Was wir zu sehen bekommen, Ist äußerst gekonnt, freilich vermißt man doch jene Tiefe und Dichte, die das wirklich große Kunstwerk auszeichnen. Wichtiger erscheinen uns die beiden anderen Bändchen in der Piper-Bücherei. Feiningers Aquarelle gehören zum Schönsten, sicher aber zum Zartesten, was die moderne Kunst geschaffen hat; im Lebenswerk des Meisters stehen sie mindestens gleichrangig neben seinen Gemälden. Von den 16 abgebildeten Aquarellen befinden sich drei in deutschem Museumsbesitz, eines in der Sammlung Doktor Fischer und zwölf im Besitze von Frau Julia Feininger. Unter den letztgenannten finden sich späte Arbeiten des Künstlers, die für uns neu und überraschend sind. Wir erkennen, daß es im Leben Feiningers nicht nur die erste große Wandlung, die aus dem Humoristen den Künder einer klaren geistigen Ordnung gemacht hat, sondern auch noch eine zweite Stufe der „Verklärung" gegeben hat. Für den daraus hervorgegangenen Altersstil steht hier dos Aquarell „Down Town" von 1952, in dem die amerika nische Stadt verfließend, wie durch ein regennasses Fen ster gesehen oder wie hinter einem Schleier verhüllt erscheint. Lost not leost die persischen Miniaturen aus der Samm lung Preetorius, die in diesem Sommer im Münchner Völkerkunde-Museum zu sehen waren. Der Zauber dieser Schöpfungen läßt sich nicht beschreiben, sondern nur an schauen. Aus allem, nicht nur aus dem Leben der Gesell schaft und der Jagd, sondern auch aus Kampf und Krieg wird hier ein Spiel — ein Spiel mit Formen (die Kunst der Wiederholung desselben Motivs), vor allem aber mit Farben. G. R. Kunstgeschichte Renate Wagner-Rieger, Die italienische Baukunst am Beginn der Gotik. II. Teil: Süd- und Mittelitalien. Verlag Hermann Böhlaus Nachf., Graz-Köln, 1957. 272 Seiten, 38 Tafeln, 31 Fig. im Text, 76 Abbildungen, broschiert. Das Werk erscheint in seinem II. Teil als 2. Band der „Abhandlungen" in der Serie „Publikationen des öster reichischen Kulturinstituts in Rom, Abteilung für historische Studien". Eine zusammenfassende kunsthistorische Darstellung eines größeren Soch- oder Landschaftsgebietes ist wohl eine der schönsten, unter Umständen aber der undank barsten Arbeiten, die es für den Kunsthistoriker gibt. Die unterschiedliche Qualität der zu verwendenden mono graphischen Unterlagen, die verschiedene Methodik der Einzeldarstellung und die oft zeitlich sehr weit ausein anderliegenden Bearbeitungen müssen sich naturgemäß auf die Gesamtdarstellung ungünstig auswirken. Diese Fehlerquellen werden weitgehendst ausgeschaltet, wenn, wie von der Verfasserin, alle Werke persönlich besichtigt und untersucht werden können. Erst dann ist eine solche Zusammenarbeit von unschätzbarem Werte. Die großen Zusammenhänge werden deutlich, viele Unterströmungen werden dabei offenbar, die aus der monographischen Dar stellung des Einzeldenkmals nie gesehen werden können. Dies sei an einigen Beispielen gezeigt. Oberitaliens Archi tektur ist zu diesem Zeitpunkt viel einheitlicher, als Südund Unteritaliens Baukunst; dagegen vereinheitlicht die eindringende Gotik das einheimische Kunstschaffen. In dieser Hinsicht treten besonders die Zisterzienser und die staufische Machtkunst Friedrichs II. als Importeure der Gotik auf. Mittelitalien ist dagegen viel bürgerlicher, die vielen Stadtstaaten erhalten ihre gotische Kunst durch die Bettelorden. Periphere Gebiete, die Marken z. B., sind stärker aufgeschlossen für fremde Einflüsse, die ober stets wieder auf das Spätromanische zurückgebildet werden. Diese Landschaften sind entwicklungsgeschichtlich nicht von Bedeutung. Die Gotik überflutet also in verschiedenen Wellen Italien, wird verschieden verarbeitet und jede Landschaft hält dabei an einer gewissen Landschafts konstante fest, die, wie Wagner-Rieger hervorhebt, schon in der Romanik zu beobachten war. Es ist aber nicht die klassische Gotik der He de France, sondern hauptsächlich eine reduzierte, also zum Export zurechtgemachte Art (fast immer burgundisch-zisterzienisch), wie dies auch nördlich der Alpen in der Ausbildung des sogenannten öbergangsstiles zu sehen ist, auf dem später die nationale Sonder gotik steht. In Italien aber passen die Zisterzienser ihre Bauweise viel stärker als im Norden den londschofts-' gebundenen Bauschemen an. In dieser Beziehung setzen die Bettelorden diese Methode der Verwendung land schaftsgebundener Bauformen fort. Im besonderen seien einige Beobachtungen über den verschiedenen Grad der Aufnahme in den einzelnen Landschaften hervorgehoben. Diese Kapitel scheinen besonders wichtig, weil sie für die Entstehung der Renaissance bezeichnend sind. Apulien verarbeitet die verschiedensten Einflüsse zu neuen Formen, es ist jedem Neuen aufgeschlossen. Die Toskana dagegen ist ungotisch, aber nicht antigotisch. Der gotische Geist wird zwar aufgenommen, mit der antiken Tradition ver bunden und die Gotik, gleichsam als Katalysator, trägt sehr viel bei zur Entstehung der Renaissance überhaupt, wie ja auch das antike Erbe in Frankreich mit beigetragen hat zur Genese des gotischen Stils. Wie Wogner-Rieger betont, wurde also die geradlinige Entwicklung von der Romanik zur Renaissance durch die Gotik nicht gestört oder gar unterbrochen, sondern geradezu erst ermöglicht. Den Charakter der italienischen Sondergotik, unbescha det der lokalen Unterschiede, sieht Wogner-Rieger in der großen Einfachheit überhaupt, im klaren Aufbau des Raumes, in der Ablehnung des Strebesystems, in der Ver meidung der Wandauflösung und im Fehlen komplizierter Chöre. Auch die burgundische Zisterzienserkunst hat die einfachen asketischen Formen bevorzugt und nicht die klassische Gotik aufgenommen, wenn sie auch in ihren Ausstrahlungen im Norden den Formenreichtum nicht so stark reduziert weitergegeben hat wie in Italien, An dem über sechs Seiten umfassenden Literaturver zeichnis kann man die gründliche Leistung erkennen, die die Verfasserin vollbrachte. Bedauert wird, daß zur bes seren Illustration der Landschafts-Konstanten, der Einfluß sphären der Bauformen usw. nicht Karten gezeichnet wor den sind. Gerade bei großen Zusammenfassungen kunst geographischer Natur hat sich diese Art der Darstellung schon oft bewährt. Es ist das große Verdienst von WagnerRieger, mit dieser Arbeit nun auf breitester Basis bewie sen zu haben, was an Einzelwerken (oft nur hypothetisch) schon länger erkannt worden war. Die Kunstgeschichts forschung, besonders die der Sondergotik und der Renais sance, ist der Verfasserin für die große Leistung zu Dank verpflichtet, da sie gerade in ein dunkles Jahrhundert einer Übergangszeit Licht gebracht hat. Dr. Benno Ulm. Martha Reinhardt, Der Maler Franz Stecher, mit einer Einleitung von Otto Benesch. Herausgegeben vom Kultur amt der Stadt Linz, Schroll-Verlag Wien-München, 1957, 27 Bildtafeln, S 80.—. Die Monographie ist der eigenwilligen Malerpersönlich keit des Tirolers Franz Stecher gewidmet, der als Frater im Linzer Jesuitenkloster auf dem Freinberg von 1839 bis 1843 tätig war und dort in einem eigenartigen nazarenischmanieristischen Stil zahlreiche Werke schuf. Der Auf- und Ausbau dieses von Erzherzog Maximilian, dem Schöpfer der Linzer Turm-Befestigungen, gestifteten Klosters bot
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