Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

bemalten Flächen um eine Spur tiefer gesetzt und in einem leichtbewegten indifferenten Ton so neutralisiert, daß ihre Störfunktion bei dem Zusammensehen des Ganzen möglichst zurück gedrängt wird. Eine freudige Überraschung erbrachte das Eintreiben von Tastlöchern in die barocken Verstärkungsmauern des Raumes (1957)®). Sie führten zur Freilegung relativ sehr gut erhal tener, ebenfalls romanischer Fresken und be weisen, daß wohl der ganze Westchorraum ursprünglich ausgemalt gewesen ist und sich in drei Arkaden mit erhöhtem Mittelbogen zum Langhaus der Kirche öffnete. Noch ist derzeit nicht abzusehen, wieviel vom Altbestand erhal ten und welche Gegenstände dargestellt sind. Immerhin zeigen die Proben (Abb. 30), daß mit einer reicheren Ausbeute zu redinen ist. Wahr scheinlich sind die Fresken gleichzeitig mit denen der Gewölbe anläßlich einer ziemlich einheitlichen Ausmalung des gesamten Raumes Ende des 11. Jahrhunderts entstanden und wä ren somit nach dem heutigen Stande die ältesten hochromanischen Malereien Österreichs. Es ist klar, daß die Denkmalpflege im Einvernehmen mit der Stiftsvorstehung beabsichtigt, den kost baren Bestand hinter den Mauern ganz hervor zuholen und den derzeit keine kultische Funk tion besitzenden Raum wieder würdig zu ge stalten — ein Vorhaben, das viele statische und finanzielle Probleme aufgeben wird. Der interessante und reiche Freskenfund in der Filialkirche zu Oberzeiring in der Steiermark"^) (Abb. 31) ist in einem Raum ge macht worden, der in seiner mittelalterlichen architektonischen Struktur im wesentlichen noch erhalten ist. Das Kirchenschiff, in wel chem die unter einer Kalktünche gelegenen Malereien freigelegt und 1955/56 konserviert wurden, ist noch romanisch, wenngleich es durch die Entfernung der ursprünglich vorhanden ge wesenen Flachdecke und Einziehung von Flach gewölben 1832 gelitten hat. Diese Veränderung beeinträchtigt natürlich Raum imd Fresken zyklus, stellenweise schneiden die Gurtbögen sogar direkt in die Malerei ein. Die einzelnen Bildfelder sind weder nach einem geschlossenen ikonographisdhen Programm geordnet, noch zeigt der derzeitige Gesamtzustand gegenseitige Abstimmung von Architektur und Malerei. Aber diese Unregelmäßigkeiten sind es viel leicht gerade, welche dem Raum des länd lichen Heiligtums und seinen Fresken, die ein interessantes Dokument der Obermurtaler Malerwerkstatt der Mitte des 14. Jahrhunderts darstellen, einen unmittelbaren und intimen Reiz verleihen. Ein lehrreiches Beispiel für die Aufdeckung spätgotischer Gewölbedekorationen bietet die Pfarrkirche zu Eggeisberg (Innvier tel) (Abb. 32), welche in der ersteh Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut worden isft Hier fand man 1957 unter einer modernen Bemalung (1907/9) eine reiche Ranken- und Blütenorna mentik, welcher natürlich das moderne Mach werk geopfert worden ist®). Das Langhaus und vor allem der Chor erstrahlen nunmehr in ihrem ursprünglichen Kleid. Bei solchen deko rativen Beständen wird die Wahrung des Ge samtzusammenhanges eine Rolle spielen, d. h. daß hier nicht rein konservierend verfahren wird und daß störende Fehlstellen geschlossen werden können. Falls vom AMbestand so wenig vorhanden ist, daß die Ergänzungen überhand nehmen, wird es sich empfehlen, die Deko rationen wieder zu übertünchen, weil dann an Stelle der Restaurierung die partielle Neumalimg träte, die sich von denkmalpflegerischen Maximen bereits zu weit entfernt. Sehr selten entschließt sich der Denkmal pfleger zu einer Übertragung von Fresken; weiß er doch, daß hiemit ein schwerwiegender Ein griff in das geschichtlich gewordene Erschei nungsbild eines Kunstwerkes oder Ensembles von Kunstwerken geschieht. Es können jedoch Gründe eintreten, die eine Rettung der Malerei nur bei Entfernung von ihrem ursprüng lichen Entstehungsort gewährleisten oder aber es kann diese Maßnahme der einzig mögliche Weg zur Zugänglichmachung eines Kunstwerkes sein. Ein Beispiel für letztere Situation bietet die gotische Apsisdekoration der Leonhards kirche inNauders (Tirol)®), welche ab genommen werden mußte, um die darunter liegenden romanischen Fresken des 12. Jahr- ®) Vgl. Norbert Wibiral, Neue romanische Fresken funde im Läuthaus der Stiftskirche zu Lambach, in Linzer Kirchenblatt 1957/35, 13. Jg. v. 1. 9. 1957. Vgl. Ulrich Ocherbauer, Der Freskenzyklus in der Knappenkirche zu Oberzeiring, in Österr. Zeit schrift für Kunst und Denkmalpflege, 1957, Heft 3, p. 62 ff. ®) Ähnliches Muster in der Stadtpfarrkirche Sankt Magdalena in Völkermarkt; vgl. Siegfried Hart wagner, Denkmalpflegearbeiten in Kärnten, in ÖZKD VII, 1953, p. 75, Abb. 90. Ferner gehört in diesen Zusammenhang die Freilegung der 1483 da tierten Gewölbedekoration im Langhaus der Pfarr kirche Maria am Waasen in Leoben; vgl. W. Frodl, Denkmalpflege-Arbeiten in Steiermark, ebda., VII, 1953, p. 43; besonders sei jedoch auf die Ran kenornamente im spätgotischen Netzrippengewölbe der Pfarrkirche von Mondsee hingewiesen, welche 1953 freigelegt und restauriert worden sind; vgl. Gertrude Tripp, Die Restaurierung der Stiftskirche von Mondsee, in Oberösterr. Heimatblätter 10, 1956, Heft 3/4, bes. p. 37. ®) Oswald Trapp, die neu aufgedeckten Wand malereien in der Leonhardskapelle in Nauders, in ÖZKD VII, 1953, p. 33—38. 27

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