Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

Es ergibt sich nun folgendes Problem: die Barockisierung der Kapelle stellt an sich einen Denkmalwert dar und es ist die Frage, wie der wohl nicht erstklassige, aber doch interessante mittelalterliche Freskenbestand (gerade in Oberösterreidi gibt es, im Gegensatz zur Buch malerei, wenig erhaltene Beispiele aus dieser Zeit) in dem barock adaptierten Raum, ohne des sen Wirkung zu beeinträchtigen, zur Geltung ge bracht werden kann. Dies wird sich wohl nur mit einem felderartigen Herausisolieren des älteren Bestandes machen lassen und bei den Seiten altären wird man entweider an ihre Entfernung (es bliebe immer noch der Hochaltar in der ver hältnismäßig kleinen Kapelle) oder an die Sdiwenkbarmachung des linken Seitenaltares denken müssen. Die letztere Möglichkeit scheint die günstigere zu sein, weil die Abtragung von Altären meist deren Todesurteil bedeutet, da sie in der Regel keine anderweitige Verwendimg finden. Jenseits der Grenze des vom Standpunkt des Schauwertes aus Erträglichen und auch kunst geschichtlich Be'deutsamen, dürften die kürzlich freigelegten Fresken an der Nordwand der Pfarrkirche zu Rechberg (OÖ.) (Abb.34) liegen.Es handeltesich um Spurenvon figuralen und ornamentalenromanischenDar stellungen (in der unteren Reihe wahrsdieinlich Christus mit den Aposteln), deren Erhaltungs zustand jedoch so schlecht war, daß an ihre Kon servierung nicht mehr gedacht werden konnte, zumal ihnen ja infolge eben dieses desolaten Zustandes auch der kimstgesdiichtliche Dokumentarwert bereits streitig zu machen war. Immer hin hat die Aufdeckung dieser Gemälde zu einer Revision hinsichtlich der baugeschichtlichen Daten der Kirche geführt und das Langhaus, welches früher als nach dem gotischen Chor er richtet galt, in die Zeit um 1200 datiert. Man hat sich bei diesem Fall nach der genauen Auf nahme des Bestandes wieder zur Übertünchung der Freskenreste entschlossen. Zum Kapitel der Restaurierung von Fresken gehört auch die Instandsetzung barocker Ma lereien, welche ebenfalls kurz erwähnt werden soll. Es kommt seltener vor, daß barocke Ma lereien in erhaltenswertem Zustand freigelegt werden. Bei den Fresken hat das barockfeind liche 19. Jahrhundert größere Milde walten las sen als z. B. bei den Altarausstattungen: meist ließ man sie ohne Übertünchung. Der Denkmal pfleger hat im wesentlichen also mit der Pflege des Vorhandenen als Aufgabe zu rechnen. Hiebei muß festgehalten werden, daß die oft frag mentarisch erhaltenen mittelalterlichen Male reien in den nicht selten mehreren Bauepochen angehörerüden Räumen in erster Linie künst lerischen und dokumentarischen Wert als Ein zelwerke besitzen, was bei einer für einen ba rocken Raum hergestellten, selbst hochwertigen Barockmalerei nicht primär gesagt werden kann, weil hier die Konzeption des Gesamtkunstwer kes die lückenlose Einordnung in das Unisono verlangt^^). Dazu kommt noch, daß der barocken Illusionsmalerei der flächenhafte Charakter der mittelalterlichen Kunst mangelt und ihre Ge bilde Raumtiefe vorstellen. Große Fehlstellen werden hier also für dias ästhetische Gefühl des modernen Menschen weit weniger zu ertragen sein, und nicht zufällig sind gerade bei Werken dieses Stiles aus den Reihen der Gegner einer rein museal und archäologisch eingestellten Denkmalpflege die ersten Rufe nach der soge nannten gestaltenden Methode laut geworden. Diese moderne Methode, welche nicht mit den Stilintegrationen des 19. Jahrhimderts verwech selt werden sollte und vor allem bei der In standsetzung und Adaptierung von noch heute in Benützung stehenden Denkmalbauten und bei der Ortsbildpflege nicht umgangen wei^den kann, hat hier die breiteste Einbruchsfront in das Ge biet der seit zirka 50 Jahren bestehenden wis senschaftlichen Pflege von Wandgemälden ge funden. Gerade die Kriegsschäden haben neben den Zerstörungen, welche eine andersartige Einstel lung zum Barockkunstwerk und der Zahn der Zeit angerichtet haben, eine solche Tätigkeit forciert. Die gestaltenden Eingriffe bestehen in der weitgehenderen Ergänzung oder — wenn sie zu groß sind — vollkommenen Neuaus malung von Fehlstellen. Natürlich darf auch hier nicht generalisierend vorgegangen werden und der Denkroalnfleger wird die Bedingungen iedes einzelnen Falles individuell orüfen^^). Einen Sonderfall bildet die Rekonstruktion zer störter Fresken, welche man vor allem 'dann in Erwägung ziehen wird, wenn noch Reste des wertvollen Altbestandes vorhanden sind und eine genaue Dokumentation (photographische Aufnahmen, Entwürfe, Kopien usw.) über den Altbestand vorliegt. Als besonderes kirchliches Beispiel sei hier St. Jakob in Innsbruck genannt^^). Vgl. hiezu N. Wibiral, Engelszell und der snätbarocke Sakralbau im Innviertel, in Oberösterr. Heimatblätter 10, 1956, Heft 3/4, bes. p.44f. Walter Frodl, Grundsätze der Denkmalpflege, in Oberösterr. Heimatblätter 10, 1956, Heft 3/4, p.5fE. Johanna Gritsch, Die Wiederherstellung der Asamfresken in der Pfarrkirche St. Jakob zu Inns bruck, in österr. Zeitschrift für Kunst und Denk malpflege VI, 1952, p. 118—127. 29

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