ist im 17. Jahrhundert in Ober österreich entwickelt worden. Den Hauptanteil be stritten die Carlone. Diese Kirchen besitzen fast alle „Durchgangsräume", d. h. die Ost- und Westwand ist architektonisch ungegliedert, also „offen" gelassen. Das Anfangsglied dieser Reihe haben wir in der Jesuitenkirche St. Michael in Steyr (1631—1677) vor uns; ihre trockene, etwas ungekonnte Ausführung und die flachen, rein ornamentalen Stukkaturen lassen auf deutsche Hände schließen. Die hochstrebende Stiftskirche Waldhausen (1650—1693 von Christoforo Colombo und Carlo Conevole) leitet zu den CorloneBauten über, die den Typus in seiner „klassischen" Vollendung zeigen: die Jesuitenkirche in Linz (1669 bis 1678)'), die Benediktinerabteikirche Garsten (1677—1685 von Carlo Antonio und Giovanni Battista nach Plänen ihres Vaters Pietro Francesco), die Zisterzienserabtei kirche Schlierbach (1679—1685 von Pietro Francesco und Carlo Antonio) und schließlich als „reinstes" Beispiel die Jesuitenkirche St. Michael zu Passau, deren hochwertiger, ober sparsamer Stuck die kristall klaren Bauglieder besonders wirkungsvoll hervor treten läßt. Die schöpferische Tat des Lurago- und Leuthner schülers Wolfgang Dientzenhofer bestand nun darin, daß er den böhmischen Kastenraum mit der ober österreichischen Wandpfeilerkirche vereinigte. Die Carlone hatten es in Schlierbach mit einem Versuch in dieser Richtung bewenden lassen. Zunächst schloß Wolfgang Dientzenhofer nur die Westseite ab in seinen beiden frühesten Kirchen (1690 ff.) im fränkischoberpfälzischen Grenzgebiet, in den Benediktiner abteikirchen Weißenohe (ohne) und Michelfeld (mit Emporen). Durch dos allseitige und konsequente Her umführen des Wandsystems in der Prämonstrenserabteikirche Speinshart (1692 ff.) erzielte er eine größt mögliche Vereinheitlichung des Wandpfeiler-Kasten raumes. Das Kirchenschiff sieht nun aus wie ein Innenhof mit ringsum laufenden Arkaden. Erst aus dieser letzten Verdichtung der „linearen" Wand pfeilerkirche wuchsen jene kurvig-bewegten Raum gebilde heraus, die mit den Namen Christoph (St. Niklas - Prag, Kleinseite 1703 ff.) und Johann Dienztenhofer (Benediktinerabteikirche Banz 1710ff.) verknüpft sind^). Der Carloneske Dekor läßt die Mariahilfkirche ob Amberg naturgemäß auch in ihrer Architektur am meisten corlonesk erscheinen; man vergleiche beson ders die Gestaltung der Orgelchorwand hier und in Garsten. Freilich lassen die anderen Raumverhältnisse auch den Unterschied deutlich werden: hier breit — gedrückt — dumpf, dort weit — hoch — frei. Wolf gang Dientzenhofer konnte eben sein oberbayerisches Erbe — man denke nur an die Kirchen von Beuer berg, Habach, Beyharting, Benediktbeuern — niemals verleugnen. In Oberösterreich taucht in der Benediktinerabtei kirche Lambach (1652—1656) eigenartigerweise ein „böh misch" anmutender, mit Abseitennischen versehener Saalraum auf, der große Ähnlichkeit mit der Prager Kirche Sta. Maria de Victoria (1636—1640) aufweist"). Hier dürften die Wurzeln zu suchen sein für den voll entwickelten bosilikalen und polaren Kastenraum der spätbarocken Stiftskirche zu Spital am Pyhrn (1714 bis 1736 von Joh. Mich. Prunner). Auch die monumen talen — im Osten und Westen vorgezogenen — Säulenstellungen in der Stiftskirche St. Florian (1686 ff. von Carlo Antonio und Bartolomeo Carlone) sollen dem Kirchenschiff eine größere Geschlossenheit verleihen. Auch bei der Aufteilung der turmlosen Fassaden im Sinne der römischen Gesu — zweigeschossig, fünf teilig im Untergeschoß, Volutenschrägen zu Seiten des dreiteiligen Obergeschosses, Mittelportal und Fenster darüber betont, abschließender Dreiecks giebel — und bei der Gestaltung der Türme mit den eigentümlichen gedrückt-dynamischen Kesselhauben greifen die Dientzenhofer auf böhmische Vorbilder zurück. Die Fassaden-Verwandtschaft der Amberger Mariahilfkirche Wolfgangs (1697 ff.) und der Bam berger Karmelitenkirche Leonhards (1692ff.) mit Altbunzlau ist besonders augenfällig, die Türme in Speinshart, Weißenohe und Michelfeld sind ohne Prag und Böhmen kaum denkbar. Mit seinen aus Oberitalien importierten Plotzlgewölben schenkte Carlo Lurago dem süddeutschen Spätbarock die ihm gemäßeste und mit am häufig sten verwendete Wölbungsform. Ursprünglich in Byzanz ausgebildet, hatte die Florentiner Frührenais sance (Brunellesco) das Plafzl wieder zu Ehren gebracht. Die .Passauer Mittelschiffsgewölbe machten rasch allenthalben Schule: Georg Dientzenhofer brachte erstmals ein Platzl im Chore seiner Wall fahrtskirche Trauttmannshofen an (1686 vollendet), ebenso Wolfgang in Michelfeld, die Carlone eine ganze Folge in Schlierbach. Noch weitere Einzelfor men aus dem Lurago-Kreise erwiesen sich als zu kunftsträchtig. Die ovalen, in sich zentrierten Abseiten

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