Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 4

dazu reichlichen Anlaß. Noch heute birgt diese Jesuiten niederlassung und ihre romantische Kapelle in früher Neu gotik die größte Sammlung Stecherscher Werke. Persönlichkeit und Werk Stechers vermögen in mancher Hinsicht unsere lebhafte Anteilnahme zu erwecken. Die Biographie versteht das Bild des sensiblen jungen Man nes, der ein vorzüglicher Ordensmann war, wie aus No tizen über sein Verhalten hervorgeht, durch eine geschickte Auswahl aus Berichten, unter anderem auch aus der Haus chronik des Innsbrucker Klosters, wo Stecher aus dem Orden schied, aus Zeitungsnotizen und dem Nachruf der „Katholischen Blätter aus Tirol", allein schon sehr lebendig vor Augen zu stellen. Der Innsbrucker Chronist versäumt nicht von eingebildeter Kunstfertigkeit zu sprechen, die nicht den geringsten Tadel vertrug. Sicherlich bezeichnend für die Mentalität des Malers, dessen geistige Erkrankung schließlich zum Austritt aus dem Orden führte, wohl ober auch für eine notwendige Abwehrhaltung gegen sachlich kaum immer begründete Kritik aus seiner Umgebung, wo durch es ihm allein möglich war, seiner künstlerischen Intuition treu zu bleiben. Erschütternd die knappe Notiz über seinen Abschied von der Gesellschaft Jesu, der er aber weiterhin freundschaftlich verbunden blieb: Am Drei königstag 1844: „Heute ging Franz Stecher, der auf eigenes nachdrückliches Verlangen aus der Gesellschaft ausschied, um 5 Uhr weg." Erschütternd wie so manche schreckhafte Einzelheit in seinen Bildern, die oft unver mittelt neben süßen biedermeierlichen Engelflguren und seltsam wachsgesichtigen übersanften Frauengestalten ste hen. — Wie so viele seiner Künstler-Zeitgenossen, wir denken etwa an den Innviertier J. B. Wengler, ist auch Stecher später in Amerika. Seine dort erhaltenen Fresken sind zum Teil jene Tiroler Kirchenmalerei des 19. Jahrhun derts, die wir auch im größeren zeitlichen Abstand nur unerfreulich finden können, zum Teil weisen sie jene Hintergründigkeit auf, die weniger der frammen Seele als seinem kranken Geiste zuzuschreiben ist, der manchmal in der heftigen Zusammenballung von Figurengruppen oder der Trostlosigkeit gewisser Raumfluchten Ausdruck zu finden scheint. Der künstlerischen Leistung Stechers wird man wohl nur gerecht, wenn man seine Epoche nicht in einer schulbuchhaft-verharmlosenden Art als geruhsame Biedermeierzeit sieht. Der Akademieschüler Kuppelwiesers erlebt im künstlerischen Bereich die schärfsten Gegensätze, wie sie etwa in den leidenschaftlichen Angriffen eines Natura listen wie Waldmüller gegen die Tradition der Wiener Schule zum Ausdruck kommen. Stecher ist auch dieser revolutionären Richtung verbunden, wie das meisterliche Bild der Familie des Domkapellmeisters Gänsbacher be weist, das um vieles beseelter ist als die trockene Pose manches Waldmüller-Porträts. Ein biblisches Bild daneben, aus Anlaß eines Wettbewerbes entstanden, führt gewissen haft alle angelernten Kompositionschemata und im Abend akt trainierten Verkürzungen vor, verrät auch die Kenntnis manchen Meisterwerkes der Renaissance in seinen Einzel heiten, ein zusammengestückeltes Elaborat, das die An griffe Waldmüllers auf eine Lehre, die solches entstehen ließ, berechtigt macht. Sind die Spannungen im geistigen Ringen der Zeit sonst geringer? Das Wirken eines C.M.Hofbauer und seines Kreises gegen den eingefleischten Jose finismus jener Tage ist noch lebendig, neue Ideen am Vor abend der Revolution von 1848 künden sich an. Die Sezession der „Lukasbrüder" nachahmend findet der in diesem Spannungsbereich künstlerisch ausgebildete Tiroler aus alter Bauerntradition nicht in einem Künstlerkreis mit monostischen Anklängen, sondern in einem echten Orden und in dessen straffer Regel durchaus das, was er suchte, was ein K. v. Blaas nicht begreifen konnte. Mit hinein genommen hat er aber die Problematik der christlichen Kunst seiner Zeit und hier in aufreibender Hingabe um sein Werk gerungen. Wir sind allen, die sich um die Entstehung dieser Bio graphie bemühten, zu Dank verpflichtet; sie bereichert das Bild einer Epoche und ihrer Menschen um manche neue, interessante Züge und bietet aus der heimatlichen Kunst geschichte ein neues, bisher nur in wenigen Einzelheiten bekanntes Kapitel. A. S. Wolfgang Stadler, Führer durch die europäische Kunst. Mit 104 mehrfarbigen und 365 einfarbigen Bildern. Verlag Herder, Freiburg, 1958, DM 22.80. Der Band versucht auf verhältnismäßig knappem Raum eine Geschichte der abendländischen Kunst und eine Charakterisierung ihrer wichtigsten Perioden zu geben. Eine Einführung dieser Art muß notwendig an der Ober fläche bleiben. Ob es allerdings angängig ist, die öster reichische und Schweizer Kunst von der deutschen zu trennen, andererseits aber die flämische und holländische Kunst (die sich in der Tat grundlegend unterscheiden) ge meinsam zu behandeln, ist eine andere Frage. — Ebenso scheint uns der Reiseführer, der im Anhang gegeben ist, deplaciert zu sein. Auf drei Seiten kann man über ein europäisches Reiseland wirklich nur weniger als nichts sagen, zumal wenn man vieles nicht dort findet, wo man es sucht (Wien ist unter „Niederösterreich", Lienz unter „Körnten" und Lambach nicht unter Oberösterreich, son dern unter „Salzkammergut" eingereiht). Das Erfreulichste an dem Buch sind die Abbildungen, die wirklich sorgfältig und mit Geschmack ausgewählt sind. Auch finden sich hervorragende Farb-Reproduktionen darunter (eine der schönsten: Maulpertschs St. Stephan aus der Alten Pinakothek). Diese Abbildungen bilden ein kleines „Bildlexikon der Kunst", für dos viele dankbar sein werden. G. R. Geerto Snyder, Unsterbliche Meisterwerke — Ihr Weg durch die Zeit. Verlag F. Bruckmann, München, 1958, DM 14.80. Einmal etwas anderes: Zwölf Meisterwerke der Kunst, angefangen von der Schwolbenvose aus dem 6. vorchrist lichen Jahrhundert bis zum Rokoko-Puppenheim der Fürstin Augusta Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt, werden in ihren wechselnden Schicksalen durch die Zeit verfolgt. Das ganze liest sich wie ein Roman und ist auch im Roman stil geschrieben. Dabei hat der Autor genügend Gelegenheit, seine An sichten über die Geschichte darzulegen. Ob sie immer mit der geschichtlichen Wahrheit übereinstimmen, kann man füglich bezweifeln. So unterschätzt der Autor doch wohl die Menschen des 16. Jahrhunderts, wenn er meint, man habe die antiken Göttergeschichten (Zeus und Jo, Danae, Leda und Europa) damals „buchstäblich" aufge faßt. Höchst merkwürdig ist auch die Interpretation des berühmten Gedichtes von Walther von der Vogelweide „Ich saz uf eime steine", nach der Walther hier beschreibt, „wie er darüber nachdenkt, wie man in der Welt leben kann, ohne Gott zu verleugnen?". Man erfährt auch aller hand neues aus dem Buch, etwa, daß Ludwig I. von Bayern „aus dem Nichts eine Antikensammlung schuf"; bisher glaubte man, daß die bayrischen Herzöge bereits im 16. Jahrhundert ein „Antiquarium" angelegt hatten. Weni ger neu sind die Skandalgeschichten aus der Geschichte der Päpste und der Habsburger, die mit sichtlichem Ver gnügen aufgetischt werden. Ohne Zweifel wird das Buch seine Leser finden. Ist doch die Zahl der Menschen groß, die von einem Buch nicht verlangen, daß es gut, sondern daß es spannend ist. G. R.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2