Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 1

ondemteils die schlanke Gestrecktheit der Skulp turen, wie sie besonders am klassizistisch wirkenden Engel zu beobachten ist und schließlich die Weich heit der Faltenführung an den Gewändern der Skulp turen. Nach dem Studium jener angeführten Stilmerkmale wäre man vorerst sowohl in Hinsicht auf die all gemeinen stilgeschichtlichen Tendenzen des Spät barocks, die zum Klassizismus hinführen, als auch im Bezug zum Werke Stammeis®) hin geneigt, eine Ein>- ordnung der Krippe- in dos Spätwerk Stammeis vor zuschlagen. Bei dem Versuche jedoch, eine zeitliche Einordnung der Krippe in Hinsicht auf den Stil der Figuren vorzunehmen, ist ganz besondere Vorsicht am Platze, da kein anderes Werk Stammeis in Wachs technik bekannt ist, mit dem diese verglichen werden könnten. Es wäre hierbei vor allem zu berücksich tigen, daß rein vom Technischen her gesehen die Arbeit in Wachs zu optisch ganz anders geformten Stilformen führen kann, als dies bei einer Arbeit in Holz oder Stein der Fall ist, da ja das Material in diesem Fall vom Künstler nicht gehauen oder ge schnitzt, sondern modelliert wird, also Stommel den ganz anders gearteten Arbeitsweg, den Aufbau der Figur von innen heraus, einschlug. Gönz abgesehen von dem Vorteil, daß uns im Oeuvre Stammeis zeitlich fixierte und gefaßte Holz ornamente zur Verfügung stehen, sei bewußt dos Hauptaugenmerk der zeitlichen Einordnung dieses Werkes auf die Ornamentform gelegt, da das Or nament quasi fast den reinen Stil an sich darstellt und daher besonders präzise die jeweiligen zeitlichen Veränderungen wiederspiegelt. Die symmetrisch aus vegetobilen und geometrischen Elementen zusammengesetzte Ornamentik des Krip penaufsatzes stammt aus der Stilperiode des so genannten Laub- und Bandelwerkes und kann daher im großen gesehen in die Zeitspanne 1715—1740 ein geordnet werden"). Der stilistische Vergleich des Krippenaufsatzes mit den relativ spärlich vorhandenen Ornamentformen im Oeuvre Stammeis zeigt ebenfalls, daß die nächsten Parallelen") an den Werken aus der Zeit vor 1740 zu finden sind, in jener Stilperiode also, in der noch dos Laub- und Bondlwerk vorherrschend ist und nicht Flammenformen und die sich später entwickelnde Rocallle, die in den Spätwerken Stammeis zur vollen Herrschaft gelangen. Nach dieser Einordnung auf dos Ornamentale hin, läßt auch der aus Holz geschnitzte Engel im Aufsatz die Möglichkeit eines stilistischen Vergleiches zu. Hierbei wird wiederum die obig herausgearbeitete Ansicht einer Datierung vor 1740 bekräftigt, da der 1731 entstandene Schutzengel von Wildalpen") den selben Faltenduktus mit schmalen langen, weichgeknickten Stegen aufweist, der auch für unseren Engel charakteristisch ist. Eine Durchsicht aller Krippendarstellungen Stammeis in chronologisdier Folge auf die kompositioneilen und inhaltlichen Momente hin ist äußerst aufschlußreich und reicht von der kreisförmigen Umschließung des Kindes durch die anbetenden Hirten"') sich etappen weise gleichsam aufrollend, zur breit angelegten und vielfach erzählenden Darstellung. Unsere Krippe wirkt auch qualitativ, inhaltlich, kompositionell und größenmäßig") so, als ob sie nur eine Vorstufe des sich immer mehr steigernden Darstel lungsdranges Stammeis sei, der über die Kallwonger Krippe zu dem Höhepunkt der Admonter von 1755 führt, in der die vorhandenen Szenen noch durch die Anbetung der Könige, die Beschneidung Christi im Tempel und viele erzählende Nebendetails bereichert werden. Nach dieser zeitlichen Einordnung der Krippe, die also unserer Untersuchung noch um 1730—1740 ent standen sein dürfte, sei noch auf die Folgerungen dieses Ergebnisses verwiesen: Die Krippe, die die Grundlage und Voraussetzung zu den berühmten Krippen Stammeis in Kallwang und Admont bildet, wirft ihrerseits dringend die Frage nach der Herkunft ihres eigenen Formengutes auf. Schon bei der stilistischen Beschreibung anfangs wurde auf die stark itolienisierenden und antikisie renden Tendenzen der Dargestellten hingewiesen, eine Tatsache, die sich noch vielfach durch Detoilfragen wie die zahlreichen Muscheln und Vögel, die Tracht der Hirten usf. erweitern und festigen ließe. Von einem Aufenthalt Stammeis in Italien und Rom in der Zeit vor 1740 wird uns berichtet"). Der Versuch, eine stilistische Verbindung"), ins besondere des Krippen-Oeuvres Stammeis mit der italienischen Krippenbaukunst herzustellen, führt augenscheinlich zu einem vollen Erfolg. Obgleich sich auch mit den wenigen gesicherten römischen oder auch den sizilionischen Krippen") stilistische Verwandschaften aufzeigen ließen, scheint der Zentralpunkt der Herrschaft des italienischen Formengutes unserer Krippe doch in den so berühmten neapolitanischen Krippenwerken der Somortinos, Vaccoros, Moscas usf. zu liegen"). Obige Zeilen werfen ihrerseits noch zahl reiche Fragen auf, deren Hauptproblem die Herkunft des Formengutes im Gesamtwerk Stammeis bildet. Insbesondere bedarf der Einfluß seiner Grazer Lehrer Schoy und Zeilinger und der Eindrücke, die er in Italien erhielt, noch einer genaueren Untersuchung. Deutlich jedoch zeigt uns das eben behandelte Kripplein die Weite der Schaffensspanne Stammeis auf, die von der kleinsten, schlanken Wachsfigur über Holzstatuen und Reliefs verschiedener Größe bis zu den überlebensgroßen, breit angelegten Steinfiguren reicht.

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