Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 4

•Vv -9^ 1 "i E. L. Kirchner, Berglandschaft bei Glarus der menschlichen Figur, bestimmt jedoch auch die neuen Darstellungen der Landschaft. So formen im Holzschnitt der „Berglandschaft bei Glarus" (1933; Abbildung siehe oben) die graphischen Elemente von Punkt, Linie und Fläche das gleichsam immaterielle Bild der Berge, Hütten und Tannen und lassen eine neue Verdichtung des Ausdrucks entstehen, der in sei ner Intensität an Landschaftsschnitte des Hokusai und Hiroshige erinnert. Im Farbholzschnitt des „Waldfried hofes" aus dem gleichen Jahr schaffen die Farben Blau und Grün mit eingebettetem Gelb eine vergleich bar starke Verinnerlichung des geschauten und emp fundenen Erlebnisses. Erst in solcher geistig geklärten Sicht konnte das letzte vollendete, große Gemälde „Die Hirten" von 1937 entstehen (Abb. 9). Noch einmal gestaltet Ernst Ludwig Kirchner dos Erlebnis von Mensch und Land schaft und sammelt darin die Summe der Erfahrungen seines ganzen schöpferischen Lebens. Es enthält die Frische und Lebendigkeit der Dresdner Arbeiten und die freudige Hingabe an die Natur aus der Zeit der Fehmarnaufenthalte, die Rückkehr in das Leben im be glückten Ergreifen der Schweizer Bergwelt, verdichtet in der Erkenntnis geklärter Form der letzten Schaf fensjahre. Seine Liebe zur Welt vermochte Ernst Lud wig Kirchner letztlich allein nur in seinen Werken zu zeigen und sie klingt in diesem letzten Bild noch ein mal in tiefer Leidenschaft und Innigkeit. Sie spricht in der derb fröhlichen Munterkeit der Kühe wie im stillen Blühen der Glockenblumen, im satten warmen Braun der Erde und im üppigen Grün von Wiese und Tan nen. Im gedämpften ruhigen Blau leuchtet der Him mel, zittert die lichte Wolke und erstrahlt dos Gebirge. Licht und Schatten formen die Ansicht zum Sinnbild des Lebens. Eingeordnet der Mensch — Teil des um gebenden Alls und doch voller Einsamkeit, einzig er löst im Geist, in Demut und Liebe zur Schöpfung. In diesem Bild begegnen sich Frömmigkeit deutscher Romantik im Sinne Caspar David Friedrichs mit der tiefen geläuterten Geistigkeit Hans von Marees.

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