Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 4

Helm in Verbindung mit dem gotischen Bau ausstrahlte, ist verlorengegangen. Hier mag dem einen die Vereinheitlichung des histori schen Gesamteindruckes als Gewinn ersdieinenj was ein anderer als Verlust im Sinne der Er haltung des überlieferten Zustandes empfindet. Entscheidend ist, daß die Änderung auf Grund einer Katastrophe und nicht freiwillig geschah. Äußerste Vorsicht hingegen ist bei Projekten am Platze, die sich die Wiederherstellung — besser gesagt: die Rekonstruktion — eines frü heren Zustandes zum Ziel nehmen. Im 19. Jahrhimdert, das ein anderes Verhältnis zur Ge schichte besaß als die Gegenwart, sind manche mittelalterlichen Kirchen, die im Barock äußer lich und im Innern dem Zeitempfinden gemäß verändert worden waren, „reromanisiert" oder „regotisiert" worden. Häufig wurden davon ge rade die Türme und Turmhelme betroffen. Das 20. Jahrhundert schätzt solch historisierende Veränderungen nicht sehr hoch ein xmd strebt danach, sie — zugunsten eines älteren Zustan des — der sich manchmal an Hand alter Pläne oder alter Ansichten rekonstruieren läßt, wieder zu beseitigen. Das Verfahren ist freilich bedenklich, denn es wiederholt im Grunde den Vorgang, der den historisierenden Architekten des 19. Jahrhun derts zum Vorwurf gemacht wird. Solche Vor haben können nicht unter allen Umständen und von vorneherein abgelehnt werden, sie bedürfen aber schon aus technischen Gründen gewissen haftester Prüfung. Als völlig abwegig können heute Projekte bezeichnet werden, die einer Veränderung des Neigungswinkels eines Kir chendaches gelten. Der oben gegebene Hinweis auf die Basilika von Mariazell kann als abschrechendes Beispiel dafür dienen, wie zerstö rend sich solche Maßnahmen — in Mariazell 1827 freilich aus der Not geboren, aber irre parabel — auf die Proportionen eines Bauwer kes und darüber hinaus auf das gesamte Orts bild auswirken. An keiner Stelle ist die Umriß linie so empfindlich wie hier. Die äußere Erscheinung einer Kirche ist aber keineswegs nur durch ihren Umriß charakteri siert. Die Oberfläche der Mauern und der Dächer ist für die Femwirkung nicht weniger bedeu tungsvoll als für die Nahsicht. Es ist bereits sattsam bekannt, wie sehr sich der ganze Charakter auch eines einfachen Hauses ändert, wenn als Dachdeckung an Stelle von Schindeln oder Taschenziegeln Eternitplat ten oder Strangfalzziegel treten. Es ist jener gewaltige Unterschied, der eben zwischen einem in Handarbeit hergestellten und einem von der Maschine gefertigten Gegenstand besteht. Dort wo es gleichgültig ist, ob die Individualität eines Baues in Erscheinung tritt oder nicht, ist auch die Frage der Dachhaut — cum grano salis — weniger ausschlaggebend. Wo es aber darauf ankommt, den gehobenen Charakter des Bau werkes zu bewahren oder — bei einem Bau von sakraler Würde — zu betonen, muß die „Nivel lierung" nach Möglichkeit vermieden werden. Mit den „Eternitschindeln" ist ein Weg gefimden worden, der unter gewissen Umständen auch bei denkmalwürdigen Sakralbauten begeh bar ist. Neuerdings werden, wie uns berichtet wurde. Versuche unternommen, die „Eternit schindeln" in etwas größerer Stärke herzustel len, um einem Dach mehr „Körper" zu geben, die Oberfläche des Daches dem Spiel von Licht und Schatten zugänglicher zu machen und damit eine etwas größere Lebendigkeit zu erreichen. — Blechdächer, die oft nach Katastrophen behelfs mäßig aufgebracht worden sind, sollten langsam beseitigt werden, sofern es sich nicht — aus der Barockzeit — um originale Dächer, z. B. um Kupferdächer handelt. Bei Turmhelmen, die sehr oft mit Blech gedeckt sind, ist die Frage des Anstriches von Bedeutung. Besonderer Wert ist stets auf den Ton und auf die Haltbarkeit der offerierten Farbe zu legen. Eine wichtige Rolle kann im Orts- und Land schaftsbild auch der Friedhof spielen. Die Fried höfe von Maria Wörth oder von St. Peter in Salzburg seien hiefür als berühmte Beispiele angeführt. Wenn für die Gestaltung von Fried höfen immer wieder die Forderung nach Würde und Pflege der lokalen Tradition geltend ge macht wird, so scheint sie in diesen untereinan der so verschiedenen Beispielen weitgehend er füllt zu sein. In beiden Fällen ist es der hohe Stimmungsgehalt, der von diesen Stätten des Friedens ausgeht und nicht zuletzt durch die taktvolle Gestaltung des einzelnen Grabmales erreicht worden ist. Alles was laut und auf dringlich ist, soll auf Friedhöfen vermieden werden, weü es ihrer Bestimmung zuwider läuft. Je mehr sich die Vielfalt der Grabmäler zur Einheit zusammenschließt, desto höher die Wirkung, die der Ort ausstrahlen wird. Die Fülle der Überlegungen, die heute bei denkmalpflegerischen Arbeiten angestellt wer den müssen, im Rahmen eines knappen Über blickes zu berücksichtigen, scheint kaum mög lich. Steht doch jedes einzelne Denkmal und jede einzelne Denkmalgruppe unter besonderen Voraussetzungen. Sicher ist lediglich, daß die ungeschriebene Verpflichtung besteht, das für die Zukunft zu bewahren, was die Bilder unserer Heimat imverwechselbar geprägt hat.

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