Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

zelnen anzuführen, würde den Rahmen dieser Ausführungen überschreiten. Zusammenfassend möchte ich schließen: Aus den Bedürfnissen des religiösen Lebens ergeben sich die Veränderungen an bestehenden Kir chengebäuden, die im Vorstehenden besprochen werden konnten. Die Art ihrer Durchführung zeigt überall das Bestreben, die von der Seel sorge gestellten Forderungen an Bau und Aus gestaltung in moderne künstlerische Formen zu kleiden. Sie werden uns dann befriedigen, wenn sich alter und neuer Bestand ergänzen und har monisch verbinden zu Räumen echter innerer Sammlung und Erhebung. Staatskonservator Dr. Gertrude Tripp, Wien Die Ausstaffung von kirchlichen Räumen und ihre Pflege Dazu die Abbildungen 3—17 Den gläubigen Kirchenbesucher umfängt beim Betreten des Gotteshauses jene weihevolle Stimmung, die auf dem Zusammenklang der architektonischen Raumform mit den vielfäl tigen Elementen und Gegenständen der Ausstattimg beruht. Schöpfungen aus vielen Jahrhunderten lassen ernste und wehmütige, festliche und heitere Akkorde im Herzen der Andächtigen erklingen, und jede Epoche hat auf ihre Art getrachtet, ihrem Empfinden den besten und würdigsten Ausdruck zu verleihen, denn Grefühlsmomente und Kunstgeschmack sind im Ablauf der Ge schichte nicht gleich geblieben. Aber nicht nur veränderter Kunstgeschmack, sondern auch der Wandel in Richtung und Ziel gläubiger Frömmigkeit, der immer wieder sidi vollzieht, solange religiöses Leben sich fort wirkend erneuert, haben die Ausstattungsstücke des christlichen Gotteshauses ständigem Wech sel imterworfen. Ist nun aus diesen Gründen zwar der Wunsch nach Veränderung, der sich gerade in der leicht beweglichen Ausstattung der Kirchenräxmie auswirkt, verständlich, so bewirkt er eben doch, daß kostbarste Schätze nicht so sehr durch Katastrophen oder natürlichen Verfall, sondern durch menschliche Willkür oftmals zugrunde gegangen sind. Wir sind heute der Überzeugung, daß die künstlerischen Schöpfungen aller Stilepochen auf unsere Achtung Anspruch haben, der Be wahrer und Verwalter kirchlichen Eigentums sein Hauptaugenmerk auf die Erhaltung des wertvollen Alten richten muß, und nicht aus persönlichen Geschmacksgründen historische Gegenstände religiöser Verehrung akzeptieren oder verwerfen darf. Die Epochen, in denen dieser Grundsatz nicht allgemein gültig war, sind noch nicht allzu ferne. Schien bis vor kurzem der künstlerische Wert der Ausstattungsgegenstände aus dem 19. Jahrhimdert noch fragwürdig, so hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, daß auch diese — meist in historischen Stilformen hergestellten — Gegenstände eines künstle rischen Wertes oftmals nicht entbehren, immer aber noch als kulturhistorische Dokumente zu gelten haben. Bei Überwindung unserer Ab neigung gegen den Ekklektizismus des ver gangenen Jahrhimderts wird man sich zumeist dem künstlerischen Taktgefühl nicht verschlie ßen können, das in sehr vielen Fällen immerhin maßstäblich richtige Werke schuf und sehr gute Lösungen in Bezug auf die architektonische Umgebimg gefunden hat. Allerdings müssen wir auch die außerordent lich großen graduellen Unterschiede erkennen, die gerade in 'den Äußerungen dieser Zeit sich manifestieren. Die vielen wertlosen Inventar stücke von Kirchen, die entwurfsmäßig und in handwerklicher Beziehung keine Qualität auf weisen, wird man nicht unter allen Umständen bewahren müssen. Um das Gesagte zu veranschaulichen, soll an zwei Beispielen aufgezeigt werden, welche Überlegungen von selten der Denkmalpfiege für Bewahrung oder Entfernung von Einrichtungs stücken aus dieser Stilepoche maßgebend sind. Die Kirche Maria am Gostade in Wien ist eine der stimmungsvollsten der Hochgotik, und ihr Turm ist schlechtweg ein Meisterwerk spät gotischer Steinmetzkunst. Diesem großartigen Baudenkmal drohte zu Ende des 18. Jahrhim derts die Gefahr, abgebrochen zu werden, weil den kaiserlichen Behörden das Erfordernis des Kultes nicht genügend gegeben schien. 14

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