Dozent Dr. Franz von Juraschek (Wien), Landeskonservator für das Burgenland Älteste Kirchen erschließen sich der Forschung Befremdlich zumindest war es, was vor dem Kriege als das Wissen über die frühen Jahr hunderte in unserer Heimat galt. Scharen von Archäologen unter Leitung gut fundierter In stitutionen hatten, seit Generationen schon, den Boden durchwühlt und ein farbenprächtiges Bild der heidnisch-römischen Städtekultur im Räume von Noricum entrollt. Gerade noch, daß man sich des karitativen Wirkens jenes Einzel gänger-Mönches Severin erinnerte, mit dessen leuchtender Gestalt unter den Holzhütten fell bekleideter Barbaren die erste Geschichtsepoche in ein mystisches halbtausendjähriges Dunkel versunken sein sollte. Man sprach wohl — seit 50 Jahren schon — von „Kontinuität", vom Fortleben antiker Ein richtungen, antiker Kulturformen trotz des Ein bruchs der jungen Stämme imd ihrer abwei chenden, oft gegensätzlichen Lebensart. Zuerst als schrullig verlacht und leidenschaftlich be kämpft, erwuchs, was zunächst nur Hypothese der einzelnen war, heute zum Fundament unserer Forschung. Allerdings: Alle glauben heute an Kontinu ität; doch darüber, \5rie wir sie uns vorzustellen haben, gehen die Meinungen weit auseinander. Im Christentum etwa, was ist es, was wir zwi schen der ersten Bekehrung der Romanen und der zweiten nach 300 Jahren unter den Baiem als Kontinuität ansehen könnten? Oder gab es etwa eine solche gerade auf dem Sektor der Re ligion nicht? Nicht gerade ermutigend war, was uns die Archäologie darüber zu Tage gefördert hatte. Für Kärnten vor allem hat Altmeister Rudolf E g g e r eine lange Kette von frühchristlichen Kirchen in Fundamenten erweisen und freilegen können; fast alle liegen im freien Feld oder sind von Wald überwachsen; kaum daß irgendwo eine Siedlung an sie anknüpft. Nun, Kärnten ist Kolonialland; hier haben erst die Baiern ein Jahrhundert später die Sla wen bekehrt. Wichtiger wären uns Beispiele aus dem bairisdien Kerngebiet, dem Donau raum. Gerade dort aber versagten — bis vor zehn Jahren — die Denkmäler sowohl früh christlicher als auch frühbairisdier Zeit voll ständig; die Aussage einer Behelfskirche im spätantiken Castrum von Lauriacum bleibt zu mager. So war es verständlich, daß gerade in Linz schon damals Untersuchungen über Herzog Tassilo in einem Appell ausklangen, endlich mit Dazu die Abbildungen 37, 38 systematischer Grabung im bairisdien Kernland zu beginnen. Sieben Jahre später enthüllt sich in der glei chen Stadt hinter Vermauerungen der Gotik und des Barocks der überraschende Nischen raum einer Kirche aus den Letztjähren eben jenes Herzogs Tassilo, womit der Ruf nach Schließung einer allzu schmerzlichen Denk mälerlücke seine erste verheißungsvolle Erfül lung gefunden hat. Die Martinskirche auf dem Römerberg ist uns aber nicht nur das erste und in voller Höhe wiedererstandene Denkmal der versunkenen Agilolfinger-Baukunst; unter ihren Mauern haben sich prominente europäische Forscher zum Conseil Permanent der Inter nationalen Frühmittelalterforschung zusammen geschlossen; das soll unvergessen bleiben. Wenn auch der Beschluß, nun endlich mit systematischer Durdileuditung der fünfhundertj ährigen Dunkelepoche in unserer Heimat zu beginnen, noch nicht richtig verwirklicht wer den konnte, so reihte sich doch in den nächsten Jahren Erfolg an Erfolg. Bestätigten die Gra bungen bei der Karolingerkirche in Linz die Siedlungs- und Rechtskontinuität in unwider legbarer Schärfe, so gelang Franz Miltner auf dem Burgberg Lavant bei Lienz in Osttirol der Nachweis, daß die Baiern ihren Taufgottes dienst in der noch stehenden spätantiken Bischofskirche einzurichten vermochten: Das erste Beispiel echter Kult-Kontinuität in Öster reich! Wenig später zeigten die Ausgrabungen in der ausgedehnten Ruinenstätte in Kloster neuburg, daß selbst dort trotz Hunnen- und Avarensturm die wiederkehrenden Siedler im IX. Jahrhundert an frühchristliche Fundamente und Mauern anzuknüpfen vermochten. In Sankt Florian ist zwar noch nichts von einem Urkult, doch genügend über die Siedlungkontinuität gefunden worden, um die viel umstrittene Le gende dieses Heiligen in ein ganz neues Licht zu rücken; zumindest ein recht ausgedehntes, vermutlich aber auch repräsentatives Gebäude der Spätantike stand dort, wo sich heute die große Stiftskirche erhebt. Und wieder zur Frage der Kontinuität werden Forschungen an den „Georgenbergen" wichtig sein, von denen der eine, jener ober Micheldorf im Kremstale, von Hermann Vetters imtersudit werden konnte. Eine andere, nicht minder wichtige Aufgabe für unsere Forschung ist die Frage nach der Dichte imd Art der frühbairisdien Kirchen in 30
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