Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 1

Josef Perndl, Linz Die Seminarkirche in Lin: Alle bedeutenden Barodcarchitekten Öster reichs bemühten sich intensiv um den im Grund- und Aufriß von der Rundung beherrsch ten Zentralraum. Mit gutem Empfinden wandten sie ihn aber nur dort an, wo er sachlich möglich ist: in Grabkapellen, Votiv- und Wallfahrts kirchen und in Gotteshäusern kleiner Ordens konvente. Johann Lukas v. Hildebrandt') hat mit der Klosterkirche in Gabel, der Piaristenund Peterskirche in Wien früh in die von Guarini herleitende Entwicklung eingegriffen. Die Seminarkirche in Linz, zwei Jahre nach der Wiener Karlskirche begonnen, war Hildebrandts letzter kurviger Kultbau und schloß die öster reichische Reihe ab. Diese blieb im Bereich des Plastischen, während sich im benachbarten süd deutschen Raum eine Umdeutung ins Malerische anbahnte und in immer neuen Kombinationen eine Durchdringung von Langbau und Zentral bau erfolgte, bis zum letzten Wagnis sphärischer Überschneidung durch den von Hildebrandt beeinflußten Job. Balthasar Neumann. Sakristei Grundriß der Seminarkirche in Linz nach Grünschitz, Hildebrandts Kirchenbauten Aus Mangel an Raum und Mitteln mußte Hildebrandt sich in Linz bescheiden. Im Grund riß bringt er eine vereinfachte Wiederholung ') Vgl. Bruno Grlmschitz, Johann Lucas v. Hildebrandts Kirchenbauten. Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. VI (1929), S. 205 ff. Ein Abriß ihrer Baugeschichfe (1718—1725) Dazu die Abbildungen 1—4 des Baukonzeptes der Wiener Peterskirche. In Anlage und Proportion ist sein oktogonaler Zentralbau in Göllersdorf, Niederösterreich, und in der Formung der eintürmigen Schauseite seine Kirchenfassade in Pottendorf, Niederöster reich, unmittelbare Vorstufe. Das Kuppel gewölbe findet in Konstruktion und Dekor sein Vorbild in der Einfahrtshalle des Palais Kinsky in Wien. Hildebrandt zeigt auch in der Semi narkirche die seinem großen Rivalen Fischer gegenüber gedrungenere, aber auch wärmere Art. Bewußter als jener zieht er das Ornament in sein Konzept, doch beruhigter und abgeklär ter als in früheren Bauten. Er wagte hier erst mals wieder im Kircheninnern den Stuck als Ersatz für die lauttönende illusionistische Deckenmalerei. So kam es zu einer neuen imd großartigen Einheit von Architektur und Deko ration, die aber viel vornehmer geriet als im carlonesken Stuckbarock. Die Art der Bauführung erfolgte so, daß Hildebrandt die Pläne für das Gesamt, aber auch für alle Einzelheiten selbst des Dekors entwarf, wohl auch ein BaumodelF) lieferte, während die Ausführimg dem Linzer Stadtbaumeister Johann Michael Prunner übertragen war. Hildebrandt behielt jedoch auch über die Ausführung die Oberaufsicht. Über die Erbauung hat 1896 Albert Hg') ein umfangreiches Quellenmaterial veröffentlicht. Doch unterliefen ihm Fehler in der Datierung und Zuschreibung, die teilweise noch in der neueren Literatur mitgeschleppt werden. Dies berechtigt zu einer neuerlichen Vorlage der Baugeschichte, die nun in einem Abriß folgt'). ') Der Hausmeister berichtet am 10. November 1718 über zwei Deutsch-Ordenshausmodelle, die er zugleich mit Kapellenrissen erhalten hat: „habe mein Tag nicht waß schener und accurater gesegen und daß alles so guet und zart ausgearweith ist". ') Albert Hg, Donners und Hildebrand's Wirken für den deutschen Ritterorden in Linz, Mitteilungen der kk. Central-Commission zur Erforschung der Kunst- und hist. Denkmale, Wien, 1896, S. 81 ff. ') Diese Arbeit wurde zur Feier des 150jährigen Bestehens des Priesterseminars am 6. November 1956 vorbereitet, kam aber aus technischen Grün den nicht zur Veröffentlichung. Soweit nicht anders vermerkt, dienen als Quelle die Bestände des Zen tralarchivs des Deutschen Ordens in Wien, Akten

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