Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 1

Strudel, Michael Rottmayr und Martin Altomonte, deren Kunst bereits einer österreichischen Barock malerei angehört. Dr. Bruno Grimschitz Werner Fleischhauer, Barode im Herzogtum Württemberg. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1958. DM 48.—. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat die Barock forschung einen großen Aufschwung erlebt. Die Stil geschichte und die Strukturanalyse haben bedeutsame Ergebnisse gezeitigt. Was uns aber immer noch auf weite Strecken fehlt, das ist die genaue Erfassung, Sichtung und Auswertung der reichen Archivbestände. Diese mühsame und oft wenig beachtete Archivarbeit bildet aber — neben der genauen Erfassung des einstigen und jetzigen Denk mälerbestandes — als .erste Kunstwissenschaft" (H. Sedlmayr) die Grundlage für weitergehende Erkenntnisse. Dieser Tatsache trägt das vorliegende Werk Rechnung, das in zwölf Jahren emsiger Forschertätigkeit entstand und ein überaus reichhaltiges und umfassendes Material für die Kunstgeschichte — im weitesten Sinne — des Barock im deutschen Südwestraum darbietet. Der riesige Stoff — Künstlergeschichte, Geschichte der Kunstwerke, genealogische, soziologische Aspekte — ist in übersicht liche Kapitel, diese wiederum sind in eine klare Gesamt gliederung eingefangen. Das Thema ist zeitlich (von 1650 bis 1737) und lokal (das Herzogtum Württemberg) be grenzt. Die mißliche Lage des kleinbürgerlich erstarrten Handwerks nach dem Dreißigjährigen Kriege, der starke Einfluß des puritanischen bzw. pietistischen Luthertums auf alle Lebensäußerungen, das wachsende Pathos des abso lutistischen Herrschergedankens, die Vielfalt höfischen Lebensstiles und Kunstbetriebes werden lebendig. Die große Bauleidenschaft des Herzogs Eberhard Ludwig (1693—1737) endlich zieht fremde Kräfte ins Land, vorab aus Prag und Wien, um den von Johann Friedrich Nette und Giovanni Donato Frisoni geleiteten Schloßbau in Ludwigsburg zur glanzvollen Residenz auszugestalten. Gerade die Tatsache, daß die Ostgebiete des damaligen Reiches als gebende, nicht als nehmende Faktoren nach gewiesen werden konnten (Quitteiner, Frisoni, Soldatio, Steinfels, Colombo) verdient besonders hervorgehoben zu werden. Ein Hinweis: Der Freskant Joh. Jak. Steinfels hotte mit dem Stukkator Tom. Soldatio bei der Ausschmückung der Benediktinerabteikirche in Breunau zusammengearbeitet, deswegen dürfte der eine den anderen an Nette weiter empfohlen haben. Vielleicht darf der Rezensent ein paar Schönheitsfehler im Texte angeben. Die Schreibung der böhmischen Ortsnamen ist manchmal ungenau (es muß heißen Sedletz statt Sedlitz, Ossegg statt Oßeck, Seite 155 bzw. 225), in einem Falle irreführend (auf Seite 150 ist die Abteikirche in Braunau [Ostböhmen] gemeint, die bis 1694 von den Brüdern Antonio und Tommaso Soldatio ousstuckiert worden ist, nicht Breunau, das man richtiger als Brevnov bei Prag bezeichnet!). Bei der Anmerkung 12 auf Seite 203 konnte keinerlei Bezug auf Tintelnot, Die barocke Freskomalerei in Deutschland, Seite 87, gefunden werden, auch ist hier wohl statt „türkisches Palais" in Dresden „japanisches" zu lesen. Aber das alles läßt sich bei einem so großangelegten Werke wohl kaum vermeiden. Der umfangreiche Bilderteil ergänzt und vertieft den Text durch Originalpläne, alte Ansichten und Photos kunstgeschichtlich wichtiger Objekte. Auf jeden Fall haben uns mit diesem Werke der Verfasser und der Verlag eines der wesentlichsten Barockbücher der letzten Jahre ge schenkt. Es füllt nicht nur ein lokales Vakuum aus, son dern hat auch der allgemeinen Kunst- und Kulturgeschichts schreibung viele Anregungen zu bieten. Dr. AIcuin Gürth OSB Malerei der Gegenwart Henri Perruchot, Cüzanne. Eine Biographie. Deutsch von Kurt Leonhard Bechtle Verlag, Eßlingen, 1956. DM 22.80. Eine oberflächliche Suche nach „interessanten", sensatio nellen Fakten im Leben Cäzannes muß notwendigerweise ergebnislos verlaufen; die Absicht, aus diesem ziemlich eintönigen Leben einen der (leider, ach, so beliebten) „biographischen Romane" zu machen, wird scheitern. Hier gibt es keine Sensationen wie bei von Gogh, nichts von der Exzentrik eines Toulouse-Lautrec, nichts von den ge heimnisvollen Exzessen Modiglionis. Hier gibt es nur das mühsame Sich-dahin-schleppen eines von der Malerei Be sessenen, der sich ein Leben lang umsonst um die Auf nahme in den „Salon", um die offizielle Anerkennung be müht; dem schließlich das Ausbleiben des Erfolges so selbstverständlich ist, daß er nicht an ihn glauben will, als er endlich da ist; der sich noch als reifer Mann den tyran nischen Launen eines despotischen Vaters unterordnen muß, die entmündigend und entwürdigend sind. War Cezonne, dieses ganz und gar ungenialische Genie, etwa nur ein malender Bourgeois, dessen Leben mit dem Wort „toujours travoiller" erschöpfend beschrieben wäre? Der auffällige Gegensatz zwischen Leben und Werk läßt es beinahe vermuten; er zwingt ober zugleich, der Vielschich tigkeit von Cezannes Künstlerpersönlichkeit mit strengeren Methoden nachzuspüren, als sie die bisher übliche Art der Biographie zu bieten vermag, eben um die beiden Pole dieses Lebens und die an ihnen sichtbar werdende Diskre panz begreifen zu können. Man muß deshalb Henri Perruchot Donk sogen für die angewendete Methode der exakten historischen Dokumen tation. die im Falle Cezanne nicht nur als bestmögliche, sondern auch als gerechteste erscheint. Ebenso hat sich der präzise Übersetzer Kurt Leonhard so sehr dieser Me thode verpflichtet gefühlt, daß er den Anmerkungsteil um einige sachliche Details ergänzte, die für den deutschen Leser besonders aufschlußreich sind. Genau genommen besteht dieser Lebensbericht lediglich aus Dokumenten, aus Selbstzeugnissen, Briefen und Ge sprächen, deren Teile so nahtlos zu einer Einheit verwoben sind, daß sich aus oft wenigen, dafür aber raffiniert ge wählten Bruchstücken eine Person zu einer echten, blutvol len Gestalt zusammenfügt, die in Handlung und Gedan ken schlechthin überzeugt. So ist es faszinierend, wie die Figur von Cezannes Vater heraufbeschworen wird und als dunkler Schatten den größten Teil seines Lebens ver düstert. Ebenso treffend sind Gestalten wie Pissarro, Chocquet und natürlich Zola gezeichnet. — Es scheint mir ein Verdienst dieser Biographie zu sein, daß hier das Trennende zwischen Zola und Cezanne einmal deutlich herausgestellt worden ist, die Kluft zwischen dem „Erfolgs menschen" und dem, der den Mut zum Scheitern auf brachte. Die Freundschaft zwischen beiden soll unbestrit ten bleiben; doch die genau belegten Äußerungen und Schriften Zolas (soweit sie die Kunst betreffen) zeigen sehr deutlich, daß er eigentlich Cezannes Malerei nie völlig be griffen hat. In „L'Oeuvre", was ja bekanntlich zum Bruch führte, dokumentiert er nur ein Mißverständnis, was schon immer bestanden hatte. Zola ist vielmehr der Typ des Literaten, der überall dort zu finden ist, wo „was los ist". Sein Unverständnis trat in dem Moment deutlich hervor, als sich der Impressionismus zu konsolidieren begann und keine Tumulte mehr hervorrief. (Geradezu entlarvend ist der letzte Aufsatz in „Le Figaro" vom 2. Mai 1896.) — Ein zweites verdienstvolles Ergebnis ist die stilgeschichtliche Präzisierung von Cezannes Stellung völlig jenseits der im pressionistischen Bestrebungen. Die angedeuteten Grund züge seiner Ästhetik und seine künstlerischen Intentionen, die selbst von den besten Freunden und Kampfgefährten

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