Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

Bestand — sonst eignet er sich nur zur Her stellung neuer und nicht zur Pflege alter Ein richtungsgegenstände. So sollte jeder Restaurator um den künstle rischen Reiz einer originalen Bemalung wissen, die er niemals aus Gewinnsucht oder Überheb lichkeit zerstören dürfte. Dies gilt schon bei so einfachen Dingen wie etwa bei der Marmorie rung barocker Holzaltäre, um vieles mehr bei Fassungen gotischer und barocker Plastiken. (Abb. 7, 8.) ! i Leider ist die Aufgabe des Restaurators nicht immer eindeutig durch Freilegung der origina len Fassung und deren Konservierung zu lösen, da jedes Kunstwerk einen ursprünglichen und einen gewordenen Zustand aufweisen kann. Dieser gewachsene Zustand — z. B. die barocke Fassung einer gotischen Holzplastik — darf nur dann aufgegeben werden, wenn die Gewähr besteht, daß die originale Erscheinung weitgehend vollständig ist, und durch deren Freilegxmg eine wirklich künstlerische Gesamt wirkung erzielt werden kann. Oft sind die Reste der ursprünglichen Fassung so fragmentarisch, daß sich ihre Aufded^ung geradezu verbietet. Hingegen können auch spätere Fassungen von wirklich künstlerischer Wirkung und überdies ein wesentlicher Bestandteil eines etwa später geschaffenen Altares geworden sein, mit dem sie eine neue künstlerische Einheit bilden. In diesem Falle wird man unbedingt auf der Be lassung des gewachsenen Zustandes bestehen. Auch wird der Denkmalpfleger heute für die Belassung des gewachsenen Zustandes dann eintreten, wenn etwa, wie im Falle des Kefermarkter Altares, genaue Anhaltspunkte für die ursprüngliche Erscheinung fehlen, die Restau rierung Adalbert Stifters aus der Mitte des 19. Jahrhunderts aber, mit ihren in neugotischen Formen gehaltenen Einzelheiten — insbeson dere Tabernakel und Predella — als wertvoll anerkannt wird^). Hingegen konnte bei der vor kurzem durch geführten Restaurierung des Pulkauer Altares die Entscheidung nur so lauten: Der künstle risch wertlose, die originalen Schnitzwerke und Gemälde entstellende Zusammenbau des vori gen Jahrhxmderts war aufzugeben und der vollständig rekonstruierbare originale Bestand des Altares war wieder herzustellen. (Abb. 9,10.) Die Bedenken, die von der heutigen Denkmal pflege gegen die Methode dieser Restaurienmg erhoben werden, stehen in diesem Zusammenhang nicht zur Diskussion: Adalbert Stifter betrachtete bekanntlich, von der Vorstellung her, daß die altdeutsche Schnitzkunst das blanke Holz zu einer edlen Wirkung bringen wollte, die unter einem weißen Überstrich vorhandene farbige Bemalung als spätere Verunstaltimg und ließ sie entfernen. Wie kirchliche Kunstwerke (Teile früherer Altäre) in dem Organismus eines Raumes wie der zur Wirkung gebracht werden können, zeigt ein Beispiel aus der Pfarrkirche zu St. Nikola in OberÖsterreich. (Abb. 11.) Gotische Holzreliefs und eine Madonnenstatue befanden sich getrennt an untergeordneten Plätzen der Kirche. Die durch mehrere Öl farbenanstriche entstellten Reliefs wurden nach der Freilegung ihrer originalen Fassung mit der Madonnenstatue zu einer Gruppe über einem neu geschaffenen Seitenaltar vereinigt, wobei von einer architektonischen Einbindung dieser Plastiken bewußt abgesehen wurde. Der gegenwärtig noch etwas zu fragmenta risch wirkende Eindruck der Gruppe soll da durch behoben werden, daß je zwei übereinan der angeordnete Reliefs durch eine einfache, schmale Rahmung verbunden werden. Unter Vergoldung und Farbe ist oft der weit fortgeschrittene Zustand der Zerstörung nicht erkennbar, der durch den Holzwurm (Anobium) verursacht wird. Gerade dieser Schädling ge fährdet heute sehr weitgehend mittelalterliche und barodce Holzplastik, die dadurch in ein überaus kritisches Stadium ihres Erhaltungs zustandes gelangt ist. Die Zerstörungen durch diesen Käfer sind zunächst bei „gefaßten" Plastiken nicht im vol len Umfang erkennbar, weil das Zerstörimgswerk naturgemäß von der ungefaßten, daher auch ungeschützten Rückseite her erfolgt und der Kreidegrund der Fassung eine weitgehend zerstörte Holzsubstanz noch zusammenhält. Da zu kommt, daß die schlecht sichtbaren oberen Teile der Altäre und Kanzeln, der Orgelaufbau ten imd Bilderrahmen etc. am stärksten be fallen werden. Auswürfe von frischem Holz mehl sind ein imtrügliches Alarmzeichen und zeigen an, daß die Schädlinge am Werke sind. Aus der Restaurierungsgeschichte des schon in anderem Zusammenhang besprochenen Kefermarkter Altares können wir z. B. auch ersehen, wie viele verschiedenartige Maßnah men seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts erfolglos zur Bekämpfung des Holzwurms an gewendet worden sind. Schließlich hat die im Jahre 1934 vorgenommene Blausäurevergasung den erstrebten Zweck erreicht. Inzwischen sind in den letzten Jahrzehnten Präparate entwickelt worden, die im Injektions und Einstreichverfahren angewendet, einen neuerlichen Befall verhindern, was durch die Vergasung mit Blausäure allein nicht bewirkt werden kann. Schießlich wird heute die Be handlung noch durch eine Verfestigung des zerstörten Holzes durch Tränkung mit Schellack oder Kunstharz ergänzt. (Vgl. den Bericht von Landeskonservator Dr. S. Hartwagner über die 16

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