Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 3

Herr Sein Liegepolster an der Schmalseite des langen, niederen Speisetisches. Zu Seiner Rech ten und Linken lagen, wenn wir dem IV. Evan gelium folgen, Johannes und Petrus. Die übri gen Apostel schlössen sich jeweils in Dreier gruppen, nach der Alterswürde geordnet, an den Langseiten des Tisches an. Hier bildet der Tisch die Mitte des Gesche hens. Ihn umschließt der Ring der Feiernden. Dessen Anfang und Ende liegt bei dem Haus vater, der im Namen aller den Lobspruch spricht. Der Lobspruch bezieht sich auf das Brot oder den Becher in seiner Hand über dem Tisch. Aber er steigt aus dem Ring um den Tisch nach oben auf zum „König des Himmels". Hier sind die primären sakramentalen Zeichenvorgänge, das Gebet Jesu über Brot und Wein und die aus ihm hervorgehenden Worte des Sakraments, die Austeilung imd das Essen und Trinken der hei ligen Speise, aufs engste verwoben mit den se kundären Momenten der Ordnung um den Tisch. Das Ganze bildet eine geschlossene Gestalt, die sich selbst interpretiert und keiner architek tonischen oder darstellerischen Hilfe — etwa durch eine Kuppel über dem Ort des Altars, die als Himmelsgewölbe verdeutlicht wäre — be darf. Die „Mahlaufstellung" bleibt erhalten, auch wenn später die Feiernden nicht mehr am Tische liegen oder sitzen, sondern aufgestanden und einige Schritte zurückgetreten sind, wenn der große Speisetisch ersetzt ist durch einen klei neren, an den nur noch der Bischof mit den Presbytern herantritt. Der Bischof steht im wörtlichen Sinn „an der Stelle" Christi, die Gläubigen aber umgeben den Tisch des Herrn von den drei anderen Seiten als „circumstantes". Öder auch, sie stehen im Block vor ihm, den Liturgen gegenüber; auch dann bleibt der Tisch des Herrn die Mitte der Versammlung. Hier erhebt sich eine Frage, der eine Über legung wie die unsere nicht ausweichen darf: Als gegen Ende des 1. Jahrhunderts die sakra mentale Eucharistie vom Abend auf den Mor gen verlegt wurde, traf sie dort auf einen mor gendlichen Wortgottesdienst und schloß sich mit ihm im Nacheinander zu einer neuen Einheit zusammen. Nun entspricht aber dem Wort gottesdienst die Situation der hörenden und antwortenden Versammlung gegenüber dem Presbyterium, hingegen der Sakramentsfeier die Situation des Ringes um den Tisch. Wie gelingt also der Übergang von der einen zu der an deren Situation? Die ursprüngliche Lösung des Problems ist von überzeugender Einfachheit: Nach dem Wortgottesdienst verläßt der Bischof mit seiner ganzen Umgebung die Plätze an der Rückwand oder in der Apsis imd schreitet die Stufen des erhöhten Presbyteriums hinab zu dem wenig über die Grundfläche erhobenen Altar. Damit hat sich die weite Versammlung, die den Raum bis an den Rand ausnutzte, sinnbildlich zusam mengezogen und den Tisch des Herrn zur Mitte gemacht. (Der Vorgang ist beschrieben bei F. van der Meer: „Augustinus der Seelsorger", Köln, 1953, in dem Kapitel: „Ein Sonntag in Hippo".) Dabei behält die Gemeinde ihre anfängliche Aufstellimg, und hier muß ein Ausgleich zwi schen beiden Grundformen geschehen: Entweder hat man von Anfang an die Mahlaufstellung, und der Wortgottesdienst geschieht in dem gro ßen Ring, dessen Mitte bereits durch den Altar gebildet ist; oder aber man hat die Blockauf stellung gegenüber idem Presbyterium, dann bleibt diese in der sakramentalen Feier erhal ten, und auch so bildet der „Tisch des Herrn" die Mitte. Eine Veränderung dieser Grundverhältnisse ist eingetreten, wo das kosmisch-kultische Ge setz der Gebets-Ostung sich nicht nur für den Wortgotteadienst, sondern auch für die sakra mentale Feier durchsetzte. Die Schritte der Ent wicklung sind vermutlich so anzusetzen: a) Der Platz des Bischofs befindet sich zunächst im Westen der Basilika. Er spricht also die Gebete des Wortgottesdienstes nach Osten. Das Volk aber wendet sich zum Gebet nach Osten um. b) Das Presbyterium wird auf die Ostseite ver legt; so kann das Volk stehen bleiben, und. nur die Liturgen wenden sich zum Gebet um. c) Die Aufstellung zur Eucharistie ist dadurch zunächst noch nicht betroffen. Dann aber hat sich offen bar die kultische Tendenz vollends durchgesetzt, und der Liturge mußte auch beim Eucharistie gebet nach Osten schauen. Er trat also auf die Seite ides Volkes und wendete ihm nun den Rücken zu. Natürlich konnte die so entstehende Aufstellung theologisch leicht interpretiert wer den; es ist ja die des alten Tempelkultes: Dort stand der Priester auf der Seite des Volkes, dem Allerheiligsten des Wohnens Gottes zugewandt, und opferte als Mittler zwischen Volk und; Gott am mittlerischen Altar. So zeigte die neue Auf stellung über die primäre Zeichengestalt des gottgeweihten Males hinweg den gnadenhaften Gehalt des Altarsakramentes an: das Versöh nungsopfer Christi, zuteilgegeben der opferwil ligen Kirche. Der „Tisch des Herrn" war schon um die Wende des 1. Jahrhunderts um das sakramen talen Opfers willen als „Opferstätte", als „Altar", interpretiert worden; nun ist er auch räumlich als Altar behandelt. Er bildet mm wirklich wie im Tempelkult die „Schwelle" zum heiligen Bereich Gottes; er ist die Stelle des Übergangs und der versöhnlichen Zulassung.

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