Dom in Speyer, der im Laufe der Jahrhunderte so schwere Schäden erlitten und Veränderungen durchgemacht hat, die Wiederherstellung der ursprünglichen Erscheinung versucht wird. Es ist selbstverständlich, daß ein solches Zu rückgreifen auf frühere Zustände nur gerecht fertigt ist, wenn der letzte Zustand nicht befrie digt. Wenn etwa wie in Hall in Tirol (Abb. 23) ein mittelalterlicher Raum in barocker Zeit durch bedeutende Fresken geschmückt wurde, verdient der gewordene Zustand jedenfalls den Vorzug. Die Behandlung barocker Innenräume richtet sich vollkommen nach der Wesensart und der Stilstufe jedes einzelnen Kunstwerkes. Es ist bekannt, daß sich das 17. Jahrhundert in der Farbigkeit mitunter starke Beschränkung auf erlegte. Kirchenräume dieser Zeit wirken auch tatsächlich am erhabensten, wenn von jeder schmückenden Farbigkeit Abstand genommen wird. Das Weiß dieser Räume war manchmal gegen ein helles Silbergrau gebrochen, wobei es vorkam, daß die Tiefen der Stuckornamente durch Beimischung von Holzkohlenstaub dunkel gehalten wurden. Der Stuck hatte häufig einen Naturton, die Wände waren nicht gemalt, son dern geglättet. Die Schwierigkeit der Instand setzung solcher Räume besteht meistens darin, daß es überaus schwer ist, eine ursprüngliche „Glätte" vollkommen freizulegen, und daß die Erscheinung dieser „Glätte" durch Bemalung nie erreicht werden kann. Die Polierung der Kalklasur mit Leder bringt manchmal einen Glanz hervor, der sich der originalen Erschei nung annähert. Besonders abstoßend war die Bemalung mit Leimfarben, welche bis etwa 1938 in unverant wortlicher Weise immer wieder von Handwer kern ausgeführt worden ist, eine Technik, die in Kirchenräumen von relativ geringer Haltbarkeit sein muß. Gegenwärtig scheint es Mode zu wer den, die Innenräume mit sogenannter „Disper sionsfarbe" unter Verwendimg von Polyvinylazetaten zu malen, ein Vorgang, von dem man sich große Haltbarkeit verspricht, der aber der Mauer keineswegs jenen kristallenen Glanz gibt, den ein geglätteter Kalkputz oder auch nur eine polierte Kalklasür aufweist. Die Reste der Dispersionsfarben sind außerdem noch schwie riger zu entfernen als die von Kalkfarbe. Die Farbgebung von Räumen aus dem 18. Jahrhundert ist mitunter so fein nuanciert, daß allgemeine Angaben nicht nützlich sein können. Ein genaues Studium des ersten Be- . Standes bringt oftmals die Kenntnis von wah ren Musterleistungen der Polychromierung. Das Rokoko liebte zarte komplementäre Farben. Wie weit die Farbigkeit des Rokoko etwa in Kunst marmor verfeinert werden konnte, ist an Bei spielen wie an der Wieskirche im Pfaffenwinkel oder an der Bibliothek von Josef Muggenast in Stift Altenburg zu ersehen. Die Farbigkeit eines Raumes besteht in dieser späten Zeit nicht so sehr in den Lokalfarben der Wand, sondern vielmehr in der farbigen At mosphäre, die dem Raum als solchen durch Refiexe gegeben wird. (Abb. 25, 26.) Es muß daher alles vermieden werden, was diese Farbstim mung stören kann, wie etwa die Veränderung der farbigen Wirkung der Fenster. Barocke Räume verlangen fast durchwegs weißes Glas, wenn von den wenigen Fällen abgesehen wer den soll, wo stark gelbe Scheiben hinter pla stischen Glorien als besonderes Motiv verwen det werden. Die Stiftung moderner Glasgemälde in barocken Räumen kommt meist einer Zer störung der barocken Lichtwirkung gleich. Die zurückhaltende Farbigkeit gotischer Räume ver langte nach den passenden Glasgemälden. Wo solche verloren sind, kann, wie dies in Frank reich häufig geübt wird, der Farbakkord durch neue Fenster wiederhergestelltwerden. Späte gotische Bauten um 1500 hatten vielfach schon einfarbiges Licht durch weiße (kühle) Butzen scheiben. Die Verglasung in hellen farbigen Tönen, wie dies in St. Stephan in Wien der Fall war, stellte eine Notlösung dar, die um 1948 ge wählt werden mußte, weil anderes Glas nicht vorhanden war; eine Notlösung, die nicht als Definitivum gedacht ist. Zur fälschlichen Be zeichnung „Kathedralglas" ist zu sagen, daß sich dieses Material eher für Badezimmer als für Kathedralen eignet. Auch die Auswahl des Antikglases, welches an und für sich das rich tige Material ist, bedarf starker kritischer Ein stellung. Daß selbst gut komponierte moderne Glasgemälde so wenig befriedigen, liegt manch mal an dem geringen Adel des heutigen indu striell erzeugten Materials. Für die Farbigkeit des Raumes ist auch der richtige Bodenbelag maßgebend. Die Wahl des Materials war einst eine wichtige architek tonische Einzelheit, ob keramische Fliesen, Zie gel, verschiedenfarbige Marmorsorten, Kehlheimer Platten, im Verband oder in diagonaler Verlegung, verwendet wurden, jede Einzelheit war genau auf den Raum abgestimmt. Wenn im vorigen Jahrhundert manche Räume, wie etwa der Kreuzgang von Heiligenkreuz durch Klinker verunstaltet wurden, so herrscht heute die Sucht, durch Terrazzoboden oder Kunst steinplatten die Kirchenräume wie die Gänge einer Klinik leicht reinigungsfähig zu machen, wodurch dem Raum jede Würde und einheit liche Wirkung genommen wird. Es ist unver ständlich, wenn etwa im Waldviertel mit seinem reichen Granitvorkommen geschliffene Ter razzoböden angefertigt werden. 23
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