sich in diese Lehren, schufen und lehrten nach ihnen und veröffentlichten während dieser Jahre und in späteren Jahren ihre Erfahrungen und Ergebnisse. Wir haben das Urbild der Erscheinungen gesucht. Unsere Hoffnung war und unser Ziel war, im Natur gebilde einen Abglanz des Urbildes erkennen und im Kunstwerk durch Entsprechungen verkünden zu dürfen. Das Urbild ist die augustinisch-platonische Idee, also der Schöpfungsgedanke Gottes. Da er in Gott ist, können wir ihn nicht unmittelbar erkennen, son dern nur mittelbar. Gleichsam ein Abglanz, eine Spie gelung aus der Urbilderwelt wohnt dem irdischen Geschöpf inne. Es ist die „Spur Gottes", die uns hin weist auf den göttlichen Schöpfungsgedanken und auf Gott. Wir nennen die Spur auch das „Inbild", in dem auf geschöpfliche Weise sich das Gesetz des Urbildes widerspiegelt, aus dem die geschöpfliche Gestalt her vorgeht. Goethe wußte davon, als sich ihm die „Urpflanze* mitteilte, das Gesetz der Pflanze und die Metamorphose der Pflanzengestalt. Das Inbild des Menschen als der Krone der irdischen Schöpfung um faßt alle Inbilder der irdischen Geschöpfe und ist über die Spur Gottes erhöht in das „Ebenbild und Gleichnis Gottes". Der Mensch vermag in sich und in den irdischen Geschöpfen das Inbild innerlich anzu schauen und aus „anschauender Urteilskraft" — ein Wort Goethes — durch Entsprechungen verkündende Mitteilungen aus der Urbilderwelt zu empfangen, durch die des Menschen schöpferische Kraft gestärkt und auf ein eigenes schöpferisches und verkündendes Werk gerichtet wird. In der anschauenden Urteilskraft leuchten die „Erkenntnisbilder" auf, durch die der Mensch die Naturerscheinungen in ihrem Ursprung als Mitteilungen und Werke der göttlichen Schöpfung erkennen kann. Die Erkenntnisbilder sind sowohl nach innen wie nach außen gewendet, sowohl auf das Inbild wie auf das Außenbild und lassen die lebendige Entfaltung vom Gesetz bis zur Gestalt erkennen. Sie zeigen zu gleich und notwendig die Einfoltung, Zusammenfal tung, Konzentration von der Gestalt zum Gesetz. In der Verbindung zwischen Entfaltung und Konzen tration, Konzentration und Entfaltung lebt das Natur gebilde. In ihm sind Ursprung und Vollendung des Schöpfungsgebildes verhüllt, der Ursprung aus dem Urbild, dem Gedanken Gottes, und die Vollendung, die Rückkehr aus dem irdischen Lebensstrom in die Urbildwelt Gottes. Im inneren Anschauen erkennt der Mensch, soweit es seiner Natur möglich ist, wie in einem Spiegel Ursprung und Vollendung der ge schöpflichen Bilderwelt, und es ist der Auftrag des schöpferischen Künstlers, von seinen Erkenntnissen aus der geistigen Wirklichkeit zu verkünden als ein Bote der geistigen, dos heißt göttlichen Wirklichkeit. Als einen solchen Boten weiß Lyonel Feininger sich berufen und reicht diese Botschaft unter Schmerzen und Freuden des Schaffens „im Bilde" dar. Es geschieht dies „im Bilde", also nicht unmittelbar, sondern mittelbar. Feiningers Malerei ist keine Ab bildkunst. Abbild wäre Nachahmung, Illusion, also Täuschung. Weder die materialistisch gerichtete Kunst kann ein identisches Abbild des Materiellen geben noch die metaphysisch gerichtete Kunst ein identisches Abbild des Metaphysischen. Es ist stets nur ein Sinn bild möglich, das in der materialistisch gerichteten Kunst ertötet ist durch Erstarrung oder Auflösung, das in der metaphysisch gerichteten Kunst lebendige Aus sage einer vom Verstand oder Gefühl nicht auszu schöpfender Mitteilung ist. Im Sinnbild ist das Bild, die wahrnehmbare Erschei nung, ein entsprechendes Gefäß für den Sinn. Der Sinn, die geistige Erkenntnis teilt sich in wahrnehm baren Entsprechungen des Sinnes mit. Die Entspre chungen umfassen sowohl den Bildinhalt wie die Bild gestalt, sind der gestaltete Bildinhalt. Dieser ist so wohl gegenständlich wie ungegenständlich. Die meta physisch gerichtete Malerei Feir^ingers lebt in einer Lichtmetaphysik. Aus dem Ungegenständlichen des fließenden Lichtes bilden sich farbige Lichtkristalle zu gegenständlichen Figuren, und die gegenständlichen Figuren lösen sich auf, zerbrechen prismatisch in Lichtstufen und fließen dahin. Zur Zeit des ersten Weltkrieges wurde Lyonel Fei ninger die Sinnbildwelt bewußt, und es wurde ihm be wußt, was ihm das Sinnbild schon von Kindheit an bedeutete. Er schreibt hiervon: „Die Kirche, die Brücke, das Haus — und der Friedhof — haben mich von Kindheit auf mit tiefen, andächtigen Gefühlen erfüllt. Sie sind nämlich sinnbildlich; ich bin mir hier über aber erst seit diesem Kriege klar geworden, warum ich sie im Bild immer von neuem darstellen muß." Zu diesen Sinnbildern kommen dann bald noch als andere Hauptsinnbilder das Meer und das Schiff, vor allem das Segelschiff. Die Worte Feiningers aus dem Jahre 1927 sind spürbar in christlicher Ehrfurcht und Andacht nieder geschrieben. Die Bilder selbst, auf denen diese Sinn bilder gezeigt sind, leben in der christlichen Sinnbild welt. Die vielen Bilder von Dorfkirchen, Domen, sie sind das von Menschen gebaute Gotteshaus, aus innen leuchtend; Gott hat es durch das Menschenwerk ge baut. Die Brücke — das ist der Weg über den Ab grund, der Weg von der Natur zur öbernatur. Die Mühle — das ist die Notwendigkeit, in der die Men schen gemahlen werden, ihre Ernte, die zum Brot des Lebens werden soll. Die Reihe der Häuser — das sind die Zellen der Gefangenschaft, die unter dem Licht zerbrechen werden, wie sich die Gräber öffnen wer den am Jüngsten Tag. Das Meer — das ist der Geist Gottes, der in sanftem Säuseln kommt wie in nieder werfendem Sturm. Das Schiff ist das uralte Sinnbild des kirchlichen Lebens. Wir sehen die Menschen nicht auf Feiningers Seglern, aber sehen, wie der Geist des
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