Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

gewöhnlicher Maurerpolier die Gewölbe der durch Bombeneinwirkung zertrümmerten Kup pel der neuzeitlichen Antonskirche in Wien X in kürzester Zeit mit den einfachsten hand werklichen Mitteln wieder in Ordnung brachte, während die modernen, technischen Mittel voll kommen versagt hatten. Das heißt keineswegs, daß solche moderne Mittel in allen Fällen ver mieden werden sollen. Es sei in diesem Zusam menhang an die Assanierungsarbeiten an der romanischen Rundkirche in Petronell erinnert, wo im großen Ausmaß Injektionen von Zement mörtel in hohles Schalmauerwerk unter Druck vorgenommen worden sind. (Abb.18,19.) Hingegen erscheint der Einbau von Eisen in Archivolten, wie dies in einer ehemaligen Stiftskirche in Niederösterreich vorgenommen worden ist, vom Standpunkt einer sauberen technischen Denk malpflege als verfehlt. Als der große Meister der Assanierung von zerrüttetem Mauerwerk erscheint heute der italienische Architekt und Denkmalpfleger Fernando Forlati, dessen Unesco-Beridite über die Assanierung einer byzantinischen Kirche in Odirida als beispiel gebend erscheinen kann. Es ist vielfach auch interessant, Maßnahmen zur baulichen Assanie rung aus ältester Zeit zu studieren, wie dies Prof. Sekler von der Havard-Universität hin sichtlich der Hagia Sophia in Konstantinopel getan hat, an welchem Hauptwerk byzantini scher Kunst vielfach Instandsetzungsarbeiten im Laufe der Jahrhunderte vorgenommen wor den sind. Auf diesem technischen Gebiete konnten, wie gesagt, ebenfalls nur Andeutungen gemacht werden. Hier soll nun eine Reihe von Fragen zur Be sprechung kommen, die bei jeder Kirchenpflege und Instandsetzung auftauchen können, und deren richtige Lösung eine ästhetische Auswir kung hat. Bei allen Restaurierungen wird man sich die Frage zu stellen haben, ob das Bauwerk noch seine ursprüngliche Erscheinung aufweist, oder ob es ein Schicksal mitgemacht und im Laufe der Zeit eine veränderte Erscheinung bekom men hat. Beide Zustände können von großer künstlerischer Wirkung sein und erhaltenswert erscheinen. Wo tatsächlich eine ursprüngliche Wirkung vorliegt, sollte weder an der Substanz noch an ider Oberfläche eine Änderung vorge nommen werden. Die Frage, ob ein Bauwerk in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden kann, wenn es sich einmal verändert hat, muß immer sehr genau geprüft werden. Es ist gewiß nicht richtig, den alten Bauwerken eine ungewohnte, ihnen fremde Erscheimmg zu geben. Jede handwerkliche Technik entsprang bestimmten materiellen und geistigen Voraus setzungen. Es kommt der Zerstörung eines Kunstwerkes gleich, wenn nun etwa einer neuen Technik zuliebe die ursprüngliche oder überlieferte Erscheinung aufgegeben wird. Man soll tatsächlich auf ein altes Kleid keinen neuen Flicken geben. Moderne Verfahren des Verput zes, wie Terranova, sind, richtig angewendet, gewiß sehr haltbar, sie entsprechen in der Ge sinnung technischer Präzision aber nicht den Bauten des Mittelalters, sondern den Bauten unseres Jahrhunderts. Jede Epoche hatte eine reich differenzierte „Handschrift" in ihren Kunstwerken hinterlassen. Das Dokument würde seine Echtheit verlieren, wenn diese Einzelheiten wegfallen. Es ist mehr oder minder eine sehr neue Erkenntnis, wie wesentlich die Oberflächenwirkung für den Eindruck der Echt heit maßgebend ist. Der Eindruck unberührter Ursprünglichkeit ist von überragender Kostbar keit gegenüber dem Eindruck einer Neuwertig keit, wenn dieselbe noch so vollkommen ist. Jedes Bauwerk weist daher seine für die Ent stehungszeit typische Oberfläche auf. An der Steinbehandlung ist genau das Jahrhimdert zu erkennen, in welchem das Bauwerk errichtet worden ist. Das gleiche gilt vom Verputz. Es erscheint unmöglich, hier auf die unzähligen Varianten einzugehen, welche es im Laufe der Jahrhunderte bei der Behandlung der Ober fläche von Stein imd Putz gegeben hat. Der aufmerksame Beobachter wird jedoch bald den ästhetischen Reiz einer ursprünglichen Erschei nung erkennen und jeder Veränderung vor ziehen. Wo immer es möglich ist, soll daher eine rein pflegliche Behandlimg durchgeführt werden. Spätere Zustände können, wie gesagt, mehr oder minder gut sein und spiegeln das Schicksal wider, welches das Bauwerk mitgemacht hat. Die Rückführung auf eine ursprüngliche Er scheinung stößt sehr häuflg auf die Schwierig keit, daß die Veränderungen im Laufe der Zeit nur vorgenommen worden sind, um schwere Schäden an dem originalen Bestand zu ver decken. Bei der Wiederherstellung ursprüng licher Zustände muß daher sehr sorgfältig untersucht werden, ob ein solcher Vorgang mög lich ist. Jeder Denkmalpfleger erinnert sich an Mißerfolge in dieser Hinsicht, wenn z. B. die Quadern romanischer Türme freigelegt worden sind und sich im Laufe der Arbeit herausstellte, daß die oberen Partien nur mehr aus armseligen Bruchstein- oder Mischmauerwerk bestanden und schließlich die obersten Geschosse des Tur mes barockes Ziegelmauerwerk waren. (Abb. 20.) In solchen Fällen verdient die einheitliche künstlerische Wirkung des späteren Zustandes gewiß den Vorzug vor einer Präparierung ur sprünglicher Zustände an einzelnen Stellen. Es 21

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