Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 1

davon haben sich inzwischen stillschweigend ein gebürgert. Entscheidend ist, daß erst jetzt olle die Fragen des „Stils", der Zuschreibung, des entwerfenden und ausführenden Architekten, der kunstgeschichtlichen Bedeutung ernsthaft diskutabel geworden sind, weil Grimschitz die Bauten im Zusam menhang erörtert und als Lebenswerk sieht, weil er die baukünstlerische Eigenart Prunners überhaupt erst sichtbar gemacht hat. In einzelnen Fällen wird man freilich erst zu einer weitgehenden Übereinstimmung im Urteil gelangen, wenn man sich zur Differenzie rung entschließt. Dafür nur ein Beispiel: Dem Dehio Oberösterreich (3. Aufl. 1958, 326) zufolge hat Prunner bei den Um- und Neubauten des Lambergschlosses in Steyr lediglich die Entwürfe Domemico d'Angelis ausgeführt. Grimschitz schreibt Entwurf und Ausfüh rung Prunner zu (S. 55 ff.). Entwürfe d'Angelis sind archivalisch verbürgt, aber nicht erhalten. Wie sie ausgesehen haben, können wir vorderhand nicht ein mal vermuten, denn wir haben noch gar keine Vor stellung von Person und Werk des Passauer Hofbau meisters. Andererseits verweist am Schloß in Steyr, zum Beispiel am Uhrturmtrakt (Abb. 69) nicht nur das einzelne, sondern die Gesamtkonzeption so eindeutig auf Prunner, daß man mit Grimschitz hier auch den Entwurf Prunner zuweisen wird müssen. Es gibt aber im ersten Hauptgeschoß, für die man schwerlich über zeugende Parallelen im Werk Prunners wird nach weisen können. Hier mag also doch zumindest ein anderer Entwurf vorgelegen haben; es wäre also außer zwischen Entwurf und Ausführung auch beim Entwurf zwischen verschiedenen Bauteilen zu unterMlatz, Maria-Namens-Kdpelle auch Teile dieses umfangreichen Baukomplexes, die sich nicht nur im einzelnen, sondern im ganzen von Prunner unterscheiden. Der südwestliche Trakt beim Römerturm zum Beispiel (Abb. 68) zeigt eine Rhyth misierung der Hoffront, ein Verhältnis der Fenster zur Wand, zur Rahmung, auffallende Motive, wie die typischen „Martinelli'-Klammern über den Fenstern 3 + J o / J. M. Prunner, Mariahilfkapelle auf dem Puchberg bei Lambach scheiden. Und wie hat man sich überhaupt Prunner als entwerfenden Architekten vorzustellen? Einiges läßt sich vielleicht aus dem Vergleich der Mönchener Kirchenfassadenzeichnung®) und der ausgeführten Front der Karmeliterkirche in Linz, der Stiche des Wolff und Corvinus und der gebauten Dreifaltig keitskirche in Paura (S. 30) erschließen. Von Zeichnun gen Prunners nennt Grimschitz außer dem leider nicht abgebildeten Entwurf für Schloß Gstadt (nicht ausgeführt, 1725 dat., heute in Admont, S. 51 f.) nichts. Das ist noch eine schmale Basis für eine Er kenntnis des entwerfenden Architekten Prunner. Die Fragen der Zuschreibung hängen natürlich eng mit der Kenntnis und Beurteilung des Einflusses Pruniners auf andere Bau- und Maurermeister seiner Zeit zusammen. Hier dürfte der Passauer Baumeister Jakob Pawagner (1680 in Wien geboren, 1743 gestorben) von Interesse sein. Durch die Zuschreibung der Fassade von St. Nikola in Passau an Prunner (S. 24, Abb. 27, Ausführung sicher durch Pawagner, 1716 bis

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