bis 1723). Tatsächlich bietet das Werk dieses eigen artigen Deutschböhmen'-) die engsten Parallelen zu Prunner und muß als unmittelbare und lange wirkende künstlerische Voraussetzung für diesen gewertet wer den. Das zeigt sich auf verschiedenen Ebenen der Betrachtung; zunächst in der Motivik und zwar ge rade dort, wo sie Grimschitz mit Recht als besonders charakteristisch für Prunner ansieht. Wir heben nur ein Beispiel für mehrere hervor: „Das im Kleeblatt bogen geschlossene Mittelfenster, dessen Form Prun ner immer wieder zur Bereicherung seiner architek tonischen Sprache aufgenommen hat, ist der greif barste Hinweis auf Prunner" sagt Grimschitz bei Be trachtung der Kirchenfassade St. Nikola in Passau (S. 24) und verwertet hier wie ouch bei der Turm fassade von Wilhering (S. 60) dieses Motiv sogar zur Attribuierung. Der dreipaßförmige Fensterbogen, in Österreich um 1720 ausgesprochen selten (Wien, Solesionerkirche, Kuppeltambour. Hier sicher aus den selben Quellen stammend wie bei Prunner), findet sich in Prag und in Böhmen häufig und früh, z. B. an der Haupt-(Marien-)Kirche auf dem Weißen Berg bei Prag, an der Niklaskirche auf der Prager Kleinseite, vor ollem aber bei Santini'"). Bei diesem erklärt sich dieses Motiv auch ganz sinnvoll und ohne Zwang aus jener böhmischen „Barockgotik", deren wichtigster Vertreter Santini ist. Dabei tritt bei ihm der dreipaß förmige Fensterbogen in Gesellschaft mit anderen Motiven auf, die alle für Prunner charakteristisch sind: die Profilierung von Portal- und Türgewänden durch einfache oder verdoppelte Rundstäbe (vgl. auch den Stich des J. Wolff für Poura, S. 281), die Portalverdachungen, die eigentümlich „gotisierende" Kämpfer behandlung (drastisches Beispiel: Arkadengang des Schlosses in Steyr, Abb. 731). Aber nicht nur Motive, sondern die Anlageform, etwa der Sakralbauten im Grund- und Aufriß, ver weisen bei Prunner in dieselbe Richtung. Wiederum liegen die allgemeinen Voraussetzungen im Dientzenhoferkreis und Santinis Werk bietet für jede der Lösungen Prunners mehrere vergleichbare und zeit lich vorausgehende. Santinis Annakapelle in Jungfernbfezan, 1705—1707, und seine Zentralbauentwürfe gehören zweifellos zu den künstlerischen Vorausset zungen der Dreifaltigkeitskirche in Paura"). Damit ist der direkte Zusammenhang mit der „Kappel" bei Waldsassen begründet und erklärt und eine Tradition sichtbar gemacht, die auch in anderer Hinsicht spür bar ist. Prunners Mariahilfkapelle auf dem Puchberg bei Lambach hat ihre Vorstufe in der Maria-NamensKapelle Santinis in MIatz (1708—1710), in den Ent würfen für Maria Teinitz (1710) und in vielen kleinen Zentralbauten Böhmens, z. B. der Nepomuk-Kapelle in Birkenstein, 1710—1720. Auch Treppenanlagen ähn lich dem Freihaus Zeppenfeld in Linz (S. 37) gibt es in Böhmen und bei Santini. Vorgebildet sind sie in der schon genannten Kapelle von Jungfernbrezonv ein wesentliches Element des Außenbaues bilden sie bei Santinis Nepomuk-Gedächtniskirche in Saar in Mäh ren (ab 1719). Kilian Ignaz Dientzenhofer hat solche Treppen zusammen mit der spannungslos gekurvten Hoffassade beim Klosterbau von Braunau später in Reinheit vorgeführt (1727—1738). Und es gibt auch in Südböhmen anonyme Bauten mit kurvig aufsteigen den Doppeltreppen. Ein Beispiel bietet die Antonius kirche in Uhrov (Kreis Chotebof'^). Mag auch bei den Treppenanlagen die „Priorität" strittig sein (man sollte im frühen 18. Jahrhundert die Frage nach dem „ersten" „Wieder"-Auftreten von barocken Zügen der italienischen oder französischen Kunst nicht über anstrengen!); sicher ist, daß in Prag bei Dientzen hofer, bei Paul Ignaz Bayer (1650 zirka bis 1732) und besonders bei Santini das Auftauchen und die Ver arbeitung von „Guarinesken" Zügen völlig natürlich und konkret begründet ist. Santini wird übrigens im Zusammenhang mit der Prager Theatinerkirche auch genannt"). Durch sein Projekt für diese Kirche ist ober Guorini im Prag zu einer Zeit aktuell geworden, da noch niemand in Wien oder Linz an ihn dachte. Schließlich ist ein enger Kontakt mit Prag für die Linzer Baukunst gar nichts außergewöhnliches. Auch nach dem Tode Prunners bezeugen das Linzer Bau ten, z. B. die Ursulinerinnenkirche. Nicht nur ein mühsam herausgeklaubtes Motiv also, sondern eine ganze Schar charakteristischer Formen und, was viel mehr bedeutet: die Formensprache selbst und die Raumtypen bestätigen die vorbildliche Bedeutung der böhmischen Barockarchitektur für Prunner. Sicher ist, daß Christoph Dientzenhofer und San tini Aichel in mehrfacher Hinsicht entscheidend auf Prunner eingewirkt haben müssen und daß manches, was als Frucht der italienischen Lehrjahre (die man nur vermutet) bei dem Linzer Architekten angesprochen wurde, sich bei genauerem Zusehen als Einfluß der böhmischen Barockarchitektur zu erkennen gibt. Da Regesfen fehlen und dem Texf nur ganz wenige An merkungen beigegeben sind, isf in vielen Fällen eine Behauptung über eine Quelle schwer, teilweise überhaupt nicht nachprüfbar. Das macht sich vor allem bei den Datierungen bemerkbar. Bei den Linzer Fassaden z. B. wäre es im Grunde richtig gewesen, Daten, die lediglich einen ferminus posf oder ante quem bezeichnen, als soldie klar von den Vermutungen über die zeitliche Entstehung zu unterscheiden. Dazu vgl, auch Anm. 9. Bei der Fassade der Linzer Karmeliterinnenkirche hei^t es z. B., die Fassade sei „1722 ergänzt' worden. Im Dehio-Oberösferreich, 1958, 169, findet sich zunächst dieselbe Behauptung. Ein paar Zeilen weiter liest man jedoch, dafj die Fensterumrahmungen der Fassade «1722 ergänzt' wurden. War die Fassade 1710 schon aufgemauert und (zusammen mit den Raumteilen des Kircheninnern) in ihrer Konzeption daher schon gegeben, so dotj sich die .Ergänzungen' von 1722 nur auf die Fensterumrahmungen beziehen oder stammt sie überhaupt erst aus dem Jahre 17227 Jeder, der aufmerksam die Deutung des zeit lichen Verhältnisses dieser Fassade zur Front der Karmeliterinnen kirche in Linz bei Grimschitz (S. 48 f.) gelesen hat, wird verstehen, weiches Gewicht solche, oberflächlich gesehen, .nebensächlichen' Genauigkeiten in Wahrheit haben. Ein paar Ergänzungen zur Literatur: nicht genannt ist die Innsbrucker Dissertation über Prunner von K. t"l. Korten, 1951 (MS). Zur Linzer Wollzeugfabrik: A. Höller, Augusta Corolinae Virtutls Monumenta . . . Wien, 1733; Zur Mariahilf- und Kolvarienkapelle bei Lambach: W. Luger in .Oberösterreich', 4, 1954, Heft 1—2, 22 ff.
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