Christliche Kunstblätter, 96. Jg., 1958, Heft 1

botenen Kunstwerke, zumal jener der karolinischen Epodie, und dem Niveau ihrer geschichtsphilosophischen Interpretation ist betrüblich. Die Bearbei ter des Katalogs — unter denen man übrigens die besten Kenner der böhmischen Malerei, vor allem Jaroslav Pegina vermißt — interpretieren die karolinische Kunst mit den Kategorien eines oberfläch lich fortschrittsgläubigen und nicht zuletzt auch na tionalistischen Geschichtsbildes. Die wundervollen böhmischen Gnadenbilder des 14. und 15. Jahrhun derts, in denen sich das Wesen der böhmischen Kunst und Volksseele wahrscheinlich reiner dar stellt als irgendwo sonst, sind für die Bearbeiter nicht mehr als ein „Anadironismus" in einer Land schaft „qui mettaient tout d'ardeur a decourvrir le monde materiel", dies, obwohl die karolinische Kunst am Vorabend der großen religiösen Reform bewegungen und Glaubenskämpfe entstand, die ge rade in Böhmen zuerst mit der Gewalt einer Ex plosion aufbrachen. Nicht die Errungenschaften der italienischen Malerei — die klare Raumbühne wird in Böhmen sogleich wieder zurückgebildet, am stärksten in den raumlosen Bilder Theoderichs — sind charakteristisch für die böhmische Malerei, sondern die außerordentliche visionäre Kraft und Vertiefung vor allem bei Meister Theoderich und dem großen „Wittingauer", denen wir ein neues Bild Christi verdanken, das an Tiefe und Vergeisti gung in der deutschen Kunst vielleicht nur noch von Grünewald übertroffen wurde. In der Einlei tung des Katalogs wird der historische Beitrag Böh mens zur Entwicklung des Frühhumanismus in Mit teleuropa hervorgehoben, mit Recht, denn wir ver danken ihr die ersten Bildnisse in der Malerei (Porträt Erzherzog Rudolfs des Stifters aus dem Theoderichkreis) und in der Plastik (Bildnisbüsten im Prager Domtriforium von Peter Parier), aber das geistige Haupt des Frühhumanismus in Böh men, den Schlesier Johannes von Neumarkt, Reichs kanzler Kaiser Karls IV. und Bischof von Olmütz, für den Hauptwerke der böhmischen Buchmalerei angefertigt wurden, sucht man zunächst im Katalog vergeblich, bis man dann dahinterkommt, daß „Jean de Streda" (gegen die bisherige wissenschaft liche Tradition auch in der tschechischen Literatur) damit gemeint ist. Peter Parier erscheint zwar ge legentlich als „Pierre Parier", aber bei den Ab güssen seiner Büsten aus dem Prager Domtriforium wurde er als Urheber nicht einmal erwähnt, weder im Katalog noch in der Ausstellung, so wenig wie man die älteste Ansicht Prags bezeichnete („Liber Chronicarum" von Hartmann Schedel, Nürnberg, 1493. Holzschnitte von Michael Wolgemut und Wil helm Pleydenwurff u. a.). Überhaupt hat die karo linische Kunst, die wie keine andere Epoche böh mischer Geschichte höfisch, übernational und uni versalistisch war, für die Bearbeiter des Katalogs „un caractere incontestablement national". Man identifizierte sie rundweg mit der tschechischen und die Kunst der Zipser deutschen Städte (auch den großartigen Schnitzer Paulus von Leutschau) mit der slowakischen. Die ältere Generation der tsche chischen Kunstwissenschaftler war darin anderer Meinung. Der Dvofäkschüler Antonin Matgjöek, dem wir das heute schon fast klassische Werk über die „Gotische Malerei in Böhmen" verdanken, sagt: „Zeitgenössische Schriftquellen, nämlich die (deutsch und lateinisch verfaßten) Aufzeichnungen und Re gister der Prager Malerinnung bezeugen, daß Künstler deutscher Herkunft ziemlich lange in der Überzahl waren." Niemand wird selbstverständlich leugnen, daß die karolinische Kunst in Böhmen auf weite Strecken „böhmisch" auch im kunstlandschaftlich-physiognomischen Sinne war, vor allem aber war sie abendländisch. Diesem Geist, der der älteren Generation tschechischer Kunsthistoriker noch selbstverständlich war, wenigstens in den ausgestellten Kunstwerken zu begegnen, das war das eigentlich Beglückende der Pariser Ausstellung. Erich Bachmann. BUCHBESPRECHUNGEN Zeitschriften und Kataloge Die „Gemeinschaft christlicher Künstler in der Erzdiözese Freiburg" hat ein Sonderheft 1957 her ausgebracht „Aus unserm Schaffen". Der Entwurf des Umschlags stammt von Roland Peter Litzenburger. Das einleitende Wort schrieb Geistlicher Beirat D. Binder. Weitere grundlegende Ausfüh rungen stammen von Oberbaurat Rolli, Richard Bellm u. a. Es ist ein guter Gedanke, gleich auf der dritten Seite auch die Namen jener Firmen anzu geben, die mitgeholfen haben, das teure Heft zu finanzieren, und auf der letzten Seite die Namen aller christlichen Künstler anzugeben, die genann ter Gemeinschaft im Erzbistum Freiburg im Breis gau angehören. Das Heft ist insofern eine erfreu liche Publikation, als es einen wirklichen Überblidc gibt über den Stand des künstlerischen Schaffens in einer namhaften und großen deutschen Diözese. Außer der kirchlichen Architektur nimmt vor allem auch das kirchliche Kunsthandwerk einen breiten Raum ein. Vorzüglich sind die sehr vielen Bild wiedergaben, die z. T. farbig sind. Das Heft ist zu beziehen zum Preis von DM 5.— durch den Vor stand. (Architekt Werner Groh, Karlsruhe, Klose straße 4.) Leonhard Küppers. Ausstellungskatalog zur Gedächtnisausstellung Emil Nolde, Haus der Kunst, München, DM 4.50. Ein umfangreicher und wertvoller Katalog be gleitet die große Emil-Nolde-Ausstellung, die ein erstrangiges Ereignis im Kulturleben der süddeut schen Metropole darstellt. — Den über 200 Abbil dungen, worunter 16 Farbtafeln sind, hat Alfred Hentzen ein kurzes biographisches, aber instruktiv sachliches Vorwort vorangestellt, worin in einigen markanten Formulierungen das völlig Originale der Noldeschen Bildsprache vermittelt wird. Als Heraus geber des Katalogs zeichnet der Kunstverein Hambm-g verantwortlich, unter dessen Regie in Zusam menarbeit mit der „Stiftung Seebüll Ada und EmU Nolde" die Ausstellung zuerst in der Hansestadt zu sehen war. Die Auswahl und Fülle der Abbildimgen vermit teln einen guten Überblick über die Entfaltung die ses unverwechselbaren Talents des deutschen Ex pressionismus, der doch an wahren Talenten wirk lich reich war. Am Beginn dieser Entwicklimg steht das große Bild der „Bergriesen" (1896/97), jene selt sam-groteske Personifikation der Natur, worin sich bereits der eigenwillige Hang zur dämonischen Ge staltung jener unter der Oberfläche des Sichtbaren

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2