Prof. Dr. Michael Engelhart (Wien) Umbau und Erweiterung von Kirchen Zwei große geschichtliche Epochen der Ver gangenheit sind es, in deren steinernen Denkmalen sich Wesen und Werden unseres Volkes im besonderen Maße widerspiegelt: das Mittelalter und das Barock. Sie beide haben in reicher Fülle Dokumente hoher Baukultur in unserem Lande hinterlassen, unter ihnen die zahlreichen Schöpfungen der Kirchenkunst, Stifts- und Wallfahrtskirchen, Pfarrkirchen, Kapellen und Wegkreuze. Alle diese Bauten gehören so sehr zum Bild unserer heimatlichen Landschaft, daß sie aus ihr kaum weggedacht werden können. Es ist nun natürlich, daß Gebäude, die vor Jahrhimderten, als sie gebaut wurden, ihrem Zweck vollkommen gerecht werden konnten, dies heute in vielen Fällen nicht mehr in genü gendem Maße zu tun vermögen, daß also mit Berechtigimg der Wunsch nach ihrem Umbau erhoben wird. Denn die Forderungen praktischer Zweck erfüllung für die vielfältigen Bedürfnisse des menschlichen Lebens sind es, die jedes Bauwerk formen, ihm Inhalt und Ausdruck geben. Dies gilt auch für das christliche Gotteshaus. Die Gründe für den Umbau von Kirchen liegen: 1. In der Forderung nach Erweiterung. Sie ist meist bedingt durch das Bedürfnis, eine größer gewordene Gemeinde an den gottesdienstlichen Handlungen teilnehmen zu lassen. Es ist also eine Erweiterung des bestehenden Kirchen raumes nötig. 2. In der Erfüllung liturgischer Forderung. Der Altar ist im Sinne dieser Entwicklung so in den Mittelpunkt der kirchlichen Opferhandlung zu stellen, daß Priester und Gemeinde an die sem Zentrum einander näher kommen. Auch für die wichtigsten Stücke der kirchlichen Ein richtung gilt der Grundsatz, daß sie in nahe Beziehung zum Gläubigen gebracht werden müssen. 3. In notwendig gewordenen Veränderungen in und am Kirchengebäude im Sinne ästhetisch geschmacklicher Forderungen. 4. In der Notwendigkeit von Veränderungen, die durch die Behebung von Bauschäden oder die Verbesserung schlechten Bauzustandes be dingt sind. Erweiterung von Kirchen Im Mittelalter führte oft auch die zunehmende Zahl der Kleriker zur Erweiterung des ihnen vorbehaltenen Raumes im Organismus des Kirchengebäudes. Das Beispiel mancher Kloster kirchen zeigt, wie dies geschah. Doch kann in diesen Darlegungen füglich von einer näheren Besprechung solcher Möglichkeiten in unserer Zeit abgesehen werden, da es heute in erster Linie die wachsende Gemeinde ist, für die durch Vergrößerung des Kirchenraumes vorge sorgt werden muß. Eine solche Vergrößerung des „Gemeinde hauses" kann natürlich auch heute in der glei chen Weise erfolgen, die wiederholt in der Ver gangenheit angewendet wurde, durch Anfügung von Seitenschiffen an das Hauptschiff der Kirche. Die Mittelschiffsmauern müssen dann durchbrochen, d. h. in Pfeiler aufgelöst werden, um eine Verbindung des Hauptraumes mit den neuen, langgestreckten Seitenschiffen zu er reichen, die dann eigene Altäre erhalten können. Erweiterung einer mittelalterlichen Stiftskirche durch Anfügung eines neuen Chorraumes (Heiligen kreuz). Altbau = schwarz 10
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