tragfähige Basis zu finden. Immerhin kann ge sagt werden, daß ein gewisser Consensus bezüg lich der künstlerischen Gipfelleistungen bei den sich mit der Materie intensiv befassenden Men schen besteht. Werke von rein kunstgeschicht lichem Wert brauchen dagegen nicht immer audi künstlerische Hochleistungen zu sein: wir denken dabei an zeitliche und räumliche Enkla ven in der Kunstgeschichte, die infolge des nur spärlich vorhandenen Materials noch relativ wenig durchforscht sind; dort ist natürlich jeder neue Fund kunsthistorisch bedeutsam und wertvoll, weil er uns die Möglichkeit gibt, xmser Wissen um die Stilentfaltung in dieser „dunk len Zeit" zu vervollständigen. An solchen Stel len muß besonders von Dokumenten ge sprochen werden. So gibt es auch rein histo rische oder kulturgeschichtliche Dokumente in Wandmalereien, die besonderen Erinnerungs oder Seltenheitswert haben können; allerdings stehen solche Erscheinungen vereinzelt und be reits außerhalb des eigentlichen Kunstwertes. Diese kurze Aufzählung soll bloß andeuten, wie vielfältig das Gebiet des vom Denkmal pfleger zu Berücksichtigenden ist und zeigt, wie sehr die kunstgeschichtliche Fach ausbildung zur Beurteilung der jeweils auftretenden Sadiverhalte notwendig ist. Die Denkmalpflege ist eine noch junge Wis senschaft. Die Erfahrung spielt daher — ganz abgesehen von der technischen Bewältigung der Probleme, auf welche hier nicht eingegangen werden kann^) — eine große Rolle. Die Zeit liegt gar nicht weit zurück, wo z. B. der Begriff des Originalwertes in unserer Disziplin noch gar keine Rolle spielte und man den Altbestand bei der Restaurierimg auf die damals herrschende idealtypische Vorstellung vom Stil hin unbe denklich modifiziert hat. Kaum ein Beispiel ist lehrreicher für die Wandlung, welche die Auffassung über „rich tige Restaurierung" erfahren hat, als der wich tige, hodiromanisdie Bestand in der Johan neskapelle zu Pürgg in der Steiermark (Abb. 28). 1870 entdeckte man die Malereien, 1893/94 wurden sie „. . . unter kräftiger Ergän zung der unterbrochenen Umrisse und Neu belebung der Farbflächen . . . restauriert"^), d. h. daß die „stilgerechte" ja „stilverbessernde" Re stauriermethode des historisierenden 19. Jahr hunderts zur gänzlichen Übermalung des Alt- ®) Diesbezüglich wird neben der reichen Spezialliteratur auf den in dieser Zeitschrift, 1956, 94. Jahr, H. 2, erschienenen Aufsatz von Josef Zykan: Allge meine Gedanken über Denkmalpflege an kirchlichen Baudenkmalen, hingewiesen. *) Johann Graus, Romanische Wandmalereien zu Pürgg und Hartberg, in Mitteil, der kk. CentralCommission XXVlll, Neue Folge, 1902, p. 78 ff. bestandes in fetter Kaseintempera geführt hat. Das fremde Material blätterte bald ab und riß dabei Teile der alten Malschicht mit sich. Es ist mit dieser unsachgemäßen Methode also zweier lei Unheil angerichtet worden: das ursprüng liche Erscheinungsbild wurde verdeckt und die Substanz der originalen Malerei teilweise ver nichtet. Die mit Unterbrechungen von 1939 bis 1948 durchgeführte Abdeckung der Über malung®) zeigte, wieviel von den Restauratoren hinzugedichtet worden war. Die Denkmalpflege hat mit diesem Akt der „Entrestaurierung" ein in der künstlerischen Qualität den berühmten Nonnberger Fresken zwar nachstehendes, trotz dem aber sehr bedeutendes Werk des salzbur gischen Kunstkreises um 1200 gerettet. Es ist klar, daß man hier nicht wieder in den alten Fehler des Ergänzens fiel. Ein Werk ersten Ranges sowohl hinsichtlich der künstlerischen als auch in bezug auf die kunstgeschichtliche Qualität stellen die Fresken im sogenannten Läuthaus der Stiftskirche von Lambach (Ober österreich) dar. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um den Westchorraum des romanischen Vorgängerbaues, der mit dem unteren Teil der Türme vom ältesten Bestand übriggeblieben ist. Nach Aufgabe des Chores (wahrscheinlich 15. Jahrhundert) verwendete man den Raum als Läuthaus und später auch zur Aufstellung des Gebläses für die barocke Orgel und verdeckte die kostbaren Gemälde mit Tünche (Gewölbe) und mit Futtermauern (1639 anläßlich der Turmerhöhung). 1868 sind die Gewölbemalereien (Abb. 29) wie der freigelegt worden. Leider hat man hier schon früher beim Einziehen der Glockenstriche Löcher in die Kappen geschlagen, so daß zu den sich mit der Zeit bildenden Haarrissen noch große Fehlstellen in den Fresken entstanden. Außerdem konnten Stichstoffverbindungen von oben in den Raum eindringen, die zu einer erst 1956 entfernten Gips- und Salpeterschleierbil dung führten. Der Restaurator (Prof. Dr. Wal liser) ist hier natürlich rein konservierend ver fahren und hat bei den kleinen Fehlstellen (Haarrisse und abgefallene Stücke) nur dort, wo sie stark störten, eine bloß farbige Schlie ßung in einem Lokalton vorgenommen, der gegenüber dem Originalbestand heller gehalten ist. Von jeder flguralen Ergänzung wurde Ab stand genommen und die großen Fehlstellen wurden im Hinblich auf den außerordentlichen Wert des Originalbestandes als solche belassen: ihr feinerer Neuverputz wurde gegenüber den ®) Walter Frodl, Die romanischen Wandgemälde in Pürgg nach der Entrestaurierung, in österr. Zeit schrift für Denkmalpflege 11, 1948, p. 147—163. 26
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