Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

in allem zutreffendes Bild hatten gewinnen können, von diesem Bruder der rheinischen Dome ist ein Bauteil wiedergeschenkt und wir sehen, daß der Dom an der Salzadi nicht minder prächtig gewesen sein dürfte als jene im We sten. Von wenig gestörtem Boden, den wir mit zu erfassen gehofft hatten, allerdings war nichts zu sehen. Immer dichter wurde das Netz der an gefahrenen Mauern, und als nun im Innern des Domes auch gegraben werden konnte, da zeich neten sich die ersten Umrisse der viel-schichtigen Baugeschichte ab. In Köln hat man vier zehn Bauperioden bis zu Tiefen von zehn Me tern unter dem Niveau des heutigen Domes auf decken können und — so scheint es — nicht sehr viel weniger wird aus dem Salzburger Boden zutage treten. Hermann Vetters und Gilbert Trathnigg übernahmen diese ver wickelte, verantwortungsvolle und äußerst langwierige Aufgabe. Wir nannten Köln und verwiesen (für die romanische Periode) auf die Bruderbauten am Rhein. Hatte das Grabungsergebnis in Bischofs hofen schon von wahrer Großzügigkeit an Bau gesinnung bei Bischof Virgil Kunde gegeben, so reden die Dimensionen der Ostmauer seines 774 geweihten Domes nun eine sehr vernehmliche Sprache. Für diese Frühzeit wird der Blick zum Rhein nicht genügen; um Vorbilder wird man schon sehr viel weiter nach Westen und Süden hin Ausschau halten müssen. Die Grabung in Salzburg ist noch lange nicht abgeschlossen. Und sie wieder ist nur ein Teil im vieljährigen Programm unserer österreichi schen Forschung. Wird aber dieses einmal wei ter fortgeschritten sein, dann wird man das Geschichtsbild der Frühzeit unserer Heimat ganz neu schreiben müssen. Es lohnt sich, von Aufgaben solcher Art mitgerissen zu sein! Keineswegs aber ist es abwegig, wenn sich gerade die Denkmalpflege mit solchen Pro blemen auseinandersetzt. Wir meinen damit nicht allein, daß die durch Grabungen freige legten Mauern im Sinne der Gesetze sofort imter Denkmalschutz stehen, also zu Objekten der Denkmalpflege werden. Immer wieder sei betont, daß es nicht ausschließlich, ja nicht ein mal vorwiegend um eine Hortung historischer Dokumente, um ein Horten steinerner Urkun den der Vergangenheit geht, sondern um das Schöne und Sinnvolle in unserem Leben, um Wert und Unwert der Gegenwart. Seit eh und je haben die Denkmalpfleger Österreichs das Doppelwort „Forschung und Erhaltung" als ihre Devise an die Spitze gestellt. Das aber hat seinen guten Grund: Die großen Denkmäler rund um uns werden nur so lange Sinn und Bestand unter kommenden Generationenhaben, als Menschen leben, welche um das Fortwirken der historischen Kräfte in der schöpferischen Tat der Gegenwart wissen. Eben das aber ist es auch, was nach den ältesten Zeugen der christ lichen Kultur in unserer Heimat forschen läßt. BUCHBESPRECHUNGEN Walter Erben: Marc Chagall. Prestel-Verlag, München, 1957, DM 28.50. „Alles in der Kunst muß aus der Bewegung un seres Blutes, unseres ganzen, auch imbewußten Seins kommen." Diese Worte Chagalls aus dem Jahre der Rückkehr nach Paris (1923) umschreiben mit der schönen Lauterkeit des persönlichen Be kenntnisses die künstlerische Intention dieses Ma lers, bei dem — wie wohl kaum bei einem an deren — Kunst und Leben jene unverwechselbare Einheit darstellen, in deren Licht das wahrhaft Mythische noch einmal echt, und nicht als „eine dem Leben fremde Vokabel" aufleuchtet. Walter Erben — als geistreicher Deuter des frühen Picasso bekannt — versteht es, in seinem vom Verlag groß zügig ausgestatteten Buch diese Nähe von Werk und Künstler bis zur letzten Seite hin spürbar blei ben zu lassen. Das Mittel hierzu ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: an zahlreichen Stellen überläßt er Chagall das Wort, als Biograph imd Interpret. Die wie ein Interview gehaltenen Besuche bei dem Maler, die zu Beginn und am Schluß geschildert werden, bilden den geschickt gezogenen Rahmen. Dazwischen spannt sich ein Leben in Bildern, ge malten imd erlebten, in jener für Chagall so cha rakteristischen gegenseitigen Durchdringung. Der Verfasser unternimmt eine Reihe von MotivInterpretationen, die in oft bestechender Formulie rung zu überzeugenden und bisher noch nicht er reichten Ergebnissen führen. Mit Recht wird dabei schon den Bildern der frühesten Jahre ein bedeu tender Platz eingeräumt, jenen Bildern mit ihren „das Leben mehr erleidenden als tätig bewältigen den Gestalten", die „dem Traum ihres Daseins" nachsinnen, wobei sich „verschiedene Erlebnisteile zu neuem Sinnzusammenhang" verbinden. — So wie die landschaftlichen und religiösen Gegeben heiten bei Chagall als bestimmende Faktoren bis heute ihr Gewicht haben, ebenso deutlich tritt die Kontinuität seiner Thematik hervor, die eigentlich von einer Entwicklimg im üblichen Sinne nicht sprechen läßt. Vielmehr ist es eine „Tendenz zu immer stärkerer poetischer Verdichtung." Der poetische Charakter der Chagallschen Bildwelt tritt besonders bei der Deutung von Raum und Zeit her vor, also bei jenen Elementen, die hier das Un logische schlechthin zu sein scheinen und oft fälsch lich als surreale Bestandteile interpretiert worden sind. (Tatsächlich war dieses Mißverständnis der Grund, weshalb der ahnungslose Russe bei seinem Wiedererscheinen in Paris von den Surrealisten als einer ihrer Vorkämpfer gefeiert wurde.) Chagalls 32

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