Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 4

Lyonel Feininger, Kreuzende Segelschiffe maligen Zeit glaubten, daß die klassische Welt der Antike wiedergeboren würde. Die klassische Welt kam jedoch nicht wieder, sondern eine neue und eigentümliche Welterkenntnis brach an, die im 19. Jahr hundert sich auflöste. Wir Menschen des 20. Jahrhunderts sind wiederum in eine neue und eigentümliche Welterkenntnis ge stellt, sind sowohl Subjekte wie Objekte dieser gei stigen Revolution, die, wie das Wort sagt, eine „Rückwölzung", Rückbesinnung ist, doch diesmal nicht zur antiken Klassik. Die heutige geistige Revolution wälzt vielmehr dos schöpferische Bewußtsein — in ihm auch das schöpferische Bewußtsein von der Malerei und vom Bild — fast zurück bis in prähisto rische Zeit. Vor uns steht nicht mehr als Leitzeichen die antike Kunst des Abendlandes, sondern die Welt kunst im Gesamtbereich der primitiven und kultivier ten Völker des Erdrundes, der Naturvölker wie der hohen Kulturen Asiens, der Neger, der Südsee insulaner, der Höhlenmalereien der Vorzeit, der schöpferischen Malereien der kleinen Kinder oller Rassen. Durch alle Weltkunst geistern die nicht menschlichen Bindungen der Magie, des Zaubers und der Bindung, die wir Religion nennen, bis zum Bewußtsein des christlichen Mysteriums. Aus diesem Chaos der verschiedenen Welterkenntnisse, deren schöpferische Erzeugnisse in ihrer Gewalt kaum ertragbar sind, hat die in dem ersten Vierteljahr hundert nach der Jahrhundertwende schaffende Gene ration das neue Bild der neuen Malerei schöpferisch vor uns hingestellt. Einer der Großen dieser entschei denden Generation ist Lyonel Feininger. Lyonel Feiningers Leben und Schaffen ist ein erschütterndes und beglückendes Beispiel von den

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