Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

Im Jahre 1809 als Militärmagazin entwür digend verwendet und der Einriditimg, mit Ausnahme des Hochaltars, beraubt, konnte das arg mitgenommene Baudenkmal schließlich 1812 doch wieder zum gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt werden. Die Übergabe der Kirche an den Redemptoristenorden im Jahre 1820 führte zu einer Erneuerung des religiösen Lebens in diesem Gotteshaus, welche Hand in Hand ging mit dem Versuch nach künstlerischer imd gei stiger Wiedererweckung des Mittelalters. Aus dieser Geisteshaltung heraus erhielt »die Kirche als eine der ersten Wiens eine neue Ausstattimg in gotischen Stilformen. (Abb. 3.) Kurz bevor der neue Hochaltar im Jahre 1846 aufgestellt wurde, hat Rudolf v. Alt ein Aqua rell geschaffen, das uns den Innenraum mit dem barocken Hochaltar vor Augen führt. (Abb. 4.) Dieser Altar, ein offensichtlich großes Kunst werk, fiel dem Streben der Romantik nach Stil reinheit zum Opfer und wir bedauern heute diesen Verlust, wenn wir auch nicht übersehen, daß der neue Hochaltar in seiner Art ebenfalls ein Werk von großer künstlerischer Qualität ist. Seine Bedeutung beruht hauptsächlich auf der maßstäblich richtigen und taktvollen Einfügung in den Chorraum. Dagegen empfinden wir die etwa gleichzeitig — nach 1820 — geschaffene Kanzel als künst lerisch unbedeutend und störendes Möbelstück. Immerhin bildet auch sie einen Teil der Gesamt ausstattung und ihre Entfernung wird deshalb von der Denkmalpflege nicht vertreten. Für den Klerus kann als weitere Erwägung für die Be lassung maßgebend sein, daß von dieser Kanzel der Erneuerer des katholischen Lebens in Wien, Clemens Maria Hofbauer, gepredigt hat. In Parenthese sei bemerkt, daß heute oft der Wunsch nach Rekonstruktion eines früheren, barocken Zustandes auftritt. Vor den Gefahren solcher Rekonstruktionen sei hier gewarnt, denn auch wir sehen das barocke Original nur durch die Augen unserer Zeit. Deshalb wäre es falsch, etwa eine Wiederherstellung des barocken Altares von Maria Stiegen in Erwägung zu ziehen, für uns muß bereits wieder die Schöp fung der Romantik als Kunstwerk und Kultur dokument historisch wertvoll sein. Dagegen sprachen für die Entfernung des neugotischen Altares im Chor der Pfarrkirche von Pierbach in Oberösterreich sehr gewichtige Gründe. Der neugotische Altar nahm in seiner Gesamt form keinerlei Rücksicht auf den gotischen Chorraum und störte durch seine harte Umriß linie, besonders aber durch den oberen Ab schluß, bei welchem die Horizontale betont war. Plastiken und Einzelheiten waren künstlerisch vollkommen wertlos. (Abb. 5.) Über Initiative des Pfarrherrn konnte eine schöne barocke Kreuzigungsgruppe aus der Glanzzeit oberösterreichischer Schnitzkunst für die Kirche erworben werden, die in Gefahr war, in einer Wegkapelle zugrunde zu gehen. Diese Gruppe bildet nun als Bekrönung des Hoch altars zweifellos eine Bereicherung des gotischen Chorraumes. Altartisch und Predella mußten neu gestaltet werden. (Abb. 6.) Wenn im Folgenden einige weitere Richt linien beispielhaft besprochen werden sollen, die sich bei der Frage der Behandlung der Kircheneinrichtung immer wieder ergeben, so muß gleich darauf hingewiesen werden, daß da mit natürlich nicht ein vollständiges Kompen dium der Denkmalpfiege gegeben werden kann. Ist auch eine gänzliche Zerstörung wertvoller Kunstbestände aus Unkenntnis selten geworden, so besteht immer noch die außerordentliche Gefahr, daß durch unsachgemäße Restaurierung größter Schaden angerichtet wird. Aus dieser Erkenntnis wird immer mehr Wert auf eine fachlich einwandfreie Ausbildung von Restauratoren und die Bestätigung ihrer Kennt nisse durch eine Prüfung gelegt. An der Lehrkanzel für Konservierung und Technologie der Akademie der bildenden Künste in Wien werden akademische Kräfte zu Restauratoren herangebildet. Akademische, ebenso wie durch handwerkliche Ausbildung geschulte Restauratoren können sich einer Prü fung beim Bundesdenkmalamt unterziehen, durch welche sie den Titel eines „vom Bimdesministerium für Unterricht anerkannten Re staurators" erwerben. Auch der geschulte Handwerker bedarf ja für die von ihm zu erfüllenden Aufgaben auf dem Gebiet der Pflege kirchlicher Kunstgegenstände einer Ausbildung, die über das rein Technische hinausgeht. Auf diesem Gebiet ist bisher leider immer noch nicht genügend vor gesorgt, doch haben gerade in dem letzten Jahrzehnt bereits viele Handwerker ausgezeich nete restauratorische Leistungen aufzuweisen, nachdem sie sich die nötigen kunstgeschicht lichen Kenntnisse erworben und genügend Einfühlung in die alten Techniken aufgebracht haben. Die Denkmalpflege bemüht sich in den letzten Jahrzehnten ganz besonders, Materialien und Technik der verschiedenen Epochen zu erfor schen und das Ergebnis dieser Studien den ausübenden Fachkräften zu vermitteln. In Zukunft soll der Kontakt zwischen Handwerker und Kunstwissenschaftler noch intensiver ge staltet werden als bisher. Vor allem aber muß der Handwerker, der als Restaurator tätig sein will, die richtige Einstellung zum Kunstwerk haben — genügend Achtung vor dem alten 15

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2