Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 4

Beispiele). — Von solch einer romantisch-idealistischen Überforderung der Schöpfung ist Paul Klee weit ent fernt. Er weiß, wie nahe Ernst und Spiel beisammen sind („ZweihOgelstadt", Abb. in der Klee-Monographie von Grohmann) und kann so gegen Ende seines Lebens selbst dem Tod mit letzter Gelassenheit be gegnen, ohne seine Rätselhaftigkeit abschwächen zu wollen („Der Park und der Unbefugte"). — Wieder anders Jawlenski. Er sucht schon immer das Ewige und Unvergängliche, sei es im Antlitz des Menschen („Schöne Spanierin"), in der Landschaft („Berge bei Murnau", „Landschaft mit Regenbogen") oder im Stilleben („Früchte und Rote Blumen"). Von den Meistern der „Brücke" hat Dr. Fischer E. L. Kirchner bevorzugt gesammelt. Sechs Gemälde vergegenwärtigen die wichtigsten Stationen der Ent wicklung des Künstlers: „Friesisches Bauernhaus" (1906), „Straßenbild" (1909), „Wannsee-Bahnhof" (1915), „Reitschule" (1916; Abb. im neuen Kirchner-Band von Grohmann), „Selbstbildnis stehend" und „Heumäher" (1919). Man könnte an diesen Gemälden den ganzen Weg der deutschen Malerei dieser Zeit ablesen: vom Spätimpressionismus über den frühen Expressionismus der Vorkriegszeit bis zur formalen Verfestigung der zwanziger Jahre. Von den Aquarellen Kirchners in der Sammlung ist vielleicht das schönste die „Land schaft mit den gelben Wolken", die wir in diesem Heft abbilden (Abb. 8). Hier schließt sich ein Künstler an, der sich eine Zeit lang zur Brücke bekannt hat, dessen Kunst aber zu singulär ist, als daß er ohne weiteres zur „Brücke" gezählt werden könnte: Emil N o I d e. Von ihm fin den sich zwei prachtvolle Gemälde mit glühenden Farben in der Sammlung, die „Frau im Blumengarten" und die „Meereslandschaft am Abend". Kokosch kas „Stubenmädchen" wurde als eine der ersten Erwerbungen bereits genannt; hinzu kommen zwei schöne Aquarelle des Österreichers: „Savoyardenknabe" und „Krankes Mädchen". Vom dritten der großen Einzelnen, von Max Beckmann, über zeugen die „Fischküche" von 1936 und das „Kap St. Martin" von 1939 durch die Leuchtkraft und Hinter gründigkeit der Farbe. Noch wichtiger ist das 1944 entstandene Bild „Akademie II", in dem der Vorgang des Malens zum Sinnbild menschlicher Existenz über haupt wird, ein Thema, dos Beckmann immer wieder beschäftigt hat, vor allem auf den großen Triptychen seiner letzten Schaffensjahre, denen dieses Bild ver wandt ist. Die beiden Meister des Bauhauses, die im Hause Fischer besonders geliebt werden, Oskar Schlemmer und Lyonel Feininger, sind dem „Blauen Reiter" geistig verwandt. Hinter Schlemmer steht frei lich noch ein anderer Großer: Cezanne. Wie diesen beschäftigt ihn das Problem des Raumes im Bilde (unter Verzicht auf die Mittel der Perspektive), wie ihni beseelt ihn der Wunsch, seine Bilder zu „gebau ten" Bildern zu machen. Das beste Beispiel dafür in der Sammlung sind die „Fünf Männer im Raum", ein Hauptwerk des Meisters und der Sammlung (eine farbige Abbildung findet sich in dem Bande „German Art of the twentieth Century"). In der Farbe ist Schlemmer jedoch mehr dem „Blauen Reiter" ver wandt, was der „Knabe in Blau" veranschaulichen kann (Abb. 10); mit dem „Blauen Reiter" und mit Feininger verbindet ihn auch die Tendenz zum Sym bolischen. — Feiningers Aquarelle („Heiligenhafen", „Schiffe auf der Reede", „Ostseebucht", „Quimper") verraten äußerste Sensibilität. Mit letzter Konzentra tion wird hier der Ort der Kommunikation zwischen Subjekt und Objekt gesucht. Dabei drängt sich das Subjekt nicht vor, sondern ist demütig bereit für „das Offene". Noch stärker wird dos an den Gemälden deutlich, so etwa an der „Segelpyramide", einem wei teren Hauptwerk der Sammlung. Himmel, Segel und Meer sind verwandelt; geblieben sind das Oben und das Unten und das Licht, das von oben hereinbricht und sich doch zugleich zu einem Dreieck zusammen schließt, das auf der dunklen Basis festgefügt steht. „Ein Rätsel ist Reinentsprungenes." Hier ist zugleich die äußerste Annäherung an die Abstraktion erreicht, die innerhalb dieser Sammlung denkbar ist. Die absolut-abstrakte Kunst hat in ihr keinen Platz. Von Kandinsky ist nur ein frühes, noch andeutungsweise gegenständliches Aquarell aufge nommen, die „Verkündigung". Die Mondrian-Nachfolge fehlt. An der Grenze stehen Ida Kerkovius mit ihren schönen Wandteppichen und einer harmonischen „Komposition" und Max Ackermann, zu denen auch persönliche Beziehungen bestehen. Bisher haben wir uns nur an den Wänden umge sehen. An einem glücklichen Abend aber dürfen wir vielleicht auch in die Graphik-Sammlung Einblick nehmen. Hier dominieren eindeutig Kirchner, Nolde und Münch. Unter den Zeichnungen, Holzschnitten, Radierungen und Lithographien Kirchners sind solche von außerordentlicher Lebendigkeit (die Druckgraphik hat Kirchner ausnahmslos selbst abgezogen!). Glü hend sind die Farben und selbst das Schwarz der Holzschnitte hat eine außerordentliche Kraft. Einen Holzschnitt wie den „Junkerboden" würde ich per sönlich vielen Gemälden Kirchners vorziehen (wir bringen ihn auf Seite 13 dieses Heftes). — Neben dem nervösen Kirchner steht der erdgebundene Nolde, dessen wichtigste Lithographien und Holzschnitte sich in der Sammlung finden. Kirchner und Nolde sind nicht denkbar ohne Münch. Es ist ein besonderer Ruhmestitel der Sammlung, daß sie mehr an bedeutenden Munch-Graphiken birgt als irgendeine andere deutsche Privatsammlung: „Mäd chenkopf am Strande", „Gang zum Walde", „Eifer sucht", „Der Kuß", „Vampyr", „Die Sünde", „Strindberg im Cafe", „Loslösung", „Trost", „Sterbezimmer", „Krankenzimmer" (vgl. unsere Abb. auf Seite 1) um nur

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