Freilich wird heute in dieser Hinsicht der Geistlichkeit von damals vielleicht mit Unrecht der Vorwurf der Barbarei und Verständnislosigkeit gemacht. Es war nicht Unverstand, es war die Zeitströmung der Regotisierung, die mit dem Schlagwort „Gotische Einrichtung in die gotische Kirche" mit dem barocken Inventar aufräumte, im guten Glauben, etwas Verdienstvolles getan zu haben. Ein Faktor ist noch zu berücksichtigen, der in manchen Fällen einen bedeutenden Wechsel der Kircheneinrichtungen mit sich brachte: Das Streben, das Innere des Gotteshauses schöner, prunkvoller oder einheitlicher zu gestalten. So wurde 1712 der im Querschiff der Stiftskirche zu Kremsmünster stehende Stifteraltar abge tragen, die herrliche Platte des Hochgrabes, dar stellend den toten Gunter mit Eber und Hund aus der Zeit von zirka 1230, unter ein Gewölbe vor dem Hochaltar vermauert (1948 wieder ge hoben und als Hochgrab in der Stifterkapelle unter dem Südturm neu aufgestellt), das Gitter von Walz durch ein neues von V. Hofmann (1728) ersetzt, der Renaissance-Hochaltar kam nach Grünau, der plastische Schmuck der beiden abgetragenen Orgelchöre wanderte auf den Dachboden und wurde nach dem ersten Welt krieg verkauft. In Seitenstetten wurden Hoch altar und Kanzel durch neue ersetzt, die präch tige Renaissance-Kanzel, wohl die schönste Österreichs aus dieser Zeit, mit ihren mehr als 70 Figuren, Hermen und Köpfen, ziert noch heute die Wallfahrtskirche in Krennstetten. Wir bedauern heute sicherlich den Verlust der alten gotischen Einrichtungen, Kunstschätze und Figuren, über deren Schicksal wir nur spärliche oder keine Kunde haben, die durch Unverstand, Verkauf, Wurm, Feuer oder Kriegseinwirkung verloren gingen. Aber sehr viel, mehr, als viel leicht in weiten Kreisen bekannt ist, lagert noch immer unbeachtet, verstaubt, krassen Tempe raturunterschieden ausgesetzt, auf Dachböden der Kirchen und Pfarrhöfe, in Kammern und Nebenräumen. Diese noch vorhandenen, aber in ihrem Bestände bedrohten Figuren und Kult gegenstände zu retten und zu erhalten, sollen die folgenden Vorschläge gelten, deren Verwirk lichung, wie ich glaube, gar nicht so schwer wäre. Fürs erste muß bedauerlicherweise fest gestellt werden, daß immer noch in einer Reihe von Fällen Händler billig von Pfarrern oder Mesnern ehemalige Kultgegenstände käuflich erwerben, indem diese Antiquitätenhändler meist den Wert des betreffenden Stückes herab setzen. In solchen Fällen ist Vorsicht stets geboten und ohne Wissen und Verständigung der zuständigen Behörden (Ordinariat, Diözesankrmstrat!) sollte kein Verkauf oder Tausch ge stattet sein. Außer Gebrauch gesetzte kirchliche Denkmäler müssen in einem trockenen, gesicher ten Raum (nicht Dachboden oder feuchter Kammer) sorgfältig aufbewahrt werden, damit sie nicht abhanden kommen oder Schaden leiden. Können außer Gebrauch stehende Objekte an Ort und Stelle nicht in entsprechen der Weise aufbewahrt werden, sollen sie in das Diözesan-Museum kommen, als Depositum mit dem Vorbehalt des Eigentumsrechtes oder gegen entsprechendes Entgelt, je nachdem der betref fende Gegenstand für seine Kirche künftig noch Bedeutung behält oder nicht. Im DiözesanMuseum sollen ja möglichst geschlossene Ent wicklungsreihen der einzelnen kirchlichen Kunst- und Gebrauchsgegenstände zusammen kommen, damit die Theologen und der Diözesanklerus sowie die Künstler religiöser Kunstrich tung hinreichend Material für das Kunststudium vorfinden und entsprechende Anregung für eine gesunde Fortentwicklung kirchlicher Kunst schöpfen können. Anderseits gäbe es für die Gegenstände, wie Figuren, Leuchter, Ampeln u. a. m., die ein für allemal der Kirche und dem Gottesdienst geweiht wurden, eine schöne Möglichkeit, auch fernerhin noch kirchlichen Zwecken zu dienen: Wie wäre es, wenn in jeder Diözese einige ge eignete Orte bestimmt würden, etwa größere Pfarrhöfe, in denen aus dem betreffenden De kanate alle auf Dachböden lagernden oder sonst unbenutzten Kultgegenstände, mit dem Ver merk der betreffenden Pfarre, aus der sie stammen, und mit dem Vorbehalt des Eigen tumsrechtes von Organen des Ordinariates zu sammengetragen und unter fachmännischer Aufsicht vor weiterem Schaden bewahrt wür den? Es gibt in unseren Stadt- und Landkirchen oft so viel Kitsch und Gipsfiguren mindester Sorte. Wenn nun innerhalb dieses Depots die Pfarrer gegenseitig künstlerisch wertvolle Ge genstände tauschen oder geschnitzte Figuren an Stelle der Gipsfiguren für ihre Kirche käuf lich erwerben unid restaurieren könnten, ich glaube, es gäbe da viele Möglichkeiten, Kitsch und Gips durch wertvolle Kunst zu ersetzen und dem einst aus der Kirche verbannten Heiligen oder Kultgegenstand wieder jenen Platz einzu räumen, der ihm zur Ehre Gottes und zur Er bauung der Gläubigen gebührt. Wie freudig würde mancher Putto oder Engel adorierend den Altar umschweben wie einst! Auf alle Fälle aber wäre damit erreicht, daß die oft wertvollen Bestände ihrem ursprünglichen Zweck zuge führt oder zumindest fachgemäß konserviert würden. Wer eine Figur seinem Amtsbruder ohne Entgelt überläßt, dient damit Gott und der Kunst, wer sie für Entgelt weitergibt, nimmt
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