ausführen. Rasch verbraucht er seine Lebenskraft und fällt 1943 einer Krankheit zum Opfer. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens hat Schlemmer, ständig unter Druck stehend, nicht mehr viel schaffen können. Nur die Jahre 1936 und 1942 machen eine Aus nahme; in ihnen entstehen die „Symboliken" und die „Fensterbilder", und man sieht es ihnen an, daß sie „in einem Glücksgefühl, mit innerer Bewegung" gemalt sind. „Dabei ist es fast so, als ob sich der Ring schließe: der gleichen ist dann ganz ähnlich frühen Jugendsachen, die eben auch schon alles enthielten, was dann einzig und eigentümlich war und blieb" (aus einem Brief vom 13. No vember 1942). Schlemmers Weg war ein eigenwilliger und einsamer. Seine Ziele waren hochgespannt und daher ist vieles in seinem Leben und in seinem Werk bruchstückhaft geblie ben. Anregungen aber sind viele von ihm ausgegangen und einige seiner Werke weisen ihn als einen der großen deutschen Meister der ersten Jahrhunderthälfte aus. G. R. Ernst Ludwig Kirchner. Bildband mit Text von Will Grohmann. 36 Farbtafeln, 48 Schwarz-Weiß-Tafeln, Verlag Kohlhammer, Stuttgart, 1958, DM 39.—. Mit Freude begrüßen wir dieses Buch, die erste bedeu tende Publikation über E. L. Kirchner seit 27 Jahren (seit dem Erscheinen des Graphik-Kataloges von Schiefler). Will Grohmann bezieht sich in seinem Text ausschließ lich auf die Gemälde Kirchners und zeigt an ihnen seine Entwicklung vom Neoimpressionismus über den „Brücke"- Expressionismus und den monumentalen Stil der zwanziger Jahre zur abstrakten Figuration seines letzten Jahrzehntes auf. Die Graphik Kirchners — und wir halten sie für be deutender als seine Gemälde — wird von Grohmann nicht berührt; freilich ist sie durch die vielen Strichätzungen, die den Textteil beleben, gegenwärtig. Was uns noch fehlt, ist eine tiefere Durchdringung des Werkes Kirchners, dieses größten deutschen Graphikers in unserem Jahrhundert. Einen Vorstoß in dieser Richtung bedeutet der Beitrag von Dr. Annemarie Heynig in unse rem Heft. Wir glauben uns nicht zu täuschen, wenn wir behaupten, daß die Zeit für eine wissenschaftlich-kritische Würdigung E. L. Kirchners gekommen ist. Eine solche kritische Würdigung hat vom Formalen aus zugehen, um von hier zu einer Gesamtdeutung vorzudrin gen. So wäre zu fragen, was in der „Brücke"-Zeit die Vor liebe für die Diagonale, für die spitzwinklige Kreuzung von Diagonalen, für fallende (fast möchte man sagen „stürzende") Linien bedeutet. Ebenso wäre dos auffällige Vorherrschen des Rundhorizontes, der steigenden und fallenden Rhythmen, der wogenden Vorder- und Hinter gründe in den zwanziger Jahren zu erklären. Wiederum wäre das Eindringen der abstrakten Figuration mit der häufigen Verwendung der Aufsicht in das Spätwerk Kirch ners mit den gleichlaufenden Tendenzen der europäischen Kunst zu vergleichen, von der Kirchner sich doch so grund legend unterscheidet. Viele gründliche Einzeluntersuchungen und Interpreta tionen werden notwendig sein, ehe sich ein Gesamtbild Kirchners ergibt, das seiner Größe entspricht. Immerhin ist hier ein Anfang gesetzt, was vor allem der Initiative von Herrn Roman Norbert Ketterer zu danken ist, der für die Planung und Gestaltung des Buches verantwortlich zeichnet. G. R. Wie sie einander sahen. Moderne Maler im Urteil ihrer Gefährten. Herausgegeben und eingeleitet von H. M. Wingler. Albert Langen - Georg Müller-Verlag, München, 1957, DM 9.80. Das Verständnis eines Kunstwerkes hängt viel weniger von Gefühlen oder Stimmungen ob, als der Laie gemein hin glaubt. Vielmehr ist zum richtigen „Verstehen" eine gute Kenntnis der historischen Situation ebenso erforder lich wie das individuelle Einfühlungsvermögen. Damit ist auch gemeint, daß zur gerechten Beurteilung der künst lerischen Qualität zunächst einmal die Richtung der künst lerischen Intention bekannt sein muß, denn erst aus dem Höhenunterschied oder der Höhengleichheit zwischen Ab sicht und Ergebnis, zwischen dem Gewollten und dem Er reichten resultiert der künstlerische Charakter oder der Qualitätsgrad. Jeder auf diesem Wege sich ernsthaft Mühende ist für Veröffentlichungen dankbar, die in Form von Briefen und Selbstzeugnissen dos Kunstwollen der einzelnen schöpferi schen Persönlichkeit erkennen lassen. (Vgl. Besprechun gen Heft 1/1957.) Das neue von H. M. Wingler zusammen gestellte Buch bietet eine schöne Auswahl von Maler-; urteilen über Maler; wertvoll vor ollem deshalb, weil die Originalbeiträge häufig in Zeitschriften, Almanachen und Büchern verstreut sind, die vielfach zu unerreichbaren Sel tenheiten geworden sind; schön deshalb, weil es sich oft um Zeugnisse der Freundschaft und höchster menschlicher Lauterkeit handelt. Das trifft auf die beiden Abschnitte über die Persönlichkeit Corinths zu, vor ollem aber auf den Nachruf für August Macke von Franz Marc, der an der Westfront geschrieben wurde und gleich einer zeit losen Klage die tiefe Tragik und Sinnlosigkeit des Krieges vergegenwärtigt. Was Kondinsky wiederum über Marc schreibt, gehört wohl zum Schönsten und Menschlichsten, was jemals über diesen wunderbaren Mann gesagt wurde, der — wie Kondinsky meint — „Zutritt zum Leben der Tiere hatte" und doch nie ein „Tiermaler" gewesen ist. — Während Marcs „hommage ä Kondinsky" vom Geiste einer bewundernswerten Freundschaft getragen ist, sieht Macke viel deutlicher und kritischer die Einzelstellung des proble matischen Russen, dessen „Geistiges" nicht unmittelbar zu übernehmen ist. Begeisterte Töne jedoch findet Macke für Delounay, was deutlich verrät, wieviel seine eigene Farbe diesem Franzosen verdankt. — Kühl aber eindringlich kommentierend spricht E. L. Kirch ner in eigener Sache; ebenso aufschlußreich, wenn auch bereits historisch, ist Marcs Aufsatz über „Die ,Wilden' Deutschlands". Mitten hinein in die Auseinandersetzungen am Bauhaus führen die Erinnerungen von Georg Muche, Itten und Feininger; die Bekenntnisse von C. Westpfahl und Heinz Trökes münden in die unmittelbare Gegen wart, während Ahlers-Hestermann die etwas beschauliche, wenn auch sehnsüchtig-faszinierende Atmosphäre des Künstlercafes „du Döme" im Paris des Jahres 1902 be schwört. Es wäre falsch, von dem Band jene kunsthistorischen Schlüsse zu fordern, die eine systematische Dokumenten sammlung vermitteln würde. Hier überwiegt der warme Ton der menschlichen Nähe und schafft jenen Kontakt, der über die Sympathie für den schöpferischen Menschen zum Verständnis seines Werkes zu führen vermag. C. G. Neue Bände der Piper«BUcherei: Glacomo Manzu, Mädchen und Frauen. 43 Zeichnungen. Auswahl und Nachwort von Bernhard Degenhard. Lyonel Feininger, Aquarelle. Nachwort von Alfred Hentzen. Persische Minialuren. Auswahl und Nachwort von Emil Preetorius. Glacomo Manzu, bei uns hauptsächlich durch seine Plastiken bekannt, seine „Kardinäle" etwa oder die römischen und Salzburger Domtüren, zeigt sich hier von einer anderen Seite: als eleganter und sicherer Zeichner.
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