Univ.-Prof. Dr. Otto Demus, Präsident des Bundesdenkmalamtes in Wien Zur kirchlichen Denkmalpflege Die Obsorge für die kirchlichen Denkmäler — Kirchenbauten, ihre Dekoration und Ein richtung — ist zahlen- und wertmäßig die her vorragendste Aufgabe der staatlichen Denkmal pflege, die es für ihre vornehmste Pflicht hält, die Zeugen religiöser Kunst der Vergangenheit nicht nur vor dem Verfall, sondern auch vor Verunstaltung zu bewahren imd dahin zu wir ken, daß die in ihnen liegenden künstlerischen und religiösen Werte möglichst rein und ein drucksvoll zur Geltung gebracht werden. Zu allen diesen Bestrebungen bedarf es sowohl einer tragfähigen rechtlichen als auch einer aus giebigen flnanziellen Grundlage. Die staatliche Denkmalpflege kann ihre Aufgaben nur erfül len, wenn ihr die in Verfassung und Gesetz gebung begründete Autorität auch von kirch licher Seite bereitwillig zugestanden wird — im Vertrauen darauf, daß der Denkmalpfleger den besten Willen und für seinen Beruf die beste Vorbereitung hat — und wenn die öffentliche Hand das Budget der Denkmalpflege so aus stattet, daß auch kostspieligere, pflegliche Arbeiten durchgeführt werden können. Im allgemeinen darf dankbar anerkannt wer den, daß die Zusammenarbeit mit den kirch lichen Stellen und Behörden sich meist in voller Harmonie abspielt; es gab und gibt aber doch auch Fälle, in denen dieses Zusammenwirken durch Mißverständnisse und mangelnde Ein sicht erschwert wird. An der Wurzel dieser Mißverständnisse liegt der von manchen kirch lichen Stellen oder Persönlichkeiten gehegte Argwohn, der Denkmalpfleger sei nur an der Erreichung seiner kunstgeschichtlichen und ästhetischen Ziele interessiert und kümmere sich nicht um die lebendige Funktion, die das Gotteshaus und seine Einrichtung im religiösen Leben zu erfüllen hätten. Das ist gewiß ein völlig unbegründeter Argwohn, schon einmal deshalb, weil künstlerische Wirkung und funk tioneile Brauchbarkeit ohnedies meist zusam mengehen. Trotzdem muß der Denkmalpfleger oft die Bemerkung hören, „die Kirche sei kein Museum". Ich glaube nicht, daß diese Verwechs lung in unserem Lande seit langem in irgend einem Fall erfolgt ist. Dem Denkmalpfleger ist der Unterschied sehr wohl bewußt, er ist aber der Überzeugung, daß das Schönste, Edelste, Wahrhafteste und Reinste, auch in der Form, für ein Gotteshaus gerade gut genug ist und daß man in einem solchen Bauwerk nichts ver fälschen, verwässern und modisch verschandeln dürfte, auch wenn eine solche Verschandelung einem (vielleicht sogar großen) Teil der Ge meinde im Augenblick gefallen sollte. Er wird es besonders schmerzlich empflnden, wenn ein edler, von der Frömmigkeit unserer Vorfahren geschaffener Kirchenraum mit Devotionalien kitsch angefüllt wird — ob es sich dabei um 7 veralteten Gips oder modisches Schmiedeeisen handelt, und er wird Einspruch erheben müs sen, wenn wertvollstes Kunstgut durch zwar gutgemeinte, aber technisch oder ästhetisch schlechte Restaurierungen oder Ergänzungen verfälscht oder gar vernichtet wird. Wenn etwa einem Seelsorger neu aufgedeckte Wandmale reien zu fragmentarisch erscheinen, dann ist es besser, sie abzunehmen oder wieder zu über tünchen, als sie zu ergänzen und damit zu ver fälschen — was auch bedeutet, sie absolut zu entwerten. In Ländern, in denen die religiöse Kunst vom Volk mehr geliebt und besser ver standen wird als in unserem — auch das muß einmal ausgesprochen werden — (in Italien zum Beispiel) hat man sich längst daran ge wöhnt, in fragmentarisch erhaltenen alten Wandmalereien etwa, ehrfurchtgebietende, durch lange gläubige Betrachtung geheiligte Zeugen einer in Kunst und Glauben gleich gro ßen Vorzeit zu sehen. Wird es auch bei uns einmal soweit kommen? Bis dahin ist es vor zuziehen, Fragmentarisches nicht aufzudecken oder wieder zu verdecken, keinesfalls aber es zu verfälschen. Im allgemeinen aber, wie gesagt, verstehen Seelsorger und Denkmalpfleger einander, wis sen, daß sie beide demselben Ziel zustreben. Damit der Denkmalpfleger aber auch tatkräf tige Hilfe leisten könne, muß ihm der Staat die Mittel dazu an die Hand geben. Wir sind zu frieden, wenn für die Erhaltung des verehrungs würdigsten und unersetzlichsten Kultur- und Kunstgutes, der religiösen Denkmale, ein klei ner Bruchteil dessen aufgewendet wird, was die öffentliche Hand für die Erhaltxmg und Unterstützung öffentlicher imd privater Thea ter, für Rundfunk, Fernsehen oder Sport aus wirft! Dieser Bruchteil sollte aber nicht gar zu klein sein, damit man unserer Zeit nicht einmal den schweren Vorwurf machen kann, wir hätten Bleibendes für Vergängliches drangegeben. 1
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